Nach seiner Kritik an Oberbürgermeister Wolfgang Schuster hat Stefan Mappus in Stuttgart den freundlichen Landesvater gegeben.

Stuttgart – Die Stadt hat eine heiße Woche hinter sich: CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus kritisierte OB Wolfgang Schuster scharf, entschuldigte sich aber rasch dafür. Auch am Samstag schlug Mappus bei zwei Wahlkampfterminen mit Lokalpolitikern in der Landeshauptstadt moderate Töne an. Kurz vor zehn ist Stefan Mappus da. Gedeckter grauer Anzug, dezent gestreifte Krawatte. Flankiert von den Haus-und-Grund-Vorstandsmitgliedern Klaus Lang und Thomas Bopp kommt der Hauptredner auf der Mitgliederversammlung durch das Foyer der Liederhalle. Freundliches Lächeln nach allen Seiten, keine großen Gesten. Ich bin wieder ganz Ministerpräsident, ganz Landesvater, soll der Auftritt vermitteln.

 

Den vielen wertkonservativen Stuttgarter Häuslebesitzern steckt aber offenbar die Attacke auf den Stuttgarter Oberbürgermeister und CDU-Parteifreund Wolfgang Schuster noch in den Köpfen. Den hatte der schwarze Wahlkämpfer ein paar Tage vorher kurzerhand zum Stadtoberhaupt mit auf Ende 2012 begrenzter Restlaufzeit erklärt und für große kommunalpolitische Fehler verantwortlich gemacht. Als klar wird, dass der Schuss nach hinten losgegangen ist, folgt flugs die Entschuldigung – es war alles so nicht gemeint.

"Politiker muss man nicht mögen"

„Politiker muss man nicht mögen, aber sie müssen Charakter haben“, sagt eine skeptische Hausbesitzerin. Man gewinne keine Wählerstimmen, wenn man auf Parteifreunde eindresche und sich in die Stuttgarter Kommunalpolitik einmische, meint ein anderer. Dann steht der von dem Haus-und-Grund-Vorsitzenden Klaus Lang begrüßte „verehrte Ministerpräsident“ vor 1100 Stuttgarter Hausbesitzern und vielen potenziellen Stammwählern am Rednerpult: „Baden-Würtemberg am Scheideweg?“ lautet das Thema. Für Mappus „steht eine „Richtungsentscheidung, eine Schicksalswahl an“. Er lässt keinen Zweifel daran, dass Baden-Württemberg nur unter seiner Führung „seinen seit mehr als 50 Jahren erfolgreichen Weg“ weitergehen könne. Und ein unverzichtbarer Bestandteil und Garant für diese gedeihliche Entwicklung sind für ihn die Häuslebauer im Land.

Unter einer von ihm geführten Landesregierung werde es keine höhere Grunderwerbssteuer geben. Man könne doch die, die etwas leisten, nicht noch stärker belasten. „Wenn das Eigentum nicht mehr heilig ist, geht die Freiheit unter“, sagte Mappus. Das sind im Hegelsaal Sätze mit Beifallgarantie. Auf den Tischen gibt es Brezel und Brötchen, der Honig fließt vom Rednerpult. Aber gab es wenige Tage vorher nicht noch Gift und Galle? Sagt er noch was zu Schuster? Diese Frage steht unausgesprochen im Saal. Mappus sagt noch etwas. Seine harschen Worte zum traurigen Zustand der Stuttgarter Schulen seien keinesfalls eine Kritik am Stuttgarter OB gewesen, beteuert er. Ihn habe allein die Sorge um die Jugend umgetrieben, für deren Bildung eine gute Infrastruktur vonnöten sei. Der Beifall fällt mittelprächtig aus, die Diskussion komplett: Mappus muss weiter - zum Starkbieranstich.

Seite 2: Ein Hauch von Bayern

Im „Brunnerz“ am Rotebühlplatz drängen sich am späten Samstagvormittag knapp 300 mehr oder weniger Prominente um das Holzfass. Blau-weiße Papiertischdecken, Luftschlangen und ein paar Schwaben im Trachtenanzug verleihen der Glas-und-Stahl-Location ein wenig bajuwarisches Ambiente. Mappus, von Stadtkämmerer Michael Föll artig als „lieber Herr Ministerpräsident“ begrüßt, blickt freundlich in die Kameras. „Der Starkbieranstich ist das prickelnde Ende einer stürmischen Woche“, sagt Föll. Für Mappus bestehe aber keine Gefahr. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Stuttgarter Kommunalpolitiker sie kritisieren könnte.“

Dafür gibt es viel Gelächter und viel Beifall. Zuvor hat Föll schon erklärt, er freue sich seit Wochen darauf, den OB beim Fassanstich vertreten zu dürfen. Damit ist die wichtige Botschaft – Oberbürgermeister Wolfgang Schuster hat keineswegs vor seinem Kritiker gekniffen – unter das Volk gebracht. „Damit wir oben bleiben, brauchen wir einen tüchtigen Ministerpräsidenten“, hatte Schuster nach seinem Fassanstich im vergangenen Herbst auf dem Volksfest noch gesagt. Jetzt weiß er, wie tüchtig der Gelobte sein kann.

Dann ist es soweit: Mappus holt mit dem großen Holzhammer aus - immer wieder: Nach 25 Schlägen sitzt der Zapfhahn fest im Fass. Der Akteur auf der Starkbierbühne wirkt nicht ganz zufrieden – schließlich weiß Mappus selbst am besten, dass er eigentlich viel härter zuschlagen kann. Dann wird dem Landesvater traditionsgemäß der erste Schluck Starkbier gereicht: „Sei gegrüßt, trinke bester Fürst!“ Und schon verschwindet das dunkle Gebräu im schwarzen Mann. Dann fließt das Starkbier für alle und der Kabarettist Christoph Sonntag serviert noch ein wenig Humor. Es wird richtig gemütlich.