Lange schien die TV-Branche in den USA dem Ansturm der Online-Werbung und der Streaming-Dienste zu widerstehen. Nun scheint ein Wendepunkt erreicht: Erfolgsserien wie „Empire“ über ein Hip-Hop-Label sind kein Garant für hohe Werbeeinnahmen.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Lange galt Fernsehwerbung in einem turbulenten Werbemarkt als eine Säule, die dem Angriff der Online-Anbieter widerstehen konnte. In Deutschland ist der Marktanteil weiterhin stabil. Doch in den USA bahnt sich eine Wende an. Die digitalen Trends, die von dort ihren Ausgang nehmen, haben mit Verzögerung bisher immer auch Deutschland erreicht.

 

Eine aktuelle Studie der Consulting Firma Bain, für die der Ex-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney tätig war, spricht von einer sich anbahnenden Krise. „Die aktuellsten Untersuchungen zu Marketingtrends besagen, dass Marketingverantwortliche nun meinen, dass das Fernsehen genau auf den Gebieten, die ihnen am wichtigsten sind, schlechtere Resultate erzielen als digitale Medien“, heißt es dort. „Was macht die meisten Sorgen? Digitale Werbung attackiert inzwischen die einst unangreifbare Dominanz des Fernsehens beim Erreichen eines Massenpublikums.“

In diesem Jahr wird laut der Umfrage unter 436 Marketing-Chefs der wichtigsten US-Marken die Zahl der Anzeigenkunden, für die das Fernsehen zu ihren Top-Kanälen gehört, um sieben Prozent abnehmen. Das ist das erste Minus in der vierjährigen Geschichte der Umfrage „Die großen Marken verschieben ihre Anzeigendollars schneller vom Fernsehen weg als die meisten Beobachter realisieren“, schreiben die Analytiker. „Ein nationale Kette für Fast Food hat uns mitgeteilt, dass man schon im Jahr 2014 kein Geld mehr für Anzeigen im Fernsehen ausgegeben habe und 2015 die Ausgaben im Digitalbereich noch weiter steigern wird.“

Bisher waren die Prognosen noch relativ beruhigend. So sagt die US-Beratungsfirma Strategy Analytics voraus, dass das Fernsehen auch im Jahr 2018 mit einem kaum unter dem heutigen Niveau liegenden Marktanteil von 40 Prozent noch knapp vor den vorausgesagten 35 Prozent der Onlinewerbung liegen soll. Aber die rasant wachsende Werbung auf Mobilgeräten könnte diese Prognosen Makulatur werden lassen. Hier sprechen die Marktspezialisten von E-Marketer allein für 2015 von einer Steigerung um 50 Prozent.

Fernsehkonsum beim jüngeren Publikum sinkt

Es gibt weitere Indizien, die einen sich beschleunigenden Bedeutungsverlust des Fernsehens insbesondere bei der jüngeren Generation belegen. Im ersten Quartal 2015 ist der Fernsehkonsum der 18- bis 24-Jährigen im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Viertel auf 18 Stunden in der Woche zurückgegangen. Binnen vier Jahren hat sich damit die Fernsehnutzung in dieser Altersgruppe fast halbiert. Profitiert haben Videoangebote wie You Tube oder Streaminganbieter wie Netflix. 2011 betrachteten in den USA zwei Drittel der jungen Konsumenten zwischen 15 und 25 Jahren vor allem Videos – heute liegt der Wert bei 90 Prozent.

Im Vergleich des ersten Quartals 2014 mit 2015 sind die Werbeeinnahmen der nationalen TV Sender um fast zehn Prozent eingebrochen, auch wenn hier der Sondereffekt der olympischen Winterspiele eine Rolle spielen dürfte. Die Kabelsender konnten ihre Einnahmen zwar steigern, aber nur dadurch, dass sie zusätzliche Werbeblöcke einschoben, um ihre sinkenden Zuschauerzahlen zu kompensieren. Trotz des Plus bei den spanischsprachigen Sendern, die ihr Publikum bisher noch ausbauen können, schrumpfte der Fernsehwerbemarkt im Quartalsvergleich um drei Prozent. Selbst der erfolgsverwöhnte Fernsehsender Fox spürt zurzeit, dass sich die Werbetreibenden zurückhalten. Dabei hatte Fox im vergangenen Jahr mit der Serie „Empire“, die sich um ein imaginäres Hip-Hop-Label dreht und inzwischen auch in Deutschland läuft, eine Erfolgsshow im Programm. Werbetreibende konzentrieren ihre Strategien aber vor allem auf Sport-Events und die beim jungen Publikum erfolgreich laufenden Late-Night-Talkshows.

Die Branche ist nervös

Die Nervosität der TV-Branche bekommen Werbe-Ratingagenturen wie Nielsen zu spüren, die davon leben, die Reichweite von Werbung objektiv zu bewerten. Die Fernsehsender werfen diesem Anbieter vor, dass die Messmethode die Online-Kanäle der Sender nicht genügend berücksichtigt. Sendungen die mehr als eine Woche nach der Erstausstrahlung im Internet angeschaut werden, bleiben bisher bei den Zuschauerzahlen unberücksichtigt.

Streaming-Anbieter wie Netflix versuchen die Werbebeobachter wie Nielsen sogar mit technischen Mitteln auszutricksen, um die Deutungshoheit über die Zuschauerzahlen nicht aus der Hand zu geben. Die Fernsehsender, die Senderechte an Netflix verkauft haben, wissen so nicht, welchen Erfolg ihre Sendungen dort erreichen. Netflix nutzt hingegen gegenüber den Werbekunden den Vorteil, dass man bei der Online-Nutzung viel mehr Daten über die Zuschauer sammeln kann als beim traditionellen Fernsehen. „Wir werden manchmal als Sündenbock benutzt“, sagte der Nielsen-Chef Mitch Barns.

In Deutschland ist die TV-Werbung stabil

Deutschland –
Immer noch fließen in Deutschland die meisten Werbegelder ins Fernsehen. Zwischen 2013 und 2014 konnte es laut Nielsen-Werbeanalyse seinen Marktanteil hierzulande von 44,9 Prozent auf 46,3 Prozent ausbauen. Das lag aber am Sondereffekt der mit TV-Werbung bestückten olympischen Winterspiele und der Fußball-WM. Die Printwerbung erreicht einen Anteil von einem Drittel. Das Online-Segment ist noch relativ klein. Es lag 2014 bei 11,5 Prozent.

USA
– Die Größenordnung der Fernsehwerbung in den USA ist ähnlich der in Deutschland. Im ersten Quartal 2015 lag dort der TV-Marktanteil bei 42 Prozent. Die Online-Werbung zeigt sich hier mit einem Anteil von 28 Prozent dynamischer als in Deutschland. Bisher geht das vor allem auf Kosten der Printmedien, die noch auf 15 Prozent Marktanteil kommen. Doch bald könnte das TV-Werbeaufkommen ins Visier geraten.