Die vor Kurzem gestartete Website www.africacheck.org will ein Quäntchen Nüchternheit in die oft hitzigen Debatten Südafrikas bringen. Zahlen und Prozente entpuppen sich dort bei näherer Betrachtung oft als ziemlich frei erfunden.

Johannesburg - University Corner, Johannesburg, elfter Stock. Ein kleines Team hockt vor seinen Rechnern, mit weitem Blick über die turbulente Innenstadt, auf der Suche nach mehr Fakten, mehr Klarheit, nach ein bisschen mehr Wahrheit. „Wir sind ein Pilotprojekt“, sagt Ruth Becker. Sie ist Rechercheurin bei „Africa Check“ und Journalismusdozentin an der University of the Witwatersrand in Johannesburg. Die vor Kurzem gestartete Website www.africacheck.org will ein Quäntchen Nüchternheit in die oft hitzigen Debatten der Nation bringen.

 

Transparenz ist oberstes Gebot. „Wir wollen den Prozess der Recherche öffentlich machen“, sagt Becker. Weil Medien auch in Südafrika dazu neigen, in ihrer Hast wortgewaltigen Politikern und vermeintlichen „Experten“ hinterherzuschreiben. Die, weiß Becker, setzen nur allzu gern Zahlen und Prozente in die Welt, die sich bei näherer Betrachtung als ziemlich frei erfunden entpuppen. „Africa Check“ soll tiefer graben, Dokumente prüfen, Widersprüche aufzeigen, echte Fachleute ausfindig machen. Und „mit der Handvoll wirklich investigativer Journalisten zusammenarbeiten“, so Becker, die auch in Afrika tolle Arbeit leisteten. „Es wäre schön“, sagt sie, „wenn wir Teil des Denkprozesses werden.“

Düsteres Bild von Afrika

Ihre erste Recherche widmete sie dem britischen Magazin „The Economist“, das in einer großen Titelgeschichte („Gathering gloom“) just ein gar düsteres Bild von Südafrika gezeichnet hatte. Becker prüfte vor allem die Arbeitslosenzahlen, die das Blatt auf „vermutlich nahe vierzig Prozent“ taxierte. Sie hielt die amtlichen Zahlen (24,9 Prozent) und die der Opposition („rund 35 Prozent“) gegeneinander, fragte bei Ökonomen nach und untersuchte, wie solche Daten zustande kommen. Am Ende, folgert sie, „geht es nicht um die Ziffern selbst, sondern um ihre Präsentation“. Und der „Economist“ habe sich „wohl die Zahlen gegriffen, die zur Geschichte passten“.

Auch exotischere Themen stehen auf der Tagesordnung. Etwa der in Ostasien gepflegte Mythos, Rhinozeroshörner hätten enorme Wirkung für die Potenz und gegen Krebs. „Africa Check“ fand heraus: Ein Aspirin und selbst Nägelkauen hilft besser. Doch die alte Mär hat in Afrika bis heute fatale Folgen. Wilderer erlegen allein in Südafrika jährlich etliche Hundert Rhinozerosse. Ein Kilo Hornmehl bringt bis zu 65 000 Dollar.

Bedarf nach kühl recherchierten Fakten

Das Geld für das Projekt kommt von der Fondation AFP, einer Stiftung der weltweit agierenden französischen Nachrichtenagentur. Der Chefberater ist Anton Harber, einst Mitgründer des legendären südafrikanischen Wochenblattes „Weekly Mail“. Sein Wunsch: eine neue „Kultur der Genauigkeit“. Oft aber sei es schwierig, Leute zu öffnen, die wirklich Ahnung hätten, sagt die Rechercheurin Ntombenkosi Dyosop. Auch weil diese Angst hätten, dafür öffentlich geradezustehen. Viele Politiker wiederum fühlten sich derart unter Druck, dass sie „einfach irgendetwas“ sagen.

Baldmöglichst will man sich gen Norden ausdehnen. In ganz Afrika herrscht enormer Bedarf nach kühl recherchierten Fakten. „Fact-checking“, sagt Peter Cunliffe-Jones, der Direktor von „Africa Check“, sei ein weltweit wachsender Trend. „Doch meines Wissens ist es das erste Mal, das jemand hier in Afrika so etwas startet.“ Von nun an kann jeder Bürger per Mail Behauptungen einsenden, die ihm verdächtig erscheinen – „Africa Check“ verspricht Prüfung.