Rund 400 Menschen waren am Samstagabend zum Martinsritt gekommen. Die Kinder hielten die Laternen hoch und die Kirche ihre Lehre von der Barmherzigkeit.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Eine kleine Tat für einen Heiligen, aber eine große für die Kirchengeschichte. Am Samstag wurde in Esslingen traditionell der Martinsritt begangen. Er erinnert an den römischen Soldaten Martin von Tours, der mit einem Schwertstreich seinen roten Mantel geteilt hatte, um eine Hälfte einem Bettler zu geben, der zu erfrieren drohte.

 

Dieser Akt der Nächstenliebe, verbunden mit der Rebellion gegen die kaiserliche Staatsobrigkeit, wird seit mehr als tausend Jahren gefeiert. In Esslingen übernahm es die Pastoralreferentin Gabriele Fischer, den Kindern zunächst die Geschichte des Heiligen Martin zu erzählen und sie anschließend zur Prozession aus dem Münster St. Paul hinauszuführen.

Sprühregen und acht Grad Kälte

Vorneweg ritt Franziska Bollinger auf der 13 Jahre alten Haflingerdame Ixi, die zum Sulzgrieser Reitstall gehört. Sie trug das Schwert und den roten Mantel, darunter aber warme Kleidung, denn schließlich fiel gegen Abend Sprühregen und die Temperatur sank auf acht Grad. Der Eiseskälte trotzten etwa 400 Besucher, die meisten davon eher in jungen Jahren, die mit einer Laterne bewaffnet, die traditionellen Laternenlieder mit dem „Rabimmel, Rabammel, Rabumm“ sangen.

Zu den älteren Semestern gehörte beispielsweise Peter Paga, der eine blaue Uniform angezogen hatte. Er war im Auftrag des Fördervereins Schienenbus aus Kornwestheim hier. Ende Juli hatte der Verein die Trasse beantragt und schon im November war es soweit, dass ihm die Fahrt genehmigt wurde. „Wir stehen in der Nutzerhierarchie an dritter Stelle“, erklärt Peter Paga. Erst dürfe die Bahn fahren, dann die Privaten und dann die Nostalgie-Bahner. Etwa 40 Minuten dauerte die Fahrt des etwa fünfzig Jahre alten Schienenbusses, der von Kornwestheim bis zum Esslinger Bahnhof dieselte.

Mit an Bord des roten Flitzers waren etwa 40 Flüchtlinge und Mitglieder benachteiligter Familien, denen der Verein einen schönen Ausflug gönnen wollte. So kam es, dass im Münster St. Paul ein Anteil Muslime mit den Christen gemeinsam feierte. Kurz vor 18 Uhr spielten Mitglieder der katholischen Gemeinde dann im Waisenhof die berühmte Szene mit der Mantelteilung nach. Die Kinder hielten die Laternen hoch, und die großen mittelalterlichen Kirchen der Stadt ließen die Glocken ertönen, dann bekamen die Kinder ihre Martinsbrezel. Die Erwachsenen indessen konnten sich in die Alte Kelter in der Beutau begeben, wo der Martini-Wein ausgeschenkt wurde.

Kirche appelierte an die Barmherzigkeit

Damit verweist die katholische Kirchengemeinde auf den Martinstag, an dem im mittelalterlichen Jahr der Kirchenzehnte gezahlt wurde. Anschließend rechneten die Bauern ab und zahlten ihre Knechte aus. Deswegen wurden an diesem Tag traditionell Messen und Märkte gehalten, es wurde eben auch gefeiert und Wein getrunken. Weil der Winter vor den Toren stand, wurden auch die Tiere geschlachtet, für die das Futter in den kalten Monaten nicht mehr reichen würde, deswegen kamen gern auch Gänse am Martinstag unter das Messer.

Weil die entlassenen Knechte im Winter ohne Lohn und Brot sein würden, war es der Kirche darüber hinaus ein Anliegen, mit den Martinsspielen und den Martinsfeiern an die Barmherzigkeit der Menschen zu appellieren.