Vertraut Angela Merkel dem Reformwillen der französischen Regierung? So einfach ist die Sache nicht. Merkel sträubt sich beim gemeinsamen Auftritt mit Frankreichs neuem Premier, diese heikle Frage mit einem schlichten Ja oder Nein zu beantworten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Vertraut Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Reformwillen der französischen Regierung? So einfach ist die Sache nicht. Merkel sträubt sich bei ihrem gemeinsamen Auftritt mit Frankreichs neuem Premier Manuel Valls, diese heikle Frage mit einem schlichten Ja oder Nein zu beantworten. Und auch Valls warnt vor „simplizistischen“ Bekundungen. Das Verhältnis der beiden ist eher schwierig, auch wenn sie bei Valls’ Antrittsbesuch unablässig die Gemeinsamkeiten betonen.

 

Schon das Vorgeplänkel muss Valls – gemessen an den üblichen diplomatischen Gepflogenheiten – als maximal unfreundlich empfunden haben. Aus Merkels Partei waren sehr fordernde Töne zu vernehmen. Der neue Regierungschef in Paris sei bisher „die Erklärung schuldig geblieben, wie er den maroden französischen Staatshaushalt sanieren will“, rügte Gunther Krichbaum (CDU), Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Bundestag. Es sei geradezu „unverfroren zu sagen, ,mehr sparen geht nicht‘“, wie Valls das zuletzt vor der Nationalversammlung erklärt hat, monierte Herbert Reul, Sprecher der CDU-Abgeordneten im Europaparlament. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Griechen und Portugiesen, die Rentenkürzungen hinnehmen mussten“, fügte er hinzu.

Valls gibt sich eher trotzig als gelehrig

Die Kanzlerin verkneift sich solche Rüffel – zumindest vor laufenden Kameras. Sie nennt die Reformpläne der französischen Regierung anspruchsvoll und ambitioniert, verweist darauf, wie wichtig ihre Realisierung für die Glaubwürdigkeit Europas sei. Mit einem kleinen Nebensatz signalisiert sie jedoch eine gewisse Duldsamkeit. Frankreich will sich erst 2017 wieder an die Spielregeln der Währungsunion halten. Merkel sagt dazu: „Der Stabilitätspakt enthält auch Flexibilität.“ Zudem vermeidet sie alles, was den Eindruck erwecken könnte, sie spiele sich als Oberlehrerin der in dieser Angelegenheit saumseligen Franzosen auf. Ob die avisierten Maßnahmen ausreichten, müsse letzten Endes ganz allein die EU-Kommission bewerten, sagt die Kanzlerin.

Der Staatsgast gibt sich eher trotzig als gelehrig. Das beginnt schon mit seinem ersten Satz in der Pressekonferenz. Er sei ja nicht zum ersten Mal in Berlin, sagt er, obwohl das sein offizieller Antrittsbesuch ist. Die erste Visite als Premier sei auf Einladung der SPD erfolgt. Damit ist gleich geklärt, wem seine Sympathien gelten. Er wisse zwar, dass es Zweifel, Fragen und Sorgen in Deutschland gebe wegen der Krise in Frankreich und der bis jetzt nur angekündigten Reformpolitik, erklärt der Sozialist, sein Land sei aber „nicht das kranke Kind Europas“. Er sei nicht in die deutsche Hauptstadt gereist, um irgendetwas zu erbitten, gar um Nachsicht in Sachen Etatdisziplin. Die Aussprache mit der Kanzlerin, die Valls ohne Umschweife „direkt und freimütig“ nennt, was in der Diplomatensprache so viel wie kontrovers bedeutet, habe jedenfalls in einer Atmosphäre stattgefunden, die „unserer beiden Länder würdig“ gewesen sei – was wohl heißen soll: auf Augenhöhe.

Frankreich sei in einer „spannenden Phase“, sagt Merkel

Mehrfach wiederholen Valls und seine Gastgeberin, dass Frankreich und Deutschland die Krise gemeinsam zu bewältigen versuchten, dass neben soliden Staatsfinanzen dazu auch Wachstumsimpulse erforderlich seien. Merkel spricht in diesem Zusammenhang sehr vage von ihrer digitalen Agenda, wofür auf europäischer Ebene jetzt der deutsche Kommissar Oettinger zuständig sei. Auf diesem Feld gebe es „mit Sicherheit große Wachstumspotenziale“. Valls quittiert das mit einem sehr feinen Lächeln. „Frankreich mag Deutschland, wenn es seine Verpflichtungen einhält“, wird er später sagen, „Frankreich wird Deutschland mögen, wenn es sich für Wachstum in Europa einsetzt.“

Merkel betont an anderer Stelle noch einmal, dass nicht immer „neues Geld“ nötig sei, um Wachstum anzuregen. Und was die Reformen in Frankreich betrifft, dazu sagt sie: Solche Reformen hätten nicht in erster Linie den Zweck, irgendwelche Erwartungen zu erfüllen. Sie dienten vor allem dem Ziel, den Wohlstand im eigenen Land zu verbessern. Die Kanzlerin habe sich „sehr interessiert“ gezeigt an dem, was seine Regierung vorhabe, sagt Valls. Ob sie denn zufrieden sei, wird Merkel gefragt. Ihre Antwort ist vielsagend. Es gehe hier nicht um Zufriedenheit oder Unzufriedenheit. Frankreich befinde sich jedenfalls in einer „spannenden Phase“.