Im Kriegsgebiet der Ost-Ukraine sollen endlich die Waffen schweigen. Doch die Zugeständnisse der Zentralregierung an die Separatisten lösen blutige Proteste in Kiew aus. Frühere Friedensversuche scheiterten.

Kiew - In der Ukraine soll ein neuer Anlauf für ein Ende des Blutvergießens gemacht werden. Mehr als sechs Monate nach den Minsker Friedensverhandlungen wollen die Konfliktparteien am Dienstag im Kriegsgebiet Donbass eine Feuerpause beginnen. Darauf haben sich Vertreter der prorussischen Aufständischen und der prowestlichen Regierung in Kiew geeinigt. Diese soll einen gewaltfreien Beginn des Schuljahres ermöglichen. Die Separatisten bekräftigten, sie wollten die Waffenruhe auf jeden Fall umsetzen. Frühere Vereinbarungen dieser Art wurden jedoch nicht eingehalten.

 

Der Widerstand in Teilen der ukrainischen Gesellschaft gegen jegliches Zugeständnisse an die Separatisten führt jedoch am Montag zu gewaltsamen Protesten. Bei einer Demonstration von Nationalisten vor dem Parlament in Kiew gegen eine Verfassungsänderung für mehr Autonomie im Donbass starb ein Polizist, mindestens 125 weitere Menschen wurden verletzt.

Teil des Friedensabkommens umgesetzt

Die Reform, die in erster Lesung angenommen wurde, öffnet den prorussischen Separatisten im Kriegsgebiet Donbass das Tor zu mehr Autonomie. Nationalisten sehen darin eine schleichende Aufgabe ukrainischen Territoriums. Mehr Autonomie für den Donbass ist aber Teil des Minsker Friedensplans vom Februar.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko verurteilte die gewaltsamen Ausschreitungen als „antiukrainische Aktion“. Die Proteste von Nationalisten seien „ein Stoß in den Rücken“, kritisierte er in einer Fernsehansprache am Montagabend.

Russland kritisierte die Gewalt in der Ukraine. Kremlsprecher Dmitri Peskow verurteilte die Eskalation als „unannehmbar“, meldete die Nachrichtenagentur Interfax. Zugleich habe er aber betont, dass es sich um eine innere Angelegenheit der Ukraine handle.

Berlin verurteilt die Gewalt

Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, das Geschehen vor dem Parlament in Kiew sei „in jede Hinsicht inakzeptabel - Gewalt gegen Beschlüsse eines demokratisch gewählten Parlaments umso mehr“. Die Bundesregierung werte die Verfassungsreform als wichtigen Schritt für eine Umsetzung des Minsker Friedensplans.

Auch der Generalsekretär des Europarates, Thorbjorn Jagland, begrüßte das Abstimmungsergebnis im Parlament in Kiew. Zugleich verurteilte er die Ausschreitungen. „Der demokratische Prozess soll und darf nicht durch Gewalt und Extremismus zum Entgleisen gebracht werden“, sagte er.

Hunderte Menschen waren nach der Abstimmung vor das Parlament gezogen. Die Demonstranten, von denen einige an den Kämpfen gegen die Separatisten teilgenommen hatten, warfen Pflastersteine, Flaschen und Rauchbomben auf die Polizei. Auch ein Sprengsatz detonierte. Die Sicherheitskräfte setzten Schlagstöcke und Tränengas ein.