Die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen zeigen Glanz und Elend der legendären Florentiner Renaissance-Dynastie. Neu sind vor allem Erkenntnisse, die wissenschaftliche Untersuchungen an den sterblichen Überresten der Fürsten und Fürstinnen ergeben haben.

Mannheim - Geniale Bankiers, innovationsfreudige Mäzene, skrupellose Giftmörder – das Bild der Medici schwankt ganz erheblich. Sie waren Geburtshelfer der Neuzeit und beherrschten dreieinhalb Jahrhunderte lang Florenz, die Toscana und ein Gutteil der europäischen Geschichte. Über ihre Protagonisten kursieren so glänzende oder höllenfinstere Geschichten, dass die ganze Familie in flackerndem Zwielicht erscheint. Den Blick schärfen will nun eine Ausstellung der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. „Menschen, Macht und Leidenschaft“ zeigt Täter, Opfer und höchst widersprüchliche Persönlichkeiten. Denn zu Schriften, Kunstwerken und Alltagsgegenständen kamen jetzt Grabuntersuchungen nach neuesten bioarchäologischen Methoden. So blickt man unter den 200 Objekten auf Manches, was die Machthaber von einst sorgsam verbargen.

 

Die Paläste, Bilder und Skulpturen, zumal die Medici-Kirche San Lorenzo des Avantgardisten Brunelleschi und die Grabskulpturen Michelangelos, künden vom Kunstsinn und Ehrgeiz einer Familie, deren Kühnheit im politischen Spiel mit dem Gespür für revolutionäre, zukunftsweisende Kunst gepaart war. Ihre Großartigkeit ist unweigerlich an Florenz gebunden. Mannheim kann dafür mit filmischen Dokumenten der Graböffnungen seit 2004 aufwarten. Man analysierte mit forensischen und bioarchäologischen Methoden Lebensweise, Todesursachen und Identität von zwei Dutzend Leichnamen. Zum Impuls wurde Anna Maria Luisa, die letzte der florentinischen Medici (1667–1743). Sie war die Gemahlin des Kurfürsten Jan Wellem von der Pfalz, der einst Mannheim wieder aufgebaut und privilegiert hatte. Da nun das Mannheim heute führend ist in der Erforschung einbalsamierter Leichen, kam es 2010 zur Zusammenarbeit mit italienischen Wissenschaftlern.

Erforscht wird nicht nur die Pfalzgräfin. Ein Medici starb selten an der offiziellen Todesursache der Chroniken. Er hatte nicht nur die Klingen seiner Gegner zu fürchten – ob nun die Pazzi-Verschwörer im Dom oder den vom Papst beauftragten Feldchirurgen, wenn ein Heerführer wie Giovanni delle Bande Nere zu mächtig geworden war. Einen Medicifürsten konnte auch der ehrgeizige Bruder mit Gift vom Thron holen, eine Medici-Frau der eigene Ehemann erdrosseln: die Ergebnisse der modernen Gerichtsmedizin sind sensationell. Jahrhunderte später sieht man im Labor, ob die tödlichen Krämpfe einst von Malaria oder Arsen herrührten.

Rheuma, das Erbleiden der Familie

Die Leichen zeugen auch von Krankheitserregern: rheumatisch entzündete und verwachsene Gelenke erweisen sich als Erbleiden der Familie. Während galante Hofkünstler wie Ghirlandaio, Botticelli, Verrocchio oder Bronzino ihre mächtigen Auftraggeber voll Eleganz und Hochsinn zeigten, unterlegen jetzt Computeranimationen die Porträts mit Krankheitszeichen. Die Schönen und Mächtigen waren geplagt von Syphilis und Beckenschiefstand, Malaria oder Tuberkulose. Doch sie verachteten ihre Schmerzen wie ihre Gegner.

Die 1216 erstmals erwähnten Medici waren Wollhändler und kleine Geldverleiher. Giovanni di Bicci (1369–1428) machte sie groß: Er gründete Bankhäuser in ganz Europa. Dank der Finanzierung römischer Pfründen und dem Freikauf des (Gegen-)Papstes Johannes XXIII. stachen seine Gewinne die patrizischen Konkurrenten aus. Sein Sohn Cosimo il Vecchio (1389–1464) nutzte die Milliarden politisch. Ein Netz von Klienten besetzte die einflussreichen Ämter. Wie schon in der altgriechischen Tyrannis wurden die Kleinbürger unterstützt, die Reichen mit hohen Abgaben belegt. Wies man ihnen Steuerrückstände nach, waren sie von Ämtern ausgeschlossen. Doch auch die Medici führten ein internes Vermögensverzeichnis, das ungleich höhere Werte ausweist als das offizielle fürs Finanzamt.

Originalität noch im Endstadium

Cosimos ebenso begabter Enkel Lorenzo führte das Mäzenatentum der Medici in größtem Stil fort. Im Kreise der Philosophen und Künstler des hochgebildeten „Magnifico“ bildete sich die Renaissance heraus, wovon hier prachtvoll illustrierte Bücher zeugen. Seine Banken aber gingen ein. Der Hochadel bezahlte seine Kredite nicht, die Manager waren überfordert. Die Medici waren nun mit den europäischen Herrschern versippt, ihre Vertreibung von 1527 endete 1531 mit dem Herzogtum über die Toscana.

Zuweilen meldete sich der revolutionäre Kunst- und Wissenschaftssinn wieder, etwa im Schutz für Galilei. Absolutistische Macht freilich bekam den Herrschern so wenig wie der Hass unter Ehepartnern. Doch noch im Endstadium bewiesen die Medici Originalität. Der letzte Großherzog Gian Gastone (1671–1737) verhöhnte offen seinen Fürstenstand. Seine Schwester, die liebenswürdige Pfalzgräfin, sicherte nicht nur der Stadt Florenz die familiären Kunstschätze. Sie ließ sich auch mit einer originellen Kopfbedeckung bestatten: mit dem aus Krone und Samt bestehenden „Kurhut“ ihres lange vor ihr verstorbenen Mannes.

Ausstellung Bis 28. Juli, Di–So 11–18 Uhr. Das reich bebilderte Begleitbuch kostet 24,90 Euro.