Vier professionelle Puppenspieler, mehrere Marionetten und ein Theaterstück ziehen Kinder und Erwachsene in ihren Bann. Dabei ist die Faszination das Mittel zum Zweck.

Hemmingen - Gebannter Blick, offener Mund – und Lachfalten, die sich um die Augen abzeichnen. Wer am Mittwoch wohl die größere Freude an der Vorstellung der Augsburger Puppenkiste hatte? Paula und die Kistenkobolde begeisterten die Kita-Erzieher, den Bürgermeister und die Kindergartenkinder gleichermaßen. „Klopf, Klopf, macht die Kiste auf“, singen die Kobolde, als sie sich noch in der Holzkiste mit dem Aufdruck der Augsburger Puppenkiste befinden. Diese steht am Mittwochvormittag auf der Bühne der Hemminger Gemeinschaftshalle.

 

Hemmingen ist die einzige Station der Augsburger Puppenkiste im Kreis Ludwigsburg auf ihrer Tournee. Die vier professionellen Puppenspieler sind mit dem Augsburger Verein Papilio unterwegs. Sie spielen „Paula und die Kistenkobolde“. Für 45 Minuten gehört die Bühne dem empathischen Zornibold, Bibberbold, Freudibold und Heulibold sowie Paula.

Umgang mit persönlichen Krisen lernen

Der Verein Papilio ist 2010 als Sozialunternehmen aus einer Augsburger Firma heraus entstanden. Noch innerhalb der Firma war das Präventionsprogramm gleichen Namens entwickelt worden. Es will Kinder davor bewahren, mit Sucht und Gewalt auf Krisen zu reagieren. Es soll sie deshalb auch lehren, mit eigenen Gefühlen und den Emotionen anderer umzugehen.

Die langjährige PapilioVereinsvorsitzende Heidrun Mayer hatte sich zur Aufgabe gemacht, frühzeitig die emotionale Kompetenz von Kindern zu stärken. Dazu entwickelte die Sozialpädagogin das Kindergartenprogramm, das aus mehreren Komponenten besteht, eines davon das Bühnenstück. Mayer machte sich dafür stark, es bundesweit in der Ausbildung von Erziehern zu etablieren. Dabei blieb das wissenschaftlich begleitete Programm nicht auf Deutschland begrenzt: Seit 2015 fördert die finnische Regierung die flächendeckende Einführung in ihrem Land.

Nach Hemmingen war die Augsburger Puppenkiste mit dem Stück „Paula und die Kistenkobolde“ gekommen, weil Heike Schiele in ihrem Studium darauf gestoßen war. Die Leiterin des Kinderhauses Eberdinger Straße schätzt solche Programme, weil sie die Erzieher dazu anhalte, die alltägliche Erziehung zu reflektieren. „Wir leben in einem sozialen System“, sagt Schiele. Das könne ohne Empathie nicht gelingen. Deshalb würden Bindung und Beziehung als Basis gelebt. „Unsere Leistungsgesellschaft ist viel zu verkopft“, betont sie den Wert von Empathie. Doch das soziale System könne nur funktionieren, wenn die 105 Kinder aus 28 verschiedenen Nationen in der Einrichtung eine gemeinsame Basis hätten, das aus gelebten Werten bestehe. Und wenn das soziale System funktioniere, kämen die Kinder gern in die Einrichtung. „Sie müssen gern kommen, dann steigt auch die Bereitschaft zu lernen.“ Und nur so könne es Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit geben, sagt Schiele.

Die Erzieher wurden in dem Papilio-Programm ausgebildet. Gefördert wurde das Gastspiel der Augsburger Puppenkiste von der Barmer, die Fortbildung wurde zudem mitfinanziert von der Techniker-Krankenkasse. Die Kassen sind nach dem Präventionsgesetz zu einem Engagement in vorbeugenden Maßnahmen verpflichtet.

Die Hemminger Kinder bekamen am Mittwoch ein Stück zu sehen, das im Rahmen von Papilio bisher vor allem in Bayern und im Rhein-Neckar-Kreis gezeigt wird. Auf der Bühne der Ausburger Puppenkiste selbst wird es nicht gespielt. Obwohl die Marionetten in der Puppenkiste gefertigt wurden und die Puppenspieler dem Ensemble angehören, ist das Stück über Gefühle den Kindern im Rahmen von Papilio vorbehalten.

Vier Kobolde lernen miteinander zu leben

Auch die Hemminger lernen an diesem Vormittag viel über Empathie. Die Geschichte lehrt, wie einfach es ist, mit eigenen Gefühlen umzugehen. Das Mädchen Paula macht darin Bekanntschaft mit den Kobolden, nachdem es von seiner Großmutter animiert worden war, auf den Dachboden zu gehen. Dort entdeckt es die Kobolde, die nach und nach aus ihrer Kiste kommen – selbst Bibberbold wagt sich zuletzt raus, der überaus ängstliche Kerl, der sich so gar nicht anfreunden kann mit der guten Laune, die Freudibold verströmt, und den wütenden Zornibold skeptisch beäugt, der den traurigen Heulibold erst verächtlich zur Seite stößt.

Dass die Marionetten am Ende trotz aller Emotionen einander akzeptieren, verdanken sie Paula, die zwischen ihnen allen vermittelt – und den professionellen Puppenspielern Judith Gardner, Jessica Hock, Michael Marschall und Stefan Schmieder, die die kleinen Figuren an diesem Vormittag überhaupt erst zum Leben erweckten.