Die Prüfbehörde bleibt bei ihrer Kalkulation – und erwartet höhere Kosten bei dem umstrittenen Schienenprojekt Stuttgart–Ulm.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Der Bundesrechnungshof sieht seine Kritik an der Kostenschätzung zum umstrittenen Schienenprojekt Stuttgart-Ulm bestätigt. Das sagte ein Sprecher der Bonner Behörde auf StZ-Anfrage. Erst jüngst war bekannt geworden dass die Deutsche Bahn (DB) intern erwartete Mehraufwendungen in Milliardenhöhe offenbar jahrelang verschwiegen hat. Die Prüfer halten mit Blick auf ihren damaligen Bericht auch die aktuellen Kostenangaben zu Stuttgart 21 und der zugehörigen ICE-Strecke für weiterhin zu niedrig.

 

Die obersten Kontrolleure der Staatsausgaben haben die offiziellen Kostenangaben des Bundesverkehrsministeriums schon vor drei Jahren als viel zu gering bezeichnet. Damals wies die DB die Expertise empört zurück. Inzwischen zeigen jedoch zahlreiche Dokumente, dass der Konzern hohe Mehrkosten, die intern längst bekannt waren, über viele Jahre hinweg der Öffentlichkeit und den Parlamenten verheimlicht hat (die StZ berichtete). "Wir haben nach ausführlicher Prüfung schon im Herbst 2008 das Parlament und die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass die Kostenschätzungen des Ministeriums unrealistisch sind", sagte Martin Winter, der Sprecher des Bundesrechungshofs. Auch die mittlerweile korrigierten Kostenangaben der Bahn sowohl für Stuttgart 21 als auch für die ICE-Strecke hielten den Untersuchungen des Bundesrechnungshofs nicht Stand.

Der Rechnungshof hatte im Herbst 2008 ermittelt, dass die Kosten allein für S 21 "deutlich über 5,3 Milliarden Euro" liegen werden. Für die ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm (NBS) kalkulierten die Prüfer weitere "mindestens 3,2 Milliarden Euro". Die Studie ging am 30. Oktober 2008 an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags und war vertraulich, gelangte aber rasch in die Öffentlichkeit und ist im Internet leicht zu finden. Grundlage für die Berechnungen waren die internen Unterlagen des Bundesverkehrsministeriums zu den Verkehrsprojekten. Die Bahn dementierte harsch und sprach seinerzeit von politisch motivierten Schätzungen.

Es gibt Belege, dass die DB viele Mehrkosten kannte

Die DB und ihre Projektpartner Land, Stadt und Region Stuttgart behaupteten jedoch weiterhin, S 21 werde höchstens 3,1 Milliarden und die Neubaustrecke nur zwei Milliarden Euro kosten. Auf der Basis angeblicher Gesamtbaukosten von mehr als 5 Milliarden Euro wurden im April 2009 auch die Finanzierungsverträge unterzeichnet, allerdings mit einem ergänzenden "Risikopuffer" von 1,5 Milliarden Euro.

Die offiziellen Kostenangaben der DB lagen damit immer noch weit unter den Berechnungen des Bundesrechnungshofs, der zuvor bereits 8,5 Milliarden Euro für beide Schienenprojekte zusammen veranschlagt hatte. Nach einer Überprüfung, die der neue Bahn-Chef Rüdiger Grube nach seinem Amtsantritt im Mai 2009 veranlasste, wurden Ende 2009 die offiziellen Baukosten von S 21 auf knapp 4,1 Milliarden Euro korrigiert. Auf dieser Basis wurde der Bau des Tiefbahnhofs trotz heftiger Kritik auch vom politischen Lenkungskreis und den DB-Gremien beschlossen. Im Sommer 2010 räumte Grube ein, dass auch die NBS mindestens 2,9 Milliarden kosten und damit 900 Millionen Euro teurer wird.

Inzwischen gibt es Indizien und Belege dafür, dass die DB viele der drohenden Mehrkosten längst kannte. Bei der Behörde weist man ausdrücklich darauf hin, dass auch die Unterlagen des Bundesverkehrsministeriums schon bei den damaligen Kostenprüfungen zeigten, dass die offiziellen Angaben wenig realistisch waren.

Die Prüfer gehen von einer Kostensteigerung aus

Im Prüfbericht kommt das deutlich zum Ausdruck, und im begleitenden Schreiben des damaligen Vizepräsidenten des Rechnungshofs, Norbert Hauser, an den Bundestag hieß es damals, dass dem Ministerium für vergleichbare Großprojekte "Untersuchungen vorliegen, die belegen, dass es zu erheblichen Mehrkosten kommen wird".

Die offiziellen Angaben für beide Projekte liegen inzwischen bei rund 7 Milliarden Euro und damit noch immer rund 1,5 Milliarden unter der Berechnung des Bundesrechnungshofs. Die Prüfer gehen fest davon aus, dass auch diese Kostensteigerung noch eintreten wird. "Wir sehen keinerlei Anlass", so Behördensprecher Winter, "unsere Berechnungen zu korrigieren."