In Mannheim hält der starke Zuzug von Menschen aus Rumänen und Bulgaren unvermindert an. Dasbirgt allerlei sozialen Sprengstoff. Der Gemeinderat hat deshalb jetzt die Integrationshilfen verlängert.

Manheim - Die Stadt Mannheim gehört seit Jahren nicht nur landes-, sondern bundesweit zu den Städten mit überdurchschnittlich vielen Zuwanderern aus Südosteuropa. Seit dem EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien 2007 hat sich die Zahl der gemeldeten Menschen aus beiden Ländern von 1635 bis Ende 2016 auf 9700 erhöht – und damit versechsfacht. Verbunden war und ist dies mit vielfältigen sozialen Problemen. Im örtlichen Gemeinderat wurde dieser Tage Bilanz gezogen, dies auch im Blick auf die eigens angestrengten Integrationsbemühungen. Dadurch habe man in vielen Bereichen eine gewisse Entlastung erreicht, konstatierte dabei der Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD). „Wir sind aber zu der Einschätzung gekommen, dass wir mit unseren Anstrengungen nicht nachlassen dürfen, sonst kommt es wieder zu Verschlechterungen“, sagte er.

 

In den hauptsächlich betroffenen Stadtteilen, dem Jungbusch und der Neckarstadt, klagten die Einwohner bei früherer Gelegenheit massiv über vielerlei Belastungen – von überbelegten Häusern und Müll in den Straßen bis hin zu organisierter Schwarzarbeit und Prostitution. Schon 2013 hatte die Stadt deshalb umfangreiche soziale- und ordnungsrechtliche Maßnahmen beschlossen; 850 000 Euro wurden dafür jährlich bereit gestellt; dazu hat die Stadt seitdem insgesamt drei Millionen Euro von Bund, Land und EU für ihren eigens eingerichteten „Integrationsfonds Südosteuropa“ eingeworben. Die Herausforderungen, die sich für Mannheim durch den Zuzug aus den beiden EU-Staaten stellen, hätten durch das bundesweite Flüchtlingsthema „vielleicht etwas an Aufmerksamkeit eingebüßt“, heißt es am Ende eines knapp 50-seitigen Sachstandsberichts der Verwaltung für den Gemeinderat. „Tatsächlich aber stellt sich die Aufgabe der Zuwanderung zumindest in Mannheim weitaus dramatischer dar als die Frage der Integration von Flüchtlingen“.

Die Fluktuation unter den Neuzugezogenen ist hoch

Dem Bericht zufolge sind etwa 2500 bis 3000 der neu zugewanderten Bulgaren und Rumänen in Mannheim „als armutsgefährdet einzuschätzen“. Die Fluktuation – mit wiederholten Wegzügen und Anmeldungen – ist hoch. So habe es im vergangenen Jahr 2200 Neuanmeldungen aus beiden Ländern gegeben, die Zahl der Nettozuwanderer habe am Ende aber nur bei 650 betragen. Seit 2015 habe sich „der Trend zur Pendelmigration verstärkt“, heißt es. Ein großer Teil der Zuwanderer verfüge jedenfalls „über wenig Bildung, berufliche Qualifikationen und Deutschkenntnisse“. Dies stelle bei der Arbeits- und Wohnungssuche nicht nur eine „doppelte Zugangsbarriere“ dar, sondern führe auch dazu, dass die Betroffenen durch „organisierte Strukturen“ ausgenutzt würden. „Sie bieten, bereits in den Herkunftsländern ansetzend, alternative Unterbringungs- und Erwerbsgelegenheiten an, mit denen die Zuwanderer durch überteuerte und überbelegte Wohnungen und ungeregelte ausbeuterische Arbeitsverhältnisse weit unter Mindestlohn in Schulden gebracht werden“, analysiert die Stadtverwaltung.

Um den vielfältigen Problemen zu begegnen, hat die Stadt vor drei Jahren eine Arbeitsgruppe Südosteuropa gebildet, in der neben zahlreichen städtischen Fachbereichen auch Polizei, Staatsanwaltschaft, Zoll und Arbeitsagentur, die städtische Baugesellschaft, das staatliche Schulamt und weitere Stellen vertreten sind. Seit 2013 haben die beteiligten Behörden 145 sogenannte Problemimmobilien identifiziert und überprüft und anschließend 25 baurechtliche Auflagen und ebenso viele Nutzungsverfügungen erlassen. Dennoch „bleiben problematische Sammelunterkünfte eine fortgesetzte Herausforderung“, sagen die Experten im Rathaus.

Entlastung brachten erst sozialpolitische Maßnahmen

Im Gegensatz zu den Erwartungen hätten die ordnungsrechtlichen Maßnahmen, von denen man sich einen abschreckenden Effekt erhofft habe, zunächst allein „überhaupt nicht gewirkt“, betont der Rathauschef Kurz. Eine gewisse Entlastung sei erst eingetreten, nachdem man auch sozialpolitisch tätigt geworden sei. So habe die Jobbörse in den vergangenen zwei Jahren 376 Zuwanderer in Arbeit gebracht. Durch Projekte des Integrationsfonds habe man 2000 Zuzügler, darunter zwischen 300 und 600 Kinder- und Jugendliche, erreicht. An 23 Schulen und mehreren Kindertagesstätten wurden Sprachförderprojekte mit insgesamt gut 700 Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Der Gemeinderat war sich einig, dass Beratungs- und Unterstützungsprojekte weiterhin nötig sind und genehmigte für deren Weiterführung für 2018 und 2019 jeweils 850 000 Euro. Dringend nötig sei darüber hinaus, auch da bestand Konsens, mehr Unterstützung seitens der Landes- und der Bundesregierung.

Immer mehr Kinder und Jugendliche kommen

Die Wanderungsverflechtung durch Zu- und Fortzüge zwischen Baden-Württemberg und den sogenannten EU-2-Staaten Bulgarien und Rumänien, die 2007 in die EU kamen, war nach Erhebungen des Statistischen Landesamts bereits vor Einrührung der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit im Januar 2014 sehr intensiv. Erst danach allerdings hat sich das Wanderungsplus deutlich erhöht. 2015 – neuere Zahlen sind in dem Amt noch nicht verfügbar – lag der Saldo der Zu- und Fortzüge in Baden-Württemberg für Rumänen bei 19 887, für Bulgarien bei 4963 Menschen.

Besonders hoch war das Wanderungsplus von 2007 bis 2015 in Mannheim. Mit einem Saldo von 8284 Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien lag die Stadt 2015 landesweit an der Spitze, gefolgt von Stuttgart mit 6970 und Karlsruhe mit einem Plus von 5544 Menschen.

Nach Einschätzung der Stadt Mannheim zeigt die hohe Wanderdynamik, dass die Menschen selten planvoll auswandern, sondern vor allem ein besseres Einkommen und eine Arbeit suchen. Die Erhebungen zeigen auch eine Tendenz zum Familiennachzug und einen Anstieg der Zahlen bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren. Deren Anteil hat sich hat sich in Mannheim von 2012 bis 2015 von 398 auf 855 erhöht.