Warum werden in Kliniken Fehler gemacht und wie kann man sie vermeiden? Dazu hält der Stuttgarter Arzt Mark Dominik Alscher auf der weltgrößten Medizinmesse Medica in Düsseldorf einen Vortrag. Die StZ hat mit ihm vorab gesprochen.

Stuttgart - Vom Kleinstlabor in der Arztkitteltasche bis zu komplexen Operationssälen reichen die Neuheiten auf der weltgrößten Medizinfachmesse Medica. Von Mittwoch bis Samstag zeigen rund 4550 Aussteller aus über 60 Ländern in Düsseldorf Trends in der Medizintechnik. Am Donnerstag wird Mark Dominik Alscher, Ärztlicher Direktor am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart, dort zum Thema „Irrtümer und Fehler in der Medizin“ sprechen. Im StZ-Gespräch mit Birgitta vom Lehn erläutert er seine Position.

 

Herr Alscher, wo lauern die Gefahren für Fehler?
Die Hauptfallstricke für Fehler und Irrtümer in der Medizin liegen in dem zunehmenden Wissen und in der zunehmenden Komplexität der einzelnen Krankheitsbilder. In Kombination mit Rahmenbedingungen, die häufig die nötige Zeit fehlen lassen, sich intensiv mit jedem Fall zu beschäftigen, kommen der einzelne Arzt, aber auch die Pflegekräfte zunehmend häufiger an Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit.

Ist eine „Nullfehlerkultur“ realistisch, wie ein Stuttgarter Klinikkollege sie vorgeschlagen hat?
Eine Nullfehlerkultur ist allenfalls als Vision vorstellbar. Jeder weiß: wo gearbeitet wird, entstehen Fehler. Selbstverständlich muss in einem so sensiblen Bereich wie der Medizin versucht werden, die Fehlerrate äußerst gering zu halten. Aktuell haben wir jedoch bei weitem noch nicht alle Möglichkeiten genutzt. Die moderne Informationstechnologie könnte eine deutliche Reduktion vorhandener Fehler erlauben. Die Medizin müsste eine Initiative starten, ähnlich der Automobilindustrie vor einigen Jahrzehnten, die alles daran setzt, um mit technischer Unterstützung vermeidbare Fehler deutlich zu reduzieren.

Welche Patientengruppen sind am stärksten durch Fehler gefährdet?
Gefährdet sind insbesondere ältere Patienten mit mehreren Krankheiten. Diese multimorbiden Patienten werden zunehmend die Regel sein. Die Spezialisierung heute führt dazu, dass der einzelne Experte häufig nicht mehr über den eigenen Tellerrand schauen kann und damit die Probleme aus anderen Spezialgebieten übersieht. Der Mensch ist aber ein Individuum, und ein Herumreichen von einem Spezialisten zum anderen ist nicht die Lösung.

Warum tut sich beim Thema Klinikkeime so wenig? Vernachlässigte Hygiene ist schließlich auch ein großer Fehler.
Klinikkeime sind ein Thema, das ebenfalls mit einer älter werdenden Bevölkerung, einem größeren Anteil pflegebedürftiger Patienten und häufiger Verlegungen zwischen verschiedenen Versorgungssektoren zu tun hat. Auch hier müssen die Anstrengungen deutlich intensiviert werden. Für einzelne Problemkeime ist dies in jüngster Zeit erfolgt. Beispielsweise werden heute bereits sehr häufig noch in der Notaufnahme schnellste Diagnosetests eingesetzt. Sie liefern in ein bis zwei Stunden Ergebnisse, um eine Besiedlung mit multiresistenten Keimen festzustellen.