Sind Frauen anderes krank und gesund als Männer? Bei der Veranstaltung „Gesundheit beginnt im Kopf“ im Rotebühlzentrum ging es um diese Frage.

Stuttgart - Seit einigen Jahren gewinnt die geschlechtsorientierte Medizin an Bedeutung, auch Gendermedizin genannt (von Englisch: gender, Geschlecht). Dahinter steckt die Erkenntnis, dass sich die unterschiedliche Gen- und Hormonausstattung von Mann und Frau auch im Krankheitsgeschehen bemerkbar macht – und daher auch andere Behandlungswege sinnvoll sind. Als eines der bekanntesten Beispiele nennt der Stuttgarter Arzt Suso Lederle den Herzinfarkt, der bei Frauen oft anders verläuft als bei Männern.

 

Um das Thema Gendermedizin unter dem Titel „Frauengesundheit – Gesundheit hat ein Geschlecht“ zu vertiefen, hatte Lederle im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Gesundheit beginnt im Kopf“ Ingrid Gerhard in das Stuttgarter Rotebühlzentrum eingeladen. Die Frauenärztin und Umweltmedizinerin leitete viele Jahre die Ambulanz für Naturheilverfahren an der Heidelberger Universitätsfrauenklinik. Sie setzt sich seit Langem für ganzheitliche Methoden in der Frauenheilkunde ein, bei denen das Zusammenwirken von Seele, Geist und Körper als Einheit gesehen wird.

Hormonabhängige Veränderungen

Bei ihrem Vortrag im Rotebühlzentrum schilderte sie zunächst eine Reihe von hormonabhängigen Veränderungen, welche die Mediziner in den vergangenen Jahren beobachteten. Von diesen sind auch Männer betroffen: So nimmt die Zahl der Spermien im Ejakulat stetig ab – genauso wie die Testosteronkonzentration im Hoden. Außerdem verschiebt sich das Geburtsverhältnis von Jungen zu Mädchen zu Gunsten der Mädchen – wobei die Chance, ein Mädchen zu bekommen, mit dem Alter der zukünftigen Mutter wächst. Und während bei Männern der Prostatakrebs häufiger wird, ist es bei Frauen der Brustkrebs.

Viel Zeit widmete Ingrid Gerhard der ganzheitlichen Gesundheitsförderung. Dabei hatte sie auch praktische Tipps für ihre Zuhörerinnen, etwa viel vorsichtiger mit Reinigungsmitteln umzugehen. Am Herzen liegt ihr auch ein, wie sie es nennt, „Wohlfühlprogramm“ nach den Wechseljahren. Dazu zähle vor allem Bewegung, denn so ließen sich Wechseljahrbeschwerden wie auch Brustkrebsrisiko deutlich senken. Wichtig sei auch eine ausgewogene, hochwertige Ernährung, um das Normalgewicht halten zu können – „also Obst und Gemüse statt Fleisch und Pizza“. Und sie empfiehlt: „Hören Sie auf Ihren Bauch!“ Skeptisch steht sie einer Hormonbehandlung gegenüber: „Frauen brauchen keine zusätzlichen Hormone, um die Sterblichkeit zu senken. Das ist ein Fehlschluss.“

Empfehlungen für ein gesundes Leben

Viele dieser Empfehlungen für ein gesundes Leben, so betont Ingrid Gerhard, seien für Männer und Frauen gleich. Insofern seien Frauen nicht anders krank oder gesund als Männer. Ein bisschen jedoch habe Gesundheit schon ein Geschlecht, meint sie abschließend – und spielt dabei auf den Titel der Veranstaltung an: „Frauen achten mehr auf ihre Gesundheit als Männer.“ Eine Erfahrung, die Suso Lederle bestätigt: „Nur etwa ein Viertel der Männer geht zu den Vorsorgeuntersuchungen, aber beinahe drei Viertel der Frauen.“

Wie aber steht es nun mit den Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen? Die Blutgefäße, erklärt die Frauenärztin, seien bis zu den Wechseljahren gut durch die Östrogene geschützt. Doch dann fällt dieser Schutz weg, und die Gefäße werden so anfällig für Veränderungen wie bei den Männern. Hinzu kommt, dass viele Frauen nach den Wechseljahren an Gewicht zulegen und dann die Entzündungsstoffe im Bauchfettgewebe ihre unheilvolle Wirkung verstärkt entfalten können. Damit wächst aber auch für Frauen die Gefahr, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

Frauen sollten daher auf die speziell weiblichen Symptome des Infarkts achten. Während bei Männern der vernichtende Schmerz und das massive Engegefühl im Brustbereich typisch sind, klagen Frauen bei einem Infarkt öfter über Müdigkeit, Übelkeit und Atemnot – also über unspezifische Beschwerden, die zunächst als untypisch für dieses lebensbedrohliche Ereignis erscheinen. Vor allem dann, wenn diese Symptome so heftig wie nie zuvor auftreten, sollten Betroffene – und auch ihre Angehörigen oder andere Anwesende – an einen Infarkt denken.