Rötelmäuse übertragen Hantaviren mit ihrem Kot, die Erreger können daher im Staub stecken. Vor allem der Südwesten Deutschlands ist betroffen. Stuttgarter Mediziner haben in der weltweit größten Studie untersucht, welche Patienten am besten in die Klinik sollten.

Stuttgart - Hantaviren kommen vor allem im Südwesten Deutschlands vor. Immer wieder gibt es Jahre, in denen sich die Viren rasant verbreiten – wie beispielsweise im Jahr 2012. Wissenschaftler am Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) haben 1570 Patienten aus diesem Infektionsjahr gebeten, an einer Nachuntersuchung teilzunehmen. 456 dieser Patienten haben sich dazu bereit erklärt. Entstanden ist daraus die weltweit größte Studie über die Langzeitfolgen einer Infektion mit Hantaviren.

 

„Seit 2001 sind Infektionen mit Hantaviren meldepflichtig, und wir haben hier die höchsten Fallzahlen. Daher konnten wir viele Patienten in unsere Studie aufnehmen“, sagt Mark Dominik Alscher, Ärztlicher Direktor des RBK. Publiziert wurde die Studie im Wissenschaftsmagazin „Nephrology Dialysis Transplantation“. Aus den Daten haben die Stuttgarter Forscher einen Risiko-Score entwickelt, mit dem man den Verlauf der Erkrankung einschätzen kann. Das hilft etwa Hausärzten bei der Beurteilung, ob sie den Patienten in eine Klinik einweisen sollen oder ob er zu Hause behandelt werden kann.

Das Hantavirus wird über den Kot oder den Urin wild lebender Nagetiere wie etwa der Rötelmaus übertragen. Menschen stecken sich damit an, wenn sie den verseuchten Staub einatmen. Das kann beim Joggen oder dem Spaziergang im Wald ebenso der Fall sein wie beim Aufräumen im Keller einer Stadtwohnung. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch wurde bisher nicht beschrieben. Die jährlichen Infektionszahlen hängen stark davon ab, wie viele Rötelmäuse in der Gegend leben.

Die Zahl der Infektionen hängt letztlich auch am Klima

Das Überleben der Nagetiere wiederum hängt vom regionalen Klima ab. Rötelmäuse ernähren sich vor allem von Bucheckern. In einem trockenen Sommer hängen die Buchen voller Bucheckern, die Mäuse können sich die Bäuche vollfressen. Wenn anschließend ein milder Winter den Mäusen das Überleben leicht macht, folgt ein Jahr mit vielen Mäusen und hohen Infektionsraten mit Hantaviren, wie etwa in den Jahren 2010 und 2012.

„Viele Menschen, die sich mit dem Hantavirus anstecken, merken gar nichts davon. Daher ist die Dunkelziffer bei dieser Erkrankung recht hoch“, sagt Alscher. Bei einem Teil der Infizierten jedoch könne das Immunsystem die Viren nicht in Schach halten, und die Krankheit breche aus – mit unterschiedlicher Intensität. Die Beschwerden beginnen meist mit grippeähnlichen Symptomen, vor allem Fieber. Oft kommen Sehstörungen hinzu. Es kann zu einem Abfall des Blutdrucks kommen. In schweren Fällen kommen Nierenprobleme hinzu, die sich zunächst als aufsteigende Kreuzschmerzen in der Region der Nieren bemerkbar machen. Mitunter droht Nierenversagen, so dass eine vorübergehende Dialyse notwendig wird. Ist die kritische Phase vorüber, heilt die Krankheit ohne Folgen aus. Heilende Medikamente oder eine schützende Impfung gegen Hantaviren gibt es nicht.

Bisher war es kaum möglich, bei einem Patienten den genauen Verlauf der Erkrankung einzuschätzen. Der Hausarzt stand vor dem Problem: Muss der Patient in eine Klinik eingeliefert werden, weil Nierenversagen droht? Oder kann er vor Ort behandelt werden, weil die Infektion einen milden Verlauf nehmen wird? In der RBK-Studie konnten nun Parameter festgelegt werden, die eine Einschätzung des Krankheitsverlaufs möglich machen. „Der Mangel an Thrombozyten im Blut kann auf einen schweren Verlauf hinweisen, ebenso wie die erhöhte Konzentration eines bestimmten Entzündungseiweißes im Blut oder Eiweiß im Urin“, berichtet Alscher. Für die einzelnen Parameter haben die Wissenschaftler eine Art Punktesystem entwickelt: Der Abfall der Thrombozyten wird zwei Punkten gleichgesetzt, das Vorhandensein von Entzündungseiweiß und Eiweiß im Urin mit jeweils einem Punkt. „Treffen auf einen Patienten mehr als zwei Punkte zu, muss man mit Nierenproblemen rechnen. Der Betroffene sollte dann in einer Klinik behandelt werden“, erklärt Alscher den Score.

Zudem habe die Studie gezeigt, dass Betroffene Antikörper gegen das Virus gebildet haben, die sie zumindest in den ersten Jahren nach der Infektion vor einer Neuansteckung schützen, so Alscher. Wiederlegt werden konnte die Annahme, dass Patienten einen erhöhten Blutdruck entwickelten. Die Daten aus der Studie werden weiter analysiert auf der Suche nach der Ursache der Veränderungen.