Mehr als 40 Hausbesitzer klagen in Böblingen über bis zu zwei Zentimeter große Risse in Wänden. In den Wohngebieten sind Erdwärmebohrungen durchgeführt worden. Ob sie Schuld sind, ist noch unklar.

Böblingen - Die Hiobsbotschaft kommt kurz vor Ferienende: In Böblingen hebt sich das Erdreich. Betroffen sind zwei Wohngebiete im Nordosten sowie im Osten der Stadt. Jeweils mehr als 20 Hausbesitzer haben Risse in Wänden festgestellt. Laut Andreas Steinacker vom Wasserwirtschaftsamt des Landkreises erreichen diese eine Breite von bis zu zwei Zentimetern und ziehen sich teils von den Kellern bis hinauf in die Erdgeschosse.

 

Ursache der Erdbewegungen noch unklar

„Die erste Schadensmeldung hat es im Jahr 2011 gegeben“, berichtet Steinacker. In den folgenden Jahren hätten sich immer mehr Anwohner beklagt. „Jetzt hat es eine Dimension erreicht, dass wir damit an die Öffentlichkeiten gehen müssen“, erklärt der Landrat Roland Bernhard. „Es war für uns eine Gretchenfrage, wann wir darüber informieren“, gesteht er. Schließlich wolle man die Bevölkerung nicht beunruhigen. Zumal über die Schadenshöhe noch nichts bekannt sei, ebenso wenig wie über die genaue Ursache der Erdbewegungen. Außerdem hätten die Erdbewegungen bisher keine solch gravierenden Auswirkungen wie andernorts, beispielsweise in Staufen im Breisgau. Dort musste im August das erste Haus abgerissen werden. Es war nach Erdwärmebohrungen um bis zu 45 Zentimeter angehoben worden, in seinen Wänden klaffte ein 25 Zentimeter breiter Riss.

Seit drei Monaten nimmt das Böblinger Wasserwirtschaftsamt Messungen in den betroffenen Gebieten vor: südlich der Stuttgarter Straße wie etwa in der Altinger Straße und im Osten der Stadt, im Hans-Thoma-Weg sowie zwischen dem Friedhof und der Eichendorffschule. Danach hebe sich der Untergrund pro Monat bei der Stuttgarter Straße um vier bis sechs Millimeter und im Osten der Stadt um zwei bis drei, sagt Jochen Weinbrecht, der Leiter des Wasserwirtschaftsamts. Im Nordosten komme man im vergangenen Vierteljahr also auf ein Plus von bis zu zwei Zentimetern, am Hans-Thoma-Weg auf etwa bis zu 1,2 Zentimeter. Um wie viel die Erde sich vor den Messungen nach oben bewegt hat, darüber gebe es noch keine gesicherten Erkenntnisse. Anwohner selbst hätten zwar bereits das eine oder andere Gutachten in Auftrag gegeben. Erste Ergebnisse daraus lägen auch vor. Aber er könne und wolle sich noch nicht darüber äußern, sagt Weinbrecht. Die Betroffenen wollten vorerst anonym bleiben.

Weitere Untersuchungen sollen folgen

„Aller Wahrscheinlichkeit nach ist aufquellender Gipskeuper verantwortlich für diese Hebungen“, erklärt der Amtsleiter. Nicht völlig auszuschließen sei, dass Kanalarbeiten in den Jahren 2009 und 2010 sowie Erschütterungen die Ursache seien. Auch Erdwärmebohrungen kämen infrage. „An dem Punkt, die Probleme darauf zurückzuführen, sind wir aber noch nicht“, sagt der Landrat. Tatsächlich hat eine Baufirma bis zum Jahr 2008 in den Gebieten insgesamt zehn solcher Bohrungen vorgenommen: zwei im nordöstlichen Stadtteil, acht im östlichen, wo die Erdbewegungen weniger heftig ausfallen.

Natürlich sei nicht von der Hand zu weisen, dass dabei Grundwasserschichten in Mitleidenschaft gezogen worden sein könnten, räumen die Vertreter des Wasserwirtschaftsamts ein. Nahe der Stuttgarter Straße sei bis in eine Tiefe von 130 Metern gebohrt worden, am Hans-Thoma-Weg bis zu 80 Meter. In beiden Gebieten hätten die Bohrwerkzeuge wohl Schichten von Gipskeuper erreicht. Dieser quelle auf, wenn Wasser eindringe, erklärt Weinbrecht. Im Kreis Böblingen, in dem es 800 Erdwärmestandorte gibt, ist es aus diesem Grund bisher schon in Leonberg und Renningen zu Schäden gekommen.

Nach den ersten Probemessungen sollen laut den Wasserwirtschaftsexperten allerdings weitere Untersuchungen vorgenommen werden. Dabei würden natürliche Veränderungen im Grundwasser ebenfalls in Betracht gezogen. „Eigentlich sind Risse an Häusern nicht ungewöhnlich“, versucht Weinbrecht zu beschwichtigen. Sie könnten durch nicht fachgerechte Gründungen auf unterschiedlich tragfähigem Boden oder bei Spannungen zwischen unterschiedlichen Baustoffen entstehen. Oft kämen auch noch andere natürliche Ursachen infrage, etwa Baumwurzeln, die zu eng an Häusern liegen, diese anheben oder dem Erdreich Wasser entziehen.

Der Landrat hat den betroffenen Hausbesitzern die Unterstützung des Kreises zugesagt. Im Oktober will er sie alle an einen Tisch bitten, um die Lage und die weitere Vorgehensweise zu erörtern.