Viele Unternehmen haben mit Produktfälschungen zu kämpfen. Wegen hoher Prozesskosten schrecken viele jedoch vor einer Klage zurück.      

Stuttgart - Irgendwie kam Roman Gorovoy der Industriesauger bekannt vor: Design, Verpackung, selbst einige Bilder an dem fremden Stand waren aus dem Produktprospekt seiner Firma Starmix herauskopiert worden. Der Geschäftsführer des schwäbischen Traditionsunternehmens stand auf der Messe "China Clean" in Shanghai und schien eines seiner Produkte gerade eben bei der Konkurrenz entdeckt zu haben.

 

Zwei Jahre später legt Roman Gorovoy in seinem Büro in Reichenbach einen handhohen Papierstapel neben sich auf den Tisch. Ausgedruckte E-Mails aus China, Überbleibsel eines Prozesses. "Ein ehemaliger Mitarbeiter unseres Händlers in China hat das Produkt kopiert", sagt Gorovoy. So habe die chinesische Firma Shanghai Lerong Industrial den Sauger fälschen können.

Der heute 29-jährige Starmix-Chef wollte dies nicht einfach so hinnehmen. Seine Mitbewerber warnten: "Lass es sein, das bringt sowieso nichts." Doch das mittelständische Unternehmen aus Baden-Württemberg zog gegen die Produktpiraterie vor ein chinesisches Gericht. Gorovoy klagte, zahlte 70.000 Euro Prozesskosten - und gewann. Das Urteil: 20.000 Euro Strafe für die Firma aus Shanghai, die Herstellung des Geräts wurde gestoppt. "Finanziell hat sich der Prozess nicht gelohnt", sagt Gorovoy. Doch immerhin: eine weitere Firma, die mit einem gefälschten Starmix-Sauger bereits in den Startlöchern stand, stellte den geplanten Verkauf ebenfalls ein.

Bis zum Urteilsspruch sind zwei Jahre vergangen

50 Milliarden Euro jährlich - so viel Umsatz büßt die deutsche Wirtschaft aufgrund von Fälschungen laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) ein. Allein der Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) geht von einem durch Produktpiraterie verursachten Schaden von rund 6,4 Milliarden Euro aus.

76 Prozent der deutschen Unternehmen sind laut einer VDMA-Studie von Produkt-und Markenpiraterie betroffen. Dass Starmix geklagt habe, sei der richtige Weg gewesen, sagt Alexander Benesch vom Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie e. V. (APM). Rund 75 Unternehmen sind Mitglied des Verbands. Ihnen rät Benesch aktiv zu werden. Die hohen Kosten schreckten aber viele ab. Es werde dennoch vermehrt gegen die Fälscher geklagt, die Zahl der geführten Verfahren sei in den vergangenen Jahren stark gestiegen.

Dass ein solcher Prozess nicht einfach werden würde, war Roman Gorovoy schnell klar. Von der Entdeckung der Fälschungen bis zum Urteilsspruch vergingen fast zwei Jahre. Auf der Messe in Shanghai war er zunächst sofort zum chinesischen Kontrollbüro marschiert. Vor ihm standen bereits Italiener, Deutsche und andere Firmenbesitzer. Ihr Anliegen: Produktfälschung.

Zahlreiche Dokumente mussten geglaubigt werden

"Da war schon ganz schön was los", sagt Gorovoy und schmunzelt. In Deutschland sei es wesentlich einfacher, eine Fälschung vom Markt zu nehmen, sagt Gorovoy. Der deutsche Zoll, der für die Kontrolle zuständig ist, würde bei solchen Fällen bereits auf der Messe handeln. Doch in China muss - möchte man eine Anzeige erstatten - zunächst einmal alles beglaubigt werden: die Existenz der eigenen Firma, Angaben zur Entwicklungsabteilung, die Einreichung von technischen Zeichnungen und vieles mehr. "Das dauert länger", sagt Gorovoy.

Allein seine Assistentin war wegen der Papiere fast ein Jahr zwischen Reichenbach, Stuttgart und Köln unterwegs. Notar, Amtsgericht Stuttgart, Bundesverwaltungsamt Köln und die chinesische Botschaft - so lautete die Reiseroute für alle Dokumente, die beglaubigt werden mussten.

Empörung über Fälschungen in China nur gering

Am Messestand in Shanghai hatte die chinesische Fälscherfirma behauptet, das Produkt zuerst entwickelt zu haben. "Dabei hatte der Mann davor Starmix-Produkte verkauft", sagt Gorovoy. Das Problem des Geschäftsführers aus Schwaben: er hatte sich den Sauger in China nicht patentieren lassen. "Ein Fehler", wie er heute sagt. Inzwischen sind alle Produkte der Firma Starmix, die in der kleinen Niederlassung in China vertrieben werden, geschützt. "So ein Patent bringt etwas", sagt Gorovoy rückblickend. 

Fälschung als ein "chinesisches Kompliment"

Auch der Verband gegen Markenpiraterie rät dazu, die formellen Schutzrechte vor Ort wahrzunehmen. Im Falle eines Prozesses seien dann die rechtlichen Grundlagen gesichert. Denn diese bestehen durchaus. Nur an der Umsetzung in den vielen Provinzen mangele es noch, sagt Alexander Benesch vom APM. Den Starmix-Chef Gorovoy haben die rechtlichen Vorgänge nicht abgeschreckt. "Der Prozess dauerte lang, aber er war fair", sagt er heute.

Die Empörung über Fälschungen hält sich in China indes noch in Grenzen. "Fälschung ist eine Art chinesisches Kompliment", sagt Gorovoy. Er habe immer wieder gehört: "In China kopiert man nur die Besten." Die Einstellung zu geistigem Eigentum sei eine andere. Warum das Rad zweimal erfinden, wenn der andere die Arbeit schon geleistet hat.

"Ich musste auch unseren chinesischen Mitarbeitern vor Ort erklären, dass die Umsätze eines Unternehmens fallen können, wenn der Mitbewerber das kopierte Produkt auf den Markt bringt", sagt der Geschäftsführer von Starmix. Seine chinesischen Angestellten hatten ihm den Vorschlag gemacht, doch auch einfach ein anderes Produkt nachzubauen. Inzwischen sind aber auch vermehrt chinesische Firmen Opfer von Produktpiraten, sagt Rechtsreferent Alexander Benesch. Das treibe die Sensibilisierung für dieses Thema weiter voran.

"Die haben uns komplett kopiert"

Vor zwei Jahren suchte sich Roman Gorovoy zunächst eine deutsche Anwaltskanzlei mit Sitz in China. Privatdetektive wurden engagiert, die sich bei der Fälscherfirma als Arbeiter einschlichen und die Produktion filmten und fotografierten.

Hatten die Fälscher auf der Messe noch einen anderen Namen verwendet, produzierten sie die Sauger am Fließband direkt unter dem Namen Starmix. "Die haben uns komplett kopiert, auch unser Leistungsschild", sagt Gorovoy. Auf dem chinesischen Zertifikat stand sogar "made in Reichenbach". Ausgestattet mit Beweismaterial und Beglaubigungen konnte der Prozess schließlich beginnen. "Wir haben jetzt schon Erfahrung, sollten wir irgendwann noch einmal in China vor Gericht ziehen", sagt Gorovoy. Zurückschrecken würde er davor nicht.

Händetrockner "MADE IN REICHENBACH"

Unternehmen

Das Unternehmen Starmix Electrostar GmbH mit Sitz in Reichenbach an der Fils wurde 1921 von Robert Schöttle gegründet. 1925 erfanden Mitarbeiter den ersten Warmluft-Händetrockner, später folgte die Starmix-Küchenmaschine. Das Unternehmen ist eigenen Angaben zufolge marktführender Hersteller von Hochleistungsstaubsaugern. 128 Mitarbeiter arbeiten für das Unternehmen. Im Jahr 2010 betrug der Umsatz 24 Millionen Euro. Starmix exportiert in 65 Länder. 2005 wird Alexander Gorovoy operativer Geschäftsführer.

China

In den 90er Jahren trocknete man sich in China die Hände vermehrt mit den Handtrocknern der Firma Starmix. Bereits 1989 bestanden erste Kontakte mit Händlern im Land. Das schwäbische Unternehmen hat inzwischen mit einer kleinen Niederlassung Vertrieb und Produktion vor Ort.

APM

Der Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie e. V. (APM) wurde im Jahr 1997 als branchenübergreifender Verband für den Schutz geistigen Eigentums gegründet. Er hat seinen Sitz in Berlin und ist eine Gemeinschaftsinitiative des deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) und des Markenverbands. Aktuell hat der Verband rund 75 Mitglieder.