In Waiblingen bastelt Professor Teodorescu mit seinen Studenten an der Welt von morgen - doch die Zukunft seines Studiengangs ist ungewiss.

Waiblingen - Ohne Erfindergeist wäre George Teodorescu gar nicht erst hier gelandet: Weil er vom Sozialismus genug hatte, schlich sich der Rumäne mit Anfang 30 in Costaneza am Schwarzen Meer auf einen Frachter, montierte ein Bullauge ab und versteckte sich in der Doppelwand des Schiffs. Zwölf Tage später, vor der spanischen Hafenstadt Almeria, sprang er ins Wasser, schwamm zur Küste und löste ein Bahnticket nach Deutschland.

Inzwischen ist Teodorescu 63 Jahre alt, hat einige Haare verloren, viele Erfahrungen gesammelt und in Waiblingen über fast zwei Jahrzehnte einen Masterstudiengang aufgebaut. Seine Integral Studies sind eine Mischung aus Design und Ingenieurstechnik, einer Brise Tübinger Schöngeisterei mit einer Portion Stuttgarter Bodenständigkeit. "Eine Erfinderschule", sagt Teodorescu.

Seine Studenten kommen aus der ganzen Welt, die meisten haben ein naturwissenschaftliches Studium hinter sich. Angeschlossen an die Schule ist das International Institute for Integral Innovation. Zusammen mit zwei Kolleginnen bietet Teodorescu dort Erfindungen und Kreativtrainings an. Bis jetzt gehört der Masterstudiengang zur Stuttgarter Kunsthochschule, doch der Vertrag läuft 2012 aus.

Professor mahnt zum Hinterfragen des eigenen Handelns


Eine Professur für Designtheorie soll möglicherweise George Teodorescus Stelle ersetzen. "Designtheorie? Wofür braucht man das?", fragt Teodorescu und rudert mit den Armen. Er soll pensioniert werden, das empfindet einer wie er als Drohung. Der Rumäne ist ein kleiner flinker Mann mit großen Augen und ironischem Lächeln. "Der Professor", nennen ihn die 26 Studenten nur. "Alle reden von Innovation", sagt er, "wir hier tun etwas. Wir könnten ständig einen Patentanwalt beschäftigen." Dass sein Studiengang nicht so recht in die Kunsthochschule passt, verstehe er, aber das Ministerium müsse mehr für die Schule tun.

Wenn der Professor ein Wirbelwind ist, dann ist seine Studentin Gabriela Shandulovska ein Orkan. Die 39-Jährige – markante Wimpern, braune Locken – kurbelt an einem kleinen Holzrad, das einen Stab antreibt, der Stab bewegt einen Papiervogel. Beides gehört zu einem Spiel, das die mazedonische Ingenieurin für ihre Masterarbeit erfunden hat. "Viele Spielzeuge kopieren echte Technologie wie die von Traktoren, für Kinder ist das aber zu komplex", erklärt Shandulovska, während sie den nächsten Minimotor zusammenbaut. Sie habe versucht, das Spielzeug für alle Altersstufen interessant zu machen und die Mechanik so einfach wie möglich zu halten. "Spiele bereiten auf das Leben vor", sagt sie, "daran habe ich mich orientiert."

Immer wieder trichtert der Professor seinen Studenten ein, sie sollen ihr Vorgehen hinterfragen. "Oft hilft es, einen Schritt zurückzugehen und zu schauen, wo das eigentliche Problem liegt", sagt er auf dem Weg zum ersten Stock. Hier tummeln sich die anderen Studenten. Aus dem Computerraum klingt Lachen, andere unterhalten sich im Gang. "Geht es los?", fragt ein chinesischer Student. "Es geht los", ruft Teodorescu gegen den Lärm an.

Studenten bringen Internationalität mit


Wie eine Familie sammeln sie sich um ihn, Teodorescu ist Papa und Lehrer in einem. Manchmal sei es ziemlich chaotisch, findet der Erstsemester Fabian Scholz, der bereits ein Ingenieurstudium hinter sich hat. "Heute sollten wir um zehn hier sein, und um zwölf geht es erst richtig los." Trotzdem sei er glücklich mit dem Studium. Alles sei hier sehr frei und spontan.

Jeder bringt etwas mit aus seinem Land: der Chilene die Musikalität, die Deutschen die Pünktlichkeit, die Amerikanerin Truthahnrezepte für Thanksgiving. Fast täglich kochen die Nachwuchserfinder zusammen. George Teodorescu hat eine Küche einrichten lassen, damit seine Schüler mittags nicht nach Hause müssen. Vielleicht auch, um das zu wecken, was er von allen verlangt: Humor und Originalität. "Different is better than perfect", steht auf einer Wandtafel im Eingangsbereich: Besser anders als perfekt.

Ein Team arbeitet gerade an einer Methode zur Konservierung von Früchten. Dafür haben sich drei Studenten ein Konzept für luftdichte, mit Stickstoff gefüllte Behälter überlegt, einsetzbar in der eigenen Küche. "Man könnte ein Streichholz einwerfen, um den Sauerstoff zu verbrennen", schlägt einer vor. Daran habe ich auch gedacht, aber die Frucht fermentiert dann", antwortet einer. "Wieso denn?" – "Weiß nicht genau. Irgendein chemischer Prozess."

"Man darf keine Idee verwerfen"


Die schrägste Idee kommt von dem Designer Stephen Chan Wing Tak aus Hongkong. Der will Souvenirs abscannen, um sie dann im Magnetfeld eines 3-D-Druckers an jedem beliebigen Ort der Welt als räumliche Abbilder wieder auferstehen zu lassen. Anstatt sich also mit Mini-Eiffeltürmen und Kopien der Freiheitsstatue die Koffer zu füllen und später die Wohnzimmer zu versperren, sollen Touristen ihre Erinnerungen auf einem USB-Stick mit sich herumtragen. Taks Objekte sind kleine Kunstwerke: kreativ, bunt, detailliert.

"Man darf keine Idee verwerfen", sagt George Teodorescu. "Was dem einen als unmöglich erscheint, ist für den nächsten inspirierend." Manchmal entstünden so geniale, manchmal belächelte Ideen. Und manchmal entstünden Ideen, die erst belächelt werden und dann als genial gelten. Wenn der Professor über die Kunst des Erfindens spricht, jongliert er gern mit Namen: Einstein, Gutenberg, Benz. Teodorescu bewundert sie.