Das Land vermag mit der steigenden Zahl von Asylbewerbern kaum Schritt zu halten. Die zentrale Erstaufnahmestelle in Karlsruhe mit ihren neun Außenstellen ist völlig überlaufen. Freiburg und Mannheim haben jetzt Interesse signalisiert.

Freiburg - Das Land kommt bei der Flüchtlingsunterbringung voran – zumindest, was die Erstaufnahme betrifft. Der Freiburger OB Dieter Salomon (Grüne) hat sich dieser Tage bereit erklärt, auf dem Gelände der frei werdenden Polizeiakademie eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge einzurichten. Schon im nächsten Sommer könne das Areal zur Verfügung stehen, sagte Salomon. Die ehemalige Polizeischule ermögliche eine angemessene und menschenwürdige Unterbringung.

 

Die Landesregierung sucht derzeit händeringend nach weiteren Standorten für die Erstaufnahme von Flüchtlingen, deren Zahl weiter ansteigt; eine Tendenzwende ist nicht in Sicht. Die zentrale Anlaufstelle in Karlsruhe mit neun Außenstellen in der Stadt sowie einer weiteren in Mannheim platzt aus allen Nähten. Neben Freiburg signalisiert indes auch Mannheim Interesse, eine Landeserstaufnahmestelle einzurichten. Der Vorteil liegt darin, dass die jeweiligen Kommunen von der weiteren Unterbringung der Flüchtlinge befreit sind. Wer den Zuschlag erhält, ist offen. Langfristig nimmt die Landesregierung an, dass drei bis vier Standorte nötig werden.

Zu wenig Personal für die Bearbeitung der Asylanträge

Das Aufnahmeverfahren verläuft so: Zunächst gelangen die Flüchtlinge in die zentrale Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe. Dort durchlaufen sie eine Gesundheitsprüfung – schon da fangen die Probleme jedoch an, weil das Gesundheitsamt kein Röntgengerät herbeibringt. Außerdem stellen die Flüchtlinge ihren Asylantrag. Dieses Nadelöhr ist noch enger. Zwar unterhält das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Außenstelle in Karlsruhe, doch fehlt es an Personal, um mit der Antragsflut Schritt zu halten. Waren im Jahr 2011 noch 5400 Flüchtlinge im Südwesten aufgenommen worden, werden in diesem Jahr schon 23 000 erwartet. Die Verteilung unter den Bundesländern erfolgt nach dem Königsberger Schlüssel – der Anteil Baden-Württembergs liegt bei 12,9 Prozent. Die Kosten sind noch steiler gestiegen: von knapp 16 Millionen Euro im Jahr 2011 auf voraussichtlich 316 Millionen Euro 2016. Der überproportionale Zuwachs hat mit dem neuen Flüchtlingsaufnahmegesetz des Landes zu tun, mit dem die humanitären Standards angehoben wurden, aber auch mit den höheren Pauschalen, die das Land an die Stadt- und Landkreise zahlt. Sie steigen pro Asylbewerber von derzeit 12 300 Euro bis 2016 auf knapp 14 000 Euro. Allein in diesem Jahr überweist das Land 187 Millionen Euro an die Kreise, 106 Millionen Euro mehr als geplant.

Der Wohnungsmarkt ist leer, die Kommunen suchen nach Alternativen

Die kommunale Ebene ist deshalb gefragt, weil die Asylbewerber von Karlsruhe aus an die Stadt- und Landkreise zur vorläufigen Unterbringung während des Asylverfahrens weitergereicht werden. Danach folgt dann die Anschlussunterbringung – nach der Asylgewährung oder in den Fällen, in denen eine Rückführung nicht möglich ist. Doch in den Kommunen sei die „Unterbringungssituation sehr angespannt“, berichtet Dietmar Herdes vom Landkreistag. Ausgerechnet jetzt, da die Zahl der Flüchtlinge wieder steigt, sei auch der Wohnungsmarkt leer gefegt; und dies gerade in den unteren Preissegmenten. In Großstädten wie Stuttgart würden eher Luxuswohnungen gebaut. Der Landkreistag plädiert deshalb dafür, befristet auf leer stehende Kasernen zurückzugreifen. „Zelte wie in Bayern wollen wir nicht“, sagt Herdes.

Der Städtetags-Geschäftsführer Stefan Gläser klagt: „Die Mietkosten laufen uns davon.“ Gläser hat als Oberbürgermeister von Wertheim (Main-Tauber-Kreis) bereits die große Flüchtlingswelle in den 1990er Jahren erlebt. Er nennt die neue Entwicklung eine „erhebliche Herausforderung“. Die Asylverfahren müssten beschleunigt werden, fordert er. Auch dürfe das Land im Bundesrat nicht länger blockieren, die Westbalkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Gläser sieht den sozialen Frieden in Gefahr. „Im Moment reagiert die Bevölkerung gelassen. Aber das muss nicht so bleiben.“