Mit 96 Registern und 7869 Pfeifen ist die Mannheimer die größte Denkmalorgel in Baden-Württemberg. Zurzeit wird sie generalüberholt. Am 31. Oktober wird sie wieder erklingen.

Mannheim - Als „Mannheimer Wunderwerk“ hat sie vor fast 100 Jahren der Leipziger Komponist Sigfrid Karg-Eltert bezeichnet. „Ja, unsere Orgel ist Traum“, sagt heute Professor Johannes Michel, der Kirchenmusikdirektor und Kantor für den Bezirk der evangelischen Kirche in Mannheim und in Nordbaden über das riesige spätromantische Instrument in der Mannheimer Christuskirche. Erbaut von der bayrischen Firma Steinmeyer, ist die Orgel im Oktober 1911 – zusammen mit der Kirche selbst – eingeweiht worden. „So eine wie sie gibt es sonst nimmer in ganz Baden-Württemberg und auch nicht weiter weg“, erklärt Gerhard Lenter, der Seniorchef der gleichnamigen Orgelbaufirma aus Sachsenheim im Landkreis Ludwigsburg, unter dessen Leitung das Instrument derzeit restauriert wird. Imposant ist allein schon die Größe der Orgel, die sich über drei Etagen bis zur Decke erstreckt. Dazu kommt ein besonders dunkles voluminöses Klangbild des Instruments, das den Erbauern vor gut 100 Jahren so wichtig war. „Das finden sie sonst fast nirgends, das ist einzigartig“, sagt Gerhard Lenter.

 

Nur die Hauptorgel im Ulmer Münster ist größer

Mit 96 Registern und 7869 Pfeifen ist die Mannheimer die größte Denkmalorgel in Baden-Württemberg. Nur die Hauptorgel im Ulmer Münster ist, mit 98 Registern, noch etwas größer – sie ist aber auch deutlich jünger und steht bisher noch nicht unter Denkmalschutz. Ihre ganze Klangfülle konnte das „Mannheimer Wunderwerk“ allerdings schon länger nicht mehr recht entfalten. Mehr und mehr machte sich in den vergangenen Jahren Alterschwäche bemerkbar. „Auf manchen Tasten“, klagte die Christuskirchen-Kantorin Anna Linß schon 2015 einem Reporter des „Mannheimer Morgen“ komme beim Anschlag „nur noch ein Pfüüü“, andere Töne blieben hängen und wieder andere hörten sich an „wie ein Staubsauger“, schilderte die Musikerin anschaulich.

„Die Technik der Orgel war nach mehreren Umbauten im vergangenen Jahrhundert einfach an ihren Grenzen angelangt“, erklärt Gerhard Lenter. „Sie war deshalb schon sehr angeschlagen“. Im vergangenen Oktober ist sie zum vorerst das letzte Mal im Gottesdienst erklungen. Danach haben auf ihrer Empore die Orgelbauer Einzug gehalten. Seither sieht es dort aus wie in einer Werkstatt. Ein Gerüst und ein Aufzug helfen beim Auf- und Abbau der Pfeifen, die reihenweise auf dem Boden stehen. Dazwischen liegen der alte Spieltisch, Kabelstränge und Ventile, dazu Staubsauber, Bügeleisen und ein Kompressor samt diversen Werkzeugkisten.

5500 Ventile müssen per Hand neu mit Leder bezogen werden

„Da passiert gerade einfach unglaublich viel“, sagt Michel. „Alle Pfeifen von kleinsten bis zu den größten, müssen gereinigt, manche müssen verlängert werden, etwa 5500 Ventile müssen per Hand neu mit Leder bezogen werden; Kabel werden verlegt, die ganze Elektrik wird neu gemacht“. Vier Fachleute sind jeden Tag zwölf Stunden im Einsatz. Zwei Firmen haben sich den Auftrag geteilt. „Für eine wäre es einfach zuviel Arbeit gewesen“, erklärt Gerhard Lenter. Sein Unternehmen ist nun „für alles zuständig, was mit Klang und Elektrik zu tun hat“. Die Kollegen der Orgelbaufirma Link aus Giengen an der Brenz (Kreis Heidenheim) kümmern sich währenddessen vorrangig um die Überholung der Mechanik und der Pfeifen. Deren Reinigung gehört zum Geschäft von Helmut Böhringer. Gut die Hälfte der fast 8000 Pfeifen hat der Mann aus Giengen schon in der Hand gehabt und sie mit Hilfe von Rundbürsten und Pinseln, mit Pressluft und Staubsauger vom Schmutz vieler Jahre befreit. „Das schlimmste ist der Ruß im Innern – von den Kerzen in der Kirche, vor allem aber der Industrieruß aus Mannheim, der über die Jahrzehnte hinweg mit der Luft für die Orgel in die Pfeifen gelangt ist“, schildert er.

Am 31. Oktober ist Einweihung

Kurz vor Pfingsten war „Halbzeit“, bei der Restaurierung. „Da war wirklich alles auseinander“, schildert der Landeskantor. Inzwischen sind die ersten der Pfeifen wieder eingebaut: über enge Treppen und schmale Leitern geht es dabei im Innern hinauf bis in die hintersten Ecken des Instruments und hinunter in den Keller der Kirche. Dort stehen die zwei großen Blasebalge, die die Orgel mit Luft versorgen. Auch die Blasebalge müssen die Restauratoren komplett auseinandernehmen, um sie zu reinigen, neu mit Leder zu belegen und die Scharniere aus Darmsaiten zu erneuern.

In diesen Tagen soll der neue Spieltisch geliefert werden, anderthalb Kilometer Kabel müssen noch verlegt werden. „Einen Acht-Stunden-Tag gibt es bei uns nicht“, gesteht einer der Orgelbauer. „Am 31. Oktober ist die Einweihung, da müssen wir fertig sein, egal was passiert“. Der Termin, verrät Gerhard Lenter, „steht schon im Terminkalender des Ministerpräsidenten“.

Als kämen die Töne geradewegs aus dem Himmel

Denkmal

Denkmal
Die Steinmeyer-Orgel auf der Nordempore der Mannheimer Christuskirche ist mit 96 Registern auf vier Manualen und Pedal die größte der denkmalgeschützen Orgeln in Baden-Württemberg und eine der wenigen großen Konzertorgeln der Spätromantik, die beide Weltkriege nahzu unversehrt überstanden hat. Neben ihr gibt es in der Kirche noch eine neuere Barockorgel, die 1988 eingeweiht worden ist und eine kleine Truhenorgel.

Fernwerk

Zu den Besonderheiten des Instruments gehört, neben seinem monumentalen Gesamtklang, ein sogenanntes Fernwerk; es ist verdeckt in der Mitte der Kirchenkuppel eingebaut und erweckt mit seinem leisen, schwebenden Tönen fast den Eindruck, als käme seine Klänge aus dem Himmel.

Finanzierung

Die Kosten für die Sanierung der Orgel sind auf 850 000 Euro veranschlagt. Den Grundstock dafür hat die Stiftung Christuskirche mit einer Sammelaktion gelegt. Eine Großspende von 400 000 Euro hat dabei die aus Mannheim stammende Mäzenin Traudl Engelhorn beigesteuert. Weitere Mittel haben die evangelischen Landeskirche, das Land und auch der Bund zugesagt.