Übergewicht, Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte und Diabetes stehen im Verdacht, ein Glaukom zu begünstigen, bei dem die Sehnerven langsam absterben. Für die Behandlung braucht man dann mehr als nur den Augenarzt.

Stuttgart - Der grüne Star, der auch als Glaukom bezeichnet wird, kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Nur die Folgen sehen stets gleich aus: Die Nervenfasern am Sehnervenkopf, also an der Stelle, an der alle Nervenfasern der Netzhaut zusammenlaufen, werden nicht mehr mit genügend Sauerstoff und anderen Nährstoffen versorgt. Hält die Unterversorgung über einen längeren Zeitraum an, stirbt der Sehnerv langsam ab und ein Teil des Gesichtsfelds fällt aus. Rund 800 000 Menschen leiden in Deutschland an der einen oder anderen Form des Glaukoms.

 

Lange Zeit wurde ein erhöhter Augeninnendruck (ab 21 Millimeter Quecksilbersäule) als entscheidende Ursache angesehen. „Allerdings steht fest, dass es weitere Risikofaktoren geben muss, denn viele Menschen erkranken trotz eines erhöhten Augeninnendrucks nie an einem Glaukom“, sagt Anselm Jünemann, Direktor der Klinik für Augenheilkunde der Universitätsmedizin Rostock. „Andere wiederum erblinden trotz eines normalen Augeninnendrucks.“ Hinzu komme, dass selbst eine erfolgreiche Behandlung des Augeninnendrucks die Schädigung des Sehnervs nur verlangsame, aber nicht richtig stoppe.

Der Medizin sind weitere Risikofaktoren bekannt, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an einem Glaukom zu erkranken. Dazu zählt zum Beispiel das Alter eines Menschen. Kurzsichtigkeit oder eine dünne Hornhaut erhöhen ebenfalls das Risiko. Aber es verdichten sich die Hinweise darauf, dass auch der Lebensstil die Augengesundheit und vor allem die Gesundheit des Sehnervs maßgeblich beeinflusst.

Die Blutgefäße passen sich nicht mehr an

„Die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, Übergewicht, Nikotingenuss und Typ-2-Diabetes sowie eine Schlafapnoe mit ihren typischen Atemaussetzern und dem damit verbundenen Sauerstoffmangel ebenfalls die Entwicklung eines Glaukoms fördern können“, sagt Jünemann. Viele Studien – wenn auch nicht alle – haben einen Zusammenhang zwischen diesen Risikofaktoren und Glaukomerkrankungen gefunden. So geht Übergewicht mit einem hohen Augeninnendruck einher, auch wenn damit noch keine Schädigung des Sehnervs belegt ist. Eine Reihe von Untersuchungen, in denen die Daten breiter Bevölkerungsschichten analysiert wurden, kamen zum Ergebnis, dass Bluthochdruck, ein erhöhter Blutfettspiegel und Diabetes Risikofaktoren für ein Glaukom sind. Auch wenn es negative Studienergebnisse gibt, sieht Jünemann einen Überhang bei Studien, die einen Zusammenhang nahelegen: „Diese durch den Lebensstil mit verursachten Risikofaktoren schädigen nicht nur das Herz-Kreislauf-System, sondern auch die Augen, indem sie die Blutgefäße schädigen und zu einer Fehlregulation der Gefäße führen.“

Diese Risikofaktoren führen zu einer Fehlfunktion der innersten Zellschicht der Blutgefäße, dem Endothel. Die Gefäßweite lässt sich nicht mehr richtig regulieren, die Blutgefäße sind durchlässiger, die Blutplättchen lagern sich leichter zusammen. Das Gefäßsystem ist infolge der Fehlfunktion nicht mehr in der Lage, sich an wechselnde Anforderungen bei der Sauerstoff- und Nährstoffversorgung anzupassen. Das würde erklären, warum bei vielen Glaukompatienten der Augeninnendruck normal, der Sehnerv aber trotzdem betroffen ist. Möglicherweise ist der „normale“ Augeninnendruck für diese Patienten bereits viel zu hoch und schädigend. „Es handelt sich vielfach um etwa 40 Jahre alte Frauen mit kalten Füßen, kalten Händen, Migräne und einer Neigung zu Ohrgeräuschen“, sagt Jünemann. „Auch bei ihnen scheint eine generelle Fehlregulation der Gefäße, zusätzlich begünstigt durch Stress, Kälte und Nikotin, vorzuliegen, die unter anderem zu einer Minderdurchblutung des Sehnervs führt.“ Ist die Durchblutung des Sehnerven schlecht, kann auch ein normaler Augeninnendruck den Sehnerv schädigen.

Ein gesunder Lebensstil beugt vor

Jünemann sieht es deshalb als wichtig an, dass der Augenarzt nicht nur den Augeninnendruck misst, sondern sich auch den Augenhintergrund und den Sehnerv anschaut. Liegen Risikofaktoren wie Typ-2-Diabetes und Schlafapnoe vor, rät Jünemann zu einer interdisziplinären Therapie des Glaukoms. „Der Augenarzt allein reicht dann nicht“, sagt er. Der Glaukomexperte rät in jedem Fall dazu, bereits mit 40 Jahren beim Augenarzt einen Glaukomcheck machen zu lassen, wenn mehrere Risikofaktoren zugleich vorliegen. „Etwa die Hälfte aller Glaukome werden nicht erkannt, weil die Leute den Glaukomtest nicht machen“, sagt er.

Der Körper ist nun einmal eine Einheit. „Das Schöne ist“, so Anselm Jünemann, „gegen diese neueren durch den Lebensstil mit verursachten Risikofaktoren kann jeder etwas tun: Gewicht abnehmen, Sport treiben und die Ernährung auf eine vollwertige Ernährung umstellen.“

Wie das Glaukom behandelt wird

Therapie
Das A und O der Glaukom-Therapie ist es, den Augeninnendruck abzusenken, um weitere Schäden am Sehnerv zu verhindern. Der Zieldruck muss für jeden Patienten bestimmt werden. Je geringer die Drucksteigerung war, die zum Glaukomschaden geführt hat, desto tiefer muss der Augeninnendruck gesenkt werden. Zusätzlich ist der Blutdruck zu kontrollieren. Hat ein Patient mit einem Normaldruckglaukom tagsüber zu hohe Blutdruckwerte, kann es sein, dass diese durch die Medikamente nachts absinken. Dann ist es möglich, dass sich die Durchblutung des Sehnervs zu stark vermindert und der Augeninnendruck im Verhältnis zu hoch ist.

Medikamente
Welche Medikamente oder Augentropfen geeignet sind, hängt vom individuellen Risikoprofil und der Glaukomart ab.

Operation
Mediziner können mit dem Laser operieren oder chirurgisch ein Ventil für das Kammerwasser im Auge einrichten. Auch das Einsetzen von Stents ist möglich. Das Zuwachsen kann medikamentös unterbunden werden.