Ein Junge aus Nordirland leidet und stirbt an einer unheilbaren Krankheit. Die Eltern fügen sich nicht in ihr Leid, sondern lassen im Netz alle am kurzen Leben des Jungen teilhaben.

Belfast - Die ersten Einträge, als drei Monate nach der Geburt die tödliche Diagnose gestellt wird, wirken befremdlich. Haben diese intimsten aller Gefühle, wenn Eltern vom unausweichlichen Tod ihres Babys erfahren, wirklich etwas auf Facebook verloren? Judith und James Bleakney aus der nordirischen Hauptstadt Belfast meinen Ja. Das absehbar kurze Leben ihres Sohnes Jack, geboren am 17. Juni 2012 und am sogenannten Menkes-Syndrom leidend, soll detailliert dokumentiert werden und der Nachwelt erhalten bleiben.

 

Auf den privaten Seiten von Judith, James und Jack, vor allem aber auf der für alle öffentlich zugängigen Krankheitsseite „Jack’s Menkes Page“ erfahren Freunde, Familienmitglieder im Ausland oder andere betroffene Eltern fortan alles über die Krankheit und das Leben mit ihr. Dass der Gen-Defekt statistisch gesehen bei einem von etwa 150 000 neugeborenen Jungen auftritt. Dass die Lebenserwartung bei maximal drei Jahren liegt, weil der Körper das lebenswichtige Spurenelement Kupfer nicht aufnehmen kann. Dass Jack nie wird sprechen oder laufen können. Dass er wieder ins Krankenhaus musste, sich ständig erbrechen muss und Morphium gegen die Schmerzen bekommt. Und dass wieder ein Menkes-Kind gestorben ist.

Der unerschöpfliche Lebensmut aber ist es, der immer mehr Menschen in den Bann der Seite zieht – weit über den Kreis der Familie und Freunde hinaus. „Alle waren sehr traurig, als sie von meiner Krankheit gehört haben“, steht auf Jacks Seite, „aber Mama und Papa haben mir gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen und das Leben maximal auskosten.“ Und so gibt es Fotos von ihm als Superman, beim Schwimmen, bei einem prickelnden Schaumbad im Kinderhospiz, am Meer und im Museum, mit dem ersten Lolli und seinen verschiedenen Kuscheltieren. Und um einen lustigen Spruch dazu sind die Briten auch unter solchen Umständen bekanntlich nie verlegen.

Die sozialen Netzwerke sind für die Familie, die mit der Pflege des Kleinen und den regelmäßigen Arztbesuchen mehr als ausgelastet ist, nicht nur eine Möglichkeit, mit Freunden in Kontakt zu bleiben und das eigene Schicksal im Dialog zu teilen und zu verarbeiten. Judith und James Bleakney merken schnell, dass sie darüber auch etwas bewirken können, das über das Leben ihres Sohnes hinausreicht. Sein erster Geburtstag in einem Vereinsheim wird zur Spendengala samt Tombola , zu dem alle Facebook-Freunde eingeladen sind. Für die weitere Erforschung der Krankheit sowie das nordirische Kinderhospiz kommen bei weiteren Jack-Benefizkonzerten und Spendenaufrufen im Netz mehrere Tausend Pfund zusammen. Virtuell versteigert werden große Plüschtiere und ein Autogramm des nordirischen Golfhelden Rory McIlroy. Mutter Judith macht die Ice Bucket Challenge, um die Aufmerksamkeit auf Menkes zu lenken, Vater James läuft bei einem Hindernisrennen für die gute Sache mit – alles fotografiert und dokumentiert.

Jetzt sind sie mit ihrem zweiten Baby Alex allein. „Unser kleiner Jack ist am frühen Abend zum letzten Mal eingeschlafen“, schreiben die Eltern in der Nacht zum Mittwoch auf ihrer Facebook-Seite, „er ist sehr friedlich in unseren Armen gestorben.“ Darunter stehen Fotos eines lachenden Jungen: „Jack Michael Mervyn Bleakney 17. Juni 2012 – 4. November 2014.“ Bei Redaktionsschluss ist der Beitrag mit 3628 „Gefällt mir“-Angaben markiert.