Eigentlich waren die Ärzte im Medi-Verbund schwer enttäuscht von der FDP. Vor der Landtagswahl wirbt der Vorsitzende doch wieder für die Liberalen – und für seinen Bruder.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - In die FDP hatte der Ärzte-Verbund Medi einst große Hoffnungen gesetzt. Vor der Bundestagswahl 2009 warb er vehement für eine schwarz-gelbe Koalition, sogar mit Plakaten in den Praxen. Nun erwarte man ein Ende der „Gesundheitspolitik gegen die niedergelassenen Ärzte“, frohlockte der Medi-Vorsitzende Werner Baumgärtner aus Stuttgart nach dem fulminanten Abschneiden der Liberalen.

 

Knapp vier Jahre später war seine Begeisterung restlos verflogen. „Die beiden Gesundheitsminister Rösler und Bahr haben uns völlig im Stich gelassen“, bilanzierte Baumgärtner vor der Bundestagswahl 2013. Im Nachhinein sei es „sinnlos“ gewesen, der Partei derart den Rücken zu stärken. Beim bevorstehenden Wahlkampf werde man dies „mit Sicherheit nicht tun“.

Schweren Herzens wieder FDP wählen?

Nun, kurz vor der Landtagswahl, setzt Medi doch wieder auf die Liberalen. Für Freiberufler sei es schwer zu entscheiden, „welche Partei für uns wählbar ist“, schrieb Baumgärtner Ende Januar an die Mitglieder. Trotzdem gab der langjährige CDU-Mann eine klare Empfehlung ab: „Ich meine, wir sollten der FDP eine neue Chance geben. Sie sollte im Landtag bleiben.“ Daher habe er den Parteichef Christian Lindner zu einer Medi-Veranstaltung nach Stuttgart eingeladen.

Ganz einfach war es nicht, den Saal zu füllen, doch am Mittwoch Abend kamen immerhin 140 Zuhörer in die Räume der Kassenärztlichen Vereinigung. Lindner habe sie mit seiner Rede („Mehr Mut zur Marktwirtschaft“) beeindruckt, hieß es hinterher. Aber auch die Enttäuschung der Ärzte über die FDP sei ihm verdeutlicht worden. Noch ehe auf dem Podium über die Zukunft der ambulanten medizinischen Versorgung diskutiert wurde, musste der prominente Besucher schon weiter.

Schützenhilfe für den eigenen Bruder

Der Auftritt des Oberliberalen sollte laut Baumgärtner nicht nur der Partei, sondern auch einem bestimmten Landtagskandidaten helfen. Es gehe darum, dass dieser „sein Standing innerhalb der FDP verbessert“. Der Name des langjährigen Hausarztes aus Bietigheim, FDP-Stadtrates und Bewerbers im Wahlkreis Bietigheim-Bissingen: Dieter Baumgärtner. Kein Zufall: Es ist der Bruder des Medi-Chefs, der daraus auch keinen Hehl machte. Komme er in den Landtag, warb Werner für Dieter, dann „wird endlich mal wieder ein Vertreter der ärztlichen Basis dort wirken können“. Allerdings brauche sein Bruder Unterstützung, „denn die Kandidatur ist kein Selbstläufer und neben der Arbeit in der Praxis nicht ganz einfach.“

Der Medi-Chef trommelt per offiziellem Rundbrief nicht nur für eine Partei, sondern auch noch für einen nahen Verwandten – das befremdete manche Mitglieder des Verbundes. Woher, wurde gefragt, nehme Baumgärtner eigentlich das Mandat für die doppelte Parteinahme? Sollte er sich im Fall seines Bruders nicht besser zurückhalten? Offiziell gab es laut einer Medi-Sprecherin indes „nur vereinzelt“ Kritik, vielleicht „zwei, drei Rückmeldungen“.

„Lobbyarbeit gehört zu meinen Pflichten“

Werner Baumgärtner sähe auch keinen Grund für Vorwürfe. Medi Baden-Württemberg habe „ein politisches Mandat mit dem Ziel der politischen und wirtschaftlichen Sicherung der ärztlichen Freiberuflichkeit“, ließ er ausrichten. Der Verein prüfe Entscheidungen und Programme der Parteien und positioniere sich dann öffentlich dazu. Ergebnis: Die aktuellen Ansichten der FDP zur fachärztlichen Versorgung, die durch den Kurs der Großen Koalition immer schwieriger werde, finde man besser als die anderer Parteien. Neutral sei man dort, „wo es um gewünschte Unterstützung aus den Reihen unserer Mitglieder geht. Diese erfolgt unabhängig von der Parteizugehörigkeit“.

Baumgärtner sieht auch keinen Alleingang, sondern verweist auf einen Vorstandsbeschluss. Danach biete man „jeder demokratischen Partei, die an uns herantritt, und jedem Mitglied, das kandidieren möchte, ein Forum“. Er werbe für jedes Medi-Mitglied offen um Unterstützung, das einen Sitz im Landtag oder im Bundestag anstrebt – sofern die Ziele der Partei mit denen des Verbundes übereinstimmen. Der Einsatz für seinen Bruder sei auch nicht singulär: schon in der Vergangenheit habe es Rundschreiben mit Empfehlungen für Kandidaten gegeben. Politische Lobbyarbeit, hatte Baumgärtner den Mitgliedern geschrieben, gehöre schließlich „zu meinen Pflichten als Ihr Frontmann“.