Smartphones haben schon längst die Kinderzimmer erobert. Thomas Rathgeb vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest rät Eltern, individuell zu entscheiden, ab welchem Alter ihr Kind ein eigenes Smartphone bekommt – und ein Auge auf die Apps zu haben, die es nutzt.

Stuttgart - Smartphones haben die Kinderzimmer im Sturm erobert – so das Ergebnis einer neuen Studie im Auftrag der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen. Wie man als Eltern mit dem Bedürfnis der Kinder nach digitaler Kommunikation umgehen soll, ab wann der Nachwuchs ein Handy haben sollte und wie das Gerät sinnvoll im Unterricht eingebunden werden kann, weiß Thomas Rathgeb vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest. Bei der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg leitet er die Abteilung Medienkompetenz, Programm und Forschung.

 
Herr Rathgeb, das Smartphone ist bei den unter 14-Jährigen zum Alltagsbegleiter geworden. Ein Grund zur Sorge?
Das ist die Realität. Man muss einfach ein Auge darauf haben, was die Kinder damit machen, welche neuen Dienste und Techniken es gibt und was diese möglicherweise im Hintergrund tun.
Die aktuelle Studie besagt, dass fast die Hälfte der Jugendlichen zugibt, durch das Smartphone oft abgelenkt zu sein. Inwiefern wirkt sich der Handykonsum auf die Konzentrationsfähigkeit aus?
Dazu haben wir keine konkreten Ergebnisse, aber natürlich ist die dauernde Erreichbarkeit, das ständige Aufblinken von Nachrichten und die dazugehörigen Geräusche ein Störfaktor. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass Kinder und Jugendliche oft selbst genervt davon sind, ständig erreichbar zu sein. Es geht darum, sich Freiräume zu schaffen, das Handy auch mal auszuschalten, gerade während der Hausaufgabenzeit oder auch im Kino.
Wie gehen Lehrer mit dem Thema um?
In Baden-Württemberg gibt es häufig die Empfehlung, die Nutzung von Smartphones auf dem Schulgelände weitgehend zu verbieten. Jede Schule kann das selbst regeln. Ich kenne viele Schulen, an denen ist es generell verboten, das Handy eingeschaltet zu haben, andere haben spezielle Regelungen für die Pausen.
Viele Eltern sind ratlos, ab welchem Alter das Kind ein Handy haben sollte. Was empfehlen Sie?
Das ist weniger eine Frage des Alters denn der individuellen Bedürfnisse. Im Alter von zehn besitzen schon mehr als 60 Prozent ein Handy. Laut unserer eigenen Studie sagen zum Beispiel 88 Prozent der Eltern von Sechs- bis 13-Jährigen, dass sie es gut finden, wenn ihr Kind erreichbar ist und 62 Prozent, dass es ohne Handy ein Außenseiter wäre. Das Smartphone hat auch für die Eltern einen hohen Stellenwert: als Kontrollfunktion und als Statussymbol.
Dann ist es nicht nur der Wunsch der Kinder?
Vor allem bei jüngeren Kindern sind oft die Eltern die treibende Kraft. Nicht einmal ein Drittel der Eltern findet, dass das Handy nichts für Kinder sei. Gerade bei den unter 13-Jährigen wird es oft im Familienkontext genutzt, erst später wird es zum Freundschafts-Tool. Man muss hinterfragen, warum das Kind ein Handy braucht – nur, um dazu zu gehören oder weil es einen konkreten Nutzen bringt.
Das dazu gehören wiegt für Kinder schwer.
Ja, sicher. Eltern sollten abklären, ob wirklich „alle“ ein Smartphone besitzen und beim Elternabend oder im Freundeskreis darüber diskutieren. Wenn Kinder weit auseinander wohnen, ist es sinnvoll, wenn sie sich per Smartphone verabreden.
Gibt es die Möglichkeit das Smartphone wirklich kindersicher zu machen?
Oft haben die Smartphones eine ganze Reihe von Einstellungen, mit denen man das Handy altersgerecht konfigurieren kann, es gibt auch spezielle Apps.
Wie sehen Sie die massenhafte Nutzung von Messenger-Diensten wie WhatsApp?
Grundsätzlich ist eine einfache Kommunikation positiv, schließlich kann man sich in Gruppen austauschen und Kontakte pflegen. Die Jugendlichen wissen auch, dass das nicht das persönliche Gespräch oder echte Freundschaften ersetzt. Auch da geht es um die ständige Erreichbarkeit, man muss lernen, damit umzugehen und Nachrichten vielleicht nicht immer sofort zu lesen, sondern einfach mal offline zu gehen.
Manche Lehrer sehen die moderne Kommunikation hauptsächlich negativ. Wie könnte man dem entgegen wirken und das Handy pragmatisch im Unterricht einsetzen?
Die Landesmedienanstalten betreiben die Seite „www.handysektor“, auf der wir Jugendliche über Datenschutzfragen und technische Fakten des mobilen Internets informieren. Es gibt auch eine ‚Pädagogenecke’, da zeigen wir Beispiele, wie man mit dem Handy sinnvoll im Unterricht arbeiten kann. Wie man es beispielsweise als Mikroskop nutzt oder wie man es auf Exkursionen als Recherche- und Dokumentationsinstrument einsetzen kann. Lehrer, Eltern und Schülern sollten einen pragmatischen, reflektierten Umgang mit digitalen Medien finden.