Für den CSU-Politiker Alexander Dobrindt ist die Maut das Gesellenstück als Verkehrsminister. Seine Karriere hängt an diesem Projekt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Bilder sagen manchmal mehr als tausend Worte: In dem Moment, als Verkehrsminister Alexander Dobrindt sein nachgebessertes Mautkonzept im Fernsehen erklären will, zeigt Phoenix nur ein verwaistes Mikrofon. Kein Dobrindt weit und breit. Der Moderator fühlt sich zum Frotzeln animiert. Vielleicht sei der Minister „im Stau stecken geblieben“, spekuliert er. Es dauert sieben lange Minuten, bis der CSU-Mann dann endlich erscheint, obwohl er diesen Auftritt selbst terminiert hat. Er kommt ab und an zu spät bei solchen Gelegenheiten. Aber mit der Maut ist er gerade noch pünktlich. Vor Ende Oktober wollte er einen Gesetzentwurf vorlegen. Jetzt ist es so weit.

 

Das Standbild mit dem leeren Rednerpult verrät viel über Dobrindts Umgang mit dem heiklen Thema. Die Maut ist für den Verkehrsminister eine Herkulesaufgabe. Sie war das zentrale Wahlversprechen seiner Partei. Wenn das Projekt floppt, könnte Dobrindts Ministerkarriere, die noch kein Jahr währt, bald vorbei sein. Bisher hat ihm die Angelegenheit nur Ärger bereitet. Als er seine Eckpunkte für eine „Infrastrukturabgabe“ im Juli vorstellte, war das Medienecho verheerend.

Keine Heldenrolle im Sommertheater

Dobrindt lieferte Stoff für ein Sommertheater, in dem er keine Heldenrolle spielte. Prompt gab es Gegenwind aus den eigenen Reihen. Die mächtigsten Landesverbände der CDU mauerten, weil sie Probleme mit der heimischen Wirtschaft befürchteten. Und aus der CSU kamen viele ungebetene Ratschläge und Verbesserungstipps. Dobrindt hat sich nun mächtig ins Zeug gelegt, um die Mängel seiner ersten Mautpläne auszubügeln. Den kritischen EU-Verkehrskommissar Siim Kallas lud er gar in die bayerischen Alpen zum Wandern ein, um ihn zu überzeugen. Das ist ihm während eines gemeinsamen Aufenthalts im noblen Schlosshotel Elmau offenkundig auch geglückt.

Dobrindt hat sich in den vergangenen Wochen wohl vorrangig um die Maut gekümmert. Vieles andere in seinem Ressort sei liegen geblieben, beklagen die Fachpolitiker. Bis zuletzt hat er um die Details gefeilscht, noch am Mittwoch mit widerborstigen CDU-Kollegen verhandelt. Bei all dem Stress ist offenbar das Politmanagement, das der ehemalige CSU-Generalsekretär sonst wie aus dem Lehrbuch beherrscht, aus der Spur geraten. Dobrindt überließ es seinen Widersachern aus der Schwesterpartei, den Durchbruch bei der Maut zu verkünden – und nahm damit in Kauf, dass zunächst mehr Fragezeichen als Antworten in die Welt gesetzt wurden. Obwohl es sich um ein Projekt handelt, das in der Autofahrernation Deutschland fast jeden betrifft, hielt der Minister es erst offenbar nicht für nötig, den Gesetzesentwurf für die Maut auch öffentlich vorzustellen. Sein Ministerium begab sich zunächst auf Tauchstation, war geraume Zeit auch telefonisch nicht erreichbar. Eine Pressekonferenz wurde sehr kurzfristig anberaumt, Einladungen dazu aber nicht verschickt. So hinterlässt Dobrindt den Eindruck, als sei der Gesetzesentwurf trotz monatelangen Vorlaufs mit heißer Nadel gestrickt.

Eine erstaunlich stümperhafte Inszenierung

Die stümperhafte Inszenierung entspricht so gar nicht Dobrindts Art. Er ist überhaupt nur Verkehrsminister geworden, weil sein Chef, der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, den 44-jährigen Oberbayern für einen Tausendsassa hält. Als Generalsekretär, was er von 2009 bis 2013 war, wurde Dobrindt zunächst von vielen sträflich unterschätzt. Er modelte nicht nur die Partei um und brachte sie damit auf Erfolgskurs zurück, er hat sich auch selbst neu erfunden: Binnen kurzer Frist wandelte sich Dobrindt vom untersetzten Provinzpolemiker in einen smarten Politstrategen, der mit schlagzeilenträchtigen Vokabeln zu jonglieren, aber auch hinter den Kulissen die richtigen Strippen zu ziehen versteht.

Worum es bei der Maut eigentlich geht, hat Dobrindt in einem Bierzelt beim Gillamoos-Volksfest verraten – Anfang September. Der Minister erzählte, dass er auf der Fahrt in den Sommerurlaub am Gardasee 64 Euro Maut habe berappen müssen. Daraus leitete er das Recht ab, Ausländer in Deutschland zur Kasse zu bitten. Applaus war ihm sicher.