Mit Propaganda de luxe hat es Putins Reich in die Champions League der Meinungsmanipulation geschafft. Besonders wichtig: der Auslandssender Russia today. Eine russifizierte Schönheit hat dort das Sagen.

Moskau - Rasant geschnittene Trailer mit Techno-Sound suggerieren: wer diese Dokumentation nicht sieht, wird in diesem Leben nicht mehr glücklich. Reporter sind bei Krisen und Events aller Art in rekordverdächtigem Tempo vor Ort. Native Speaker präsentieren die Nachrichten in breitestem Texanisch, und US-Quasselkönig Larry King, inzwischen 79, hat wieder eine eigene Talkshow. Wer jetzt an CNN denkt, was naheliegt, sitzt im falschen Film. Die Rede ist von Russia today, dem russischen Auslandsfernsehen. Ein Sender, der Jahr um Jahr mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag ein Phantom produziert: Russland das Land der Träume. Die wiedererstarkte Supermacht, Gralshüterin erzkonservativer Werte und dem dekadenten Abendland schon allein deshalb moralisch haushoch überlegen.

 

Propaganda, dozierte Putins Pressesprecher Dmitri Peskow kürzlich, sei „ein unveräußerliches Attribut eines jeden Staates“. Auch Russland müsse ein solches Instrument haben. Eines, mit dem die Kremladministration inzwischen sehr gekonnt umgeht. Propaganda der gehobenen Klasse ist, wenn das Objekt nicht mitbekommt, dass es indoktriniert wird. Propaganda de luxe ist, wenn sie sich mit Halbwahrheiten und selektiver Wahrnehmung von Realität so gekonnt tarnt, dass sie nicht mehr als Propaganda zu erkennen ist.

Russland hat es dabei bis in die Champions League geschafft. Russia today wird nach eigner Darstellung in den USA dreizehnmal häufiger gesehen als das TV-Programm der Deutschen Welle und lehrt weltweit inzwischen Erzkonkurrent Al-Dschasira das Fürchten. Neben einem Vollprogramm in Englisch bietet der Sender auch eines in Arabisch und eines in Spanisch. Denn die Sowjetunion hatte viele Freunde im Nahen Osten und in Lateinamerika. Russia today soll dafür sorgen, dass die goldenen Zeiten zurückkehren.

Reisen mit Putin

Dafür müssten vor allem Klischees demontiert werden, die der Westen zu Russland verbreitet, glaubt Margarita Simonjan. Die 33-jährige „irreversibel russifizierte Armenierin“ – Simonjan über Simonjan – hat bei Russia today seit der Gründung 2005 das Sagen und legte eine Medienkarriere hin, wie Russland sie bisher noch nicht erlebte.

Mit 22 – Simonjan war gerade mit dem Journalistikstudium fertig – machte das Staatsfernsehen sie 2002 zur Korrespondentin für ihre Heimatregion: Krasnodar, zu der auch Sotschi gehört. Ihre Reportagen bestachen vor allem durch die betörend schönen Bilder des Kameramanns Michail Kertoki. Nur zwei Jahre später wechselte sie in die Zentrale nach Moskau, berichtete fortan aus dem Kreml und begleitete Putin auf Reisen. Er selbst soll die schwarzäugige Schönheit, die damals noch Model-Maße hatte, auf den Chefsessel beim Auslandsfernsehen gehievt haben. Ursprünglich, so Insider, sollte Simonjan auch die Megaagentur für Auslandsinformation leiten, deren Gründung Putins Administration Mitte Dezember bekanntgab.

„Rossija sewodnja“ –Russland heute – heißt sie und umfasst außer Simonjans TV-Sender auch den Radiosender Stimme Russlands, der die Welt in gut einem Dutzend Sprachen beschallt, darunter auch Deutsch, sowie die ebenfalls mehrsprachige Nachrichtenagentur Ria nowosti. Sie bestand schon zu Sowjetzeiten, nannte sich damals APN und unterstand der Abteilung Auslandsinformation beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei. Im postkommunistischen Russland stand sie zunächst dem Außenministerium nahe, wurde jedoch zusehends frecher und frischer und ist inzwischen in Russland die am häufigsten zitierte Nachrichtenagentur. Mitarbeiter fragen sich, wie lange noch.

Millionen lauschten ergriffen

Denn in der Chefetage der neuen Megaholding wird nun doch wie zu Sowjetzeiten wieder ein Grobschmied den Hammer niedersausen lassen. Die Rede ist von Dmitri Kisseljow, ein Mann mit glatt rasiertem Schädel, der jeden Sonntag im Staatsfernsehen den politischen Wochenrückblick moderiert und dort nicht nur permanent durch Schwulenfeindlichkeit auffällt, sondern auch durch politisch unkorrekte Parallelen, um es milde auszudrücken. So verglich er Bundeskanzlerin Angela Merkel im Frühjahr auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise in Zypern mit Adolf Hitler und das EU-Rettungspaket mit der Enteignung der Juden im Dritten Reich.

Millionen lauschten ergriffen. Der Staatsender Rossija ist trotz rasant fortschreitender Digitalisierung nach wie vor in vielen Gegenden der einzige überregionale Sender, der in leidlicher Qualität empfangen werden kann. Die meisten Hörfunksender sind ebenfalls staatsnah, die jeweiligen Gouverneure sorgen dafür, dass auch die regionalen TV-Programme hübsch auf Linie bleiben. Sogar im Printbereich, wo Zensur und Selbstzensur weniger streng gehandhabt werden, kontrollieren die Zentralregierung in Moskau und die Verwaltungschefs der Regionen wieder über die Hälfte aller Zeitungen und Zeitschriften mit politischem Anspruch. Und feuern Chefredakteure, von deren Loyalität sie nicht hundertprozentig überzeugt sind.

Das widerfuhr auch dem Generaldirektor der staatlichen Nachrichtenagentur Itar-Tass, Vitali Ignatenko, der im September 2012 dem willfährigen, ambitionierten Sergej Michailow weichen musste. Auf Betreiben der Kremladministration, die schon 2011 versucht hatte, RIA nowosti zu liquidieren und an die Kette zu legen. Dmitri Medwedew, damals Präsident Russlands, sperrte sich jedoch dagegen. Dass Putins Paladine den famosen Plan jetzt doch durchsetzen konnten, ist eine weitere persönliche Niederlage für Medwedew. Schon im Frühjahr, so raunt es in der Moskauer Gerüchteküche, werde Putin ihn auch als Regierungschef entlassen.