Egal ob Schrift oder Smartphone – schon immer haben neue Techniken Widerstand hervorgerufen. Aber es komme darauf an, den richtigen Umgang mit den Geräten zu lernen, sagt der Informatiker Albrecht Schmidt von der Universität Stuttgart.

Leben: Ricarda Stiller (rst)

Stuttgart - Wer sich heute noch Telefonnummern merke, verschwende seine kognitive Kapazität, dieser Ansicht ist der Stuttgarter Informatikprofessor Albrecht Schmidt, der im Rahmen der VHS-Vortragsreihe „Fragen an die Wissenschaft“ zum Thema Digitale Gesellschaft gesprochen hat. Er ist sich sicher: „Wenn wir Technologie entwickeln, können wir Menschen nicht nicht manipulieren.“ Als Beispiel nennt er die Reihenfolge der Suchergebnisse von Google. Die meisten Menschen würden auf einen der ersten drei Treffer klicken. Weiter als bis zur zehnten Seite klicke kaum jemand.

 

Albrecht Schmidt, der gemeinsam mit Thomas Ertl das Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme an der Uni Stuttgart leitet, wünscht sich eine „einfache, natürliche und angenehme“ Gestaltung von Geräten und Benutzeroberflächen. „Das digitale Zeitalter fängt gerade erst an“, sagt er. Wenn ein neues Zeitalter beginne, dann gehe es anfangs immer sehr schnell. Er spricht von einer kurzen prägenden Phase für die neue Technologie. Im Falle des Internets würde er diese Phase von 1986 bis jetzt ansetzen. Wenn sich die neue Technik etabliert habe, dann dauere es sehr viel länger, bis sich daran wieder etwas ändere.

So erklärt sich auch, dass wir anfangs von etwas begeistert sein können – wie im Falle des Internets – und erst Jahre später beginnen, über die Chancen und Risiken genauer nachzudenken. Spätestens durch den NSA-Skandal oder den Datendiebstählen in großem Stil haben auch die meisten normalen Nutzer der Technik angefangen, sich Gedanken zu machen.

In den Schulen Handys zu verbieten, sei der falsche Weg

Natürlich gibt es immer Pessimisten, wenn etwas Neues die breite Masse erreicht. So sah schon der griechische Philosoph Sokrates Lesen und Schreiben sehr kritisch, weil es unser Denken verändern würde, sagt Albrecht Schmidt in seinem gut besuchten Vortrag. Dies wissen wir allerdings nur, weil Sokrates’ Schüler es für die Nachwelt aufgeschrieben haben. Schmidt selbst dachte zum Beispiel im Jahr 1998, als er in einem Projekt Sensoren in Mobiltelefone einbaute, dass niemand ein Handy bräuchte. Ein paar Jahre später schon konnte er sich nicht mehr vorstellen, ohne Handy auszukommen. Seit dem Jahr 2007 habe ungefähr jeder ein Handy, sagt Schmidt. So schnell könne sich etwas durchsetzen.

Der Professor für Mensch-Computer-Interaktion bemerkt dazu: „Es gab keine gesellschaftliche Diskussion darüber, ob man ein Handy braucht.“ Wer sich noch an das Jahr 2000 erinnert, weiß, dass es die Mobilfunkgesellschaften waren, die den Bedarf beim Verbraucher angeheizt haben. Ein Siemens-Handy gab es für ein paar Pfennig, den Zweijahresvertrag einigermaßen günstig dazu. Zwar kostete eine SMS damals deutlich mehr, aber man schrieb ja auch nur wenige Kurznachrichten. Zehn Jahre später fragt niemand mehr danach, ob man ein Handy wirklich braucht.

Der Preis, den wir für die permanente Erreichbarkeit bezahlen, ist mitunter hoch. Die Diskussion darüber hat erst spät eingesetzt. Nach Ansicht von Albrecht Schmidt ist es mit neuer Technologie stets so, dass man alte Dinge und Gewohnheiten verliere, während man dafür neue hinzugewinne. Da gebe es in der Regel kein besser oder schlechte. Was aber fehle, sei das Erlernen des richtigen Umgangs mit neuer Technik. Da müsse man sich die Frage stellen, ob unser Bildungssystem noch adäquat sei. Smartphones in der Schule einfach zu verbieten, sei keine Lösung. Man brauche Medienpädagogen, die sich dazu Gedanken machen. Schmidt sagt, wir bräuchten mehr Bildung in diesem Bereich.