Unser Artikel „Stuttgarter Ärzte schlagen Alarm“ hat für Diskussionsstoff gesorgt: Die Deutsche Apotheker Zeitung hat das Thema aufgegriffen, bei der Firma Piramal, die das Narkosemittel Sevofluran herstellt, gingen besorgte Anrufe ein. Nun wehrt sich der Pharmakonzern gegen einige Behauptungen der Stuttgarter Ärzte.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Die Vorgeschichte: Rund zehn Stuttgarter Anästhesisten, darunter Dr. Anton G. (Name von der Redaktion geändert), gehen derzeit mittels eines Anwalts dagegen vor, dass die AOK Baden-Württemberg in Vertretung der Gesetzlichen Krankenkassen ihnen über Regressandrohungen vorschreiben will, als Narkosemittel das kostengünstigere Nachahmerprodukt Sevofluran der Firma Piramal zu verwenden – statt wie bisher das Originalprodukt der Firma Abbvie.

 

Der Herstellungsort: Anton G. behauptete, Sevofluran werde in Mumbai in Indien produziert. Richtig ist, dass in Mumbai der Firmensitz von Piramal ist. Hergestellt werde das Narkosemittel dort jedoch nicht, sagt Reinhard König, der Leiter für Forschung und Entwicklung bei Piramal, sondern „in Bethlehem, Pennsylvania, USA.“ Er bestätigt aber, dass das Land der Herstellung in der Patienten- und Ärzteinformation nicht auftaucht. „Wenn Kunden wissen möchten, wo das Produkt hergestellt wird, stehen wir gerne für Informationen zur Verfügung“, sagt König.

Die Anwendungsart: Anton G. kritisiert, dass man Sevofluran von Piramal nicht über eine Larynxmaske, also eine Kehlkopfmaske, verabreichen dürfe – dabei würden rund 80 Prozent der Narkosen darüber eingeleitet. Grund seiner Annahme: In der Fachinformation steht „Sevofluran wird über eine Gesichtsmaske oder einen Endotrachealtubus (ein Beatmungstubus) verabreicht“. König widerspricht Anton G.: „Die Larynxmaske ist nach unserer Interpretation in der Indikation dadurch abgedeckt, dass es eine Unterart der Endotrachealbeatmung ist. Die Packungsbeilage fordert den Anästhesisten dazu auf, die Atemwege freizuhalten. Dies kann mit der Larynxmaske erreicht werden und folgt damit der Packungsbeilage.” Maik Pommer, Pressesprecher vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, bestätigt dies: „Die Information ‚Sevofluran wird über eine Gesichtsmaske oder einen Endotrachealtubus verabreicht’ beinhaltet keine Ausschließlichkeit, sondern lässt auch eine Applikation mittels Larynxmaske zu.“

Anästhesisten empfehlen Geruchsprobe

Die Flusssäure: Bei Sevofluran kann hochgiftige Flusssäure entstehen. „Das stimmt“, so König. „Die Bildung von Flusssäure ist theoretisch möglich, wenn Verunreinigungen in ein Sevofluran gelangen, unabhängig vom Hersteller. Dies ist jedoch ein extrem seltenes Ereignis, und Piramal hat keinen einzigen Meldefall über ein solches Ereignis seit Markteinführung in Europa erhalten.” Anton G. kritisiert, dass bei dem Produkt von Piramal per Geruchsprobe darüber geurteilt werden soll, ob das Narkosemittel einwandfrei sei. In der Fachinformation steht: „Nur Flascheninhalte ohne beißenden Geruch verwenden“. Bei Abbvie stehe dieser Satz nicht. Der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) sagt dazu: „Die potenzielle Entwicklung von Flusssäure ist allen Sevofluranen gleich, eine Riechprobe wäre tatsächlich bei anderen ebenfalls zu empfehlen.“