Der Bundesrechnungshof kontrolliert seit Jahresanfang die hohen Mehrkosten des Bahnprojekts Stuttgart 21. Der Bericht wird aber wohl erst zum Jahresende vorliegen – Projektkritiker sehen diesen späten Zeitpunkt als Folge politischen Drucks.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart/Bonn - Es hätte gute Wahlkampfmunition für die Opposition werden können. Bis Ende Juli sollte dem Vernehmen nach der Prüfbericht des Bundesrechnungshofs zu Stuttgart 21 vorliegen. Die Bonner Behörde nimmt das umstrittene Projekt erneut unter die Lupe, dessen Weiterführung der DB-Aufsichtsrat Anfang März genehmigt hat. Im Aufsichtsrat des Staatskonzerns sitzen mehrere Vertreter der Bundesregierung.

 

Projektkritiker sind überzeugt, dass die Entscheidung für die Weiterführung und gegen den Projektabbruch von politischen Interessen gesteuert war und gegen wirtschaftliche Vernunft verstoße. Die Expertise des Rechnungshofs könnte zur Aufklärung beitragen, zumal die Prüfer über die Bundesministerien auch die internen Unterlagen und Protokolle des DB-Aufsichtsrats einsehen können. Der Konzern hatte den Weiterbau vor allem damit begründet, dass ein Ausstieg noch höhere Kosten verursacht hätte. Kritiker zweifeln die Vergleichsrechnungen an.

Vor allem die Bundesmittel werden unter die Lupe genommen

Für die Untersuchung der komplizierten Materie wollen sich die Experten des Bundesrechnungshofs ausreichend Zeit lassen. „Wir befinden uns noch mitten in den Prüfungen“, sagt Behördensprecher Martin Winter. Frühestens Ende des Jahres würden erste belastbare Ergebnisse vorliegen. Wer den Bericht außer den zuständigen Bundesministerien (Verkehr, Finanzen, Wirtschaft) erhalte, sei noch offen. Der Rechnungshof selbst habe offiziell nie einen früheren Termin genannt, betont Winter. Das Thema sei komplex, und Stellungnahmen der Bundesregierung zu Fragen müssten abgewartet werden.

Ein Schwerpunkt der Prüfungen ist laut Winter zum einen die Frage, ob die direkten Zuschüsse des Bundes von mehr als 500 Millionen Euro wirtschaftlich eingesetzt werden. Zum anderen untersucht die Behörde die Rolle des Bundesverkehrsministeriums und die Entscheidungen der Vertreter des Bundes im DB-Aufsichtsrat. Die „Betätigungsprüfung“ beziehe sich auf die Arbeit der drei Staatssekretäre aus dem Verkehrs-, Wirtschafts- und Finanzministerium im Kontrollgremium.

Der Rechnungshof begleitet Stuttgart 21 seit Jahren kritisch und hatte schon 2008 vor hohen, nicht finanzierten Mehrkosten gewarnt. Die Expertise wurde aber von den Verantwortlichen weitgehend ignoriert.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), sagte, es sei bedauerlich, dass die Prüfergebnisse erst nach der Bundestagswahl vorliegen werden. Nach seinen Informationen sei eine Berichterstattung bis Juli vorgesehen gewesen. Es gebe das Gerücht, dass die Bundesregierung auch durch politischen Druck dafür gesorgt habe, dass die Prüfungen länger dauern.

Rechnungshof streitet politische Einflussnahme vehement ab

Der Sprecher des Bundesbundesrechnungshofes sagte auf Anfrage, solche Gerüchte entbehrten jeder Grundlage. Die Unabhängigkeit der Behörde sei durch die Verfassung garantiert und über jeden Zweifel erhaben. Ein Teil der Opposition im Bundestag hatte bereits vor der Sondersitzung des DB-Aufsichtsrats zu Stuttgart 21 im März gefordert, die Prüfergebnisse des Rechnungshofs abzuwarten. Die Grünen wollen bei einem Regierungswechsel im September eine mögliche Haftung der Bahn-Spitze untersuchen lassen.

Der Rechnungshof hat wiederholt betont, man werde sich weder politisch instrumentalisieren noch zeitlich unter Druck setzen lassen. Es sei aber bedauerlich, dass die bisherigen Hinweise der Prüfer nicht beachtet worden seien.