Bei ihrem Gipfeltreffen in Berlin können sich die Unternehmen über eine gute Konjunktur freuen. Von der neuen Bundesregierung wird mehr Nähe zur Wirtschaft erwartet. Als große Herausforderung gilt die Digitalisierung.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Die Bundesregierung hat in ihrer Herbstprognose das Wirtschaftswachstum für das laufende Jahr auf zwei Prozent erhöht. Auch die Maschinenbauer steuern auf ein Rekordjahr zu – deutschlandweit, aber erst recht in Baden-Württemberg, dem Kernland des Maschinenbaus. In der kommenden Woche treffen sich die Abgesandten aus den Unternehmen zu ihrem Maschinenbaugipfel in Berlin. Und die Stimmung dort dürfte angesichts der Tatsache, dass die konjunkturellen Kennziffern nach oben zeigen, erfreulich gut sein.

 

Im Vorfeld des wichtigsten Branchenereignisses sind in diesem Jahr dennoch auch sorgenvolle Töne zu hören – mit Blick auf die neue Bundesregierung, die zunehmende Abschottung von Märkten und die Herausforderungen durch die Digitalisierung der Unternehmen. „Jamaika ist nie meine Wunschkoalition gewesen“, sagt etwa Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller. Da diese Koalition aber höchstwahrscheinlich ist, fordert die Frau an der Spitze des Werkzeugmaschinenherstellers, der neue Koalitionsvertrag müsse „eine stärkere wirtschaftspolitische Handschrift tragen“ als dies 2013 zu Beginn der schwarz-roten Regierung gewesen sei. So warnt sie etwa vor „überzogenen ökologischen Forderungen und weiteren Auflagen für die Wirtschaft im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.“

Jamaika ist kein Schreckgespenst

Recht diplomatisch drückt sich der Sprecher des Vorstands der Wittenstein AG in Igersheim bei Bad Mergentheim aus: „Wir hoffen auf kluge politische Weichenstellungen und schauen gespannt nach Berlin“, meint Bernd Schimpf. Eine schwarz-gelb-grüne Koalition jedenfalls ist für die Branche kein Schreckgespenst: „Wenn es gelingt, die wichtigen Themen anzupacken, ist mir vor Jamaika nicht bange,“ sagt Thilo Brodtmann, der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau). Dazu zählt er unter anderem eine vernünftige Klimapolitik, eine Stärkung des europäischen Binnenmarktes und „eine klare Positionierung pro Freihandel“.

Protektionismus macht Kopfzerbrechen

Dies gilt besonders für Baden-Württemberg, liegen die Auftragseingänge aus dem Ausland im Südwesten doch noch etwas über dem Bundesdurchschnitt. „Wir brauchen weiter offene Märkte“, sagt denn auch Dietrich Birk, der Geschäftsführer des VDMA in Baden-Württemberg. Als geradezu „abenteuerlich“ betrachtet Birk die jüngsten Überlegungen in Großbritannien, sich womöglich der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta anzuschließen. Für Birk sind solche Ideen ein klarer Hinweis darauf, das man im Vereinigten Königreich keine Vorstellungen davon hat, wie die Modalitäten des Brexit genau aussehen könnten. „Das Thema wird bei uns mit großer Aufmerksamkeit beobachtet“, meint Birk. Im ersten Halbjahr 2017 lieferten die südwestdeutschen Unternehmen Maschinen im Wert von einer knappen Milliarde Euro nach Großbritannien. Damit kletterte das Land vom sechsten auf den vierten Platz unter den wichtigsten Ausfuhrländern. Auf Platz eins liegen die USA. Auch die Exporte in die Vereinigten Staaten legten gegenüber dem ersten Halbjahr 2016 nochmals leicht zu, von 2,34 auf 2,35 Milliarden Dollar. Noch, so meint Leibinger-Kammüller, sei die Nachfrage nach Produkten von Trumpf auch in den USA so groß, dass manches investitionsfeindliche Signal verdeckt werde. Mit einem Umsatz von 421 Millionen Euro sind die USA für den Werkzeugmaschinenhersteller der zweitwichtigste Markt nach Deutschland. Angesichts des protektionistischen Treibens von US-Präsident Donald Trump fürchtet die Trumpf-Chefin „dass es mittelfristig zu negativen Auswirkungen kommt.“

Bei Industrie 4.0 tut sich zu wenig

Doch auch jenseits möglicher weltpolitischer Verwerfungen stehen die Maschinenbauer vor großen Herausforderungen, die sie auf ihrem Berliner Gipfeltreffen diskutieren werden. „Wir brauchen eine Berufsausbildung 4.0“, heißt es bei Trumpf, „um die zukünftigen Facharbeiter auf die Herausforderungen der digitalen Transformation vorzubereiten.“ Die Forschung habe das Thema aufgegriffen und intensiv diskutiert. „Aber auch in die Forschung muss noch viel investiert werden, besonders für größere Projekte, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, meint Thomas Bauernhansl, der Leiter des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). Jetzt gehe es darum das Internet der Dinge in die Fabrikhallen zu bringen. Dabei gibt es seiner Ansicht nach Pioniere, aber gerade bei den kleineren Unternehmen auch Nachzügler, deren Langsamkeit sich rächen könnte.

„Viele erwarten, dass sie über Vorgaben ihrer Kunden zur Beschäftigung mit Industrie 4.0 geführt werden“, sagt der Fraunhofer-Forscher, „diese abwartende könnte sich jedoch als riskant erweisen.“ Industrie 4.0 habe auch viel mit Lernen und Experimentieren zu tun, um den richtigen Weg für das eigene Unternehmen zu finden. Wer sich darauf nicht einlasse, für den bestehe „die Gefahr, vom Wettbewerb abgehängt zu werden“, sagt Bauernhansl.

Heidelberger Druckmaschinen setzen auf neue Geschäftsmodelle

Die Heidelberger Druckmaschinen AG hofft, dank einer immer weiter gehenden Vernetzung, auch mit ihren Kunden vom bisherigen zyklischen Geschäft bei Neubestellungen unabhängiger zu werden. Da man vieles über die Kunden erfahre, könne man diesen auch vieles liefern. Bei Verbrauchsmaterialien für Druckereien wie etwa Farben haben die Heidelberger erst einen Marktanteil von fünf Prozent. „Wir wollen Amazon für die Druckindustrie werden“, hatte Rainer Hundsdörfer schon bei seinem Anritt als Vorstandsvorsitzender im vergangenen November als Devise ausgegeben. Die Kunden, so schwebt ihm vor, sollten künftig nicht mehr einfach eine Maschine kaufen und bezahlen. Statt dessen will das Unternehmen diesen helfen, ihre Produktivität zu steigern – und sich dann nach der Ausbringung, etwa der Zahl der bedruckten Papierbögen, bezahlen lassen. „Die Industrie 4.0 und die digitale Transformation verbessern nicht nur alte Geschäftsmodelle, sondern sie machen auch neue möglich“, meint Hundsörfer.