3500 Teilnehmer haben laut Polizei am Samstag versucht, eine Menschenkette von Heilbronn nach Bietigheim-Bissingen zu bilden. Das war nicht genug für die 30 Kilometer. Und die Aktion stieß von der CDU bis zu Passanten sogar teilweise auf Ablehnung.

Lauffen - Samstag, 14 Uhr, in Lauffen am Neckar. Einige hundert Menschen haben sich an der Uferstraße aufgereiht. Es sind Junge mit Kindern und Alte, in Shorts, Shirt und mit Sonnenhut. Hier hat sich auch die Juso-Landesgruppe mit einer Fahne positioniert. „Wir haben 50 Leute aus ganz Baden-Württemberg auf die Beine gebracht“, berichtet stolz der Juso-Landesvorsitzende und Lauffener Stadtrat Markus Herrera Torrez. Die Neckarstadt war neben Ingersheim und Besigheim die einzige an der Strecke gelegene Kommune, die für die „Menschenkette gegen rechts“ geworben hatte. „Wir haben verwaltungsintern beschlossen, dass wir als unseren Beitrag die Bevölkerung informieren“, sagt Bürgermeister Klaus-Peter Waldenberger (parteilos).

 

Als die Kirchenglocke schlägt, versuchen sich die Teilnehmenden die Hände zu reichen. Lücken überbrücken sie mit Bändern, Schlüsselbunden, Handtaschen. Passanten werden motiviert mitzumachen. „Hey, hier brauchen wir noch Leute“, ruft eine Frau. Der Mann fragt zurück: „Wie lange dauert’s?“ Für zehn Minuten ist er bereit, sich einzureihen und bekommt spontan Applaus. Als ein Ordner auf dem Motorrad hupend vorbeifährt, bricht Jubel aus. „Wir haben es geschafft“, ruft einer. Er blickt lieber nicht hinter die Straßenbiegung, an der die Kette abgebrochen ist. Denn hier steht keiner. Zwei Passantinnen reagieren verärgert: „Lauter Grüne, lauter Vollidioten“, schimpft eine.

„Lauter Grüne, lauter Vollidioten“

Die Grünen und die SPD hatten gemeinsam mit vielen Organisationen wie Kirchen, Gewerkschaften, der Türkischen Gemeinde Baden-Württemberg oder dem Stadtjugendring Stuttgart zu der Aktion aufgerufen. Auch die Liberalen war dabei, der stellvertretende Ludwigsburger Kreisvorsitzende Kai Buschmann hatte sich ausdrücklich für eine Teilnahme ausgesprochen. Die CDU hingegen witterte hinter der „Menschenkette gegen rechts“ ein wahltaktisches Manöver von Grün-Rot – und verweigerte die Teilnahme.

Der Bundestagsabgeordnete von Neckar-Zaber, Eberhard Gienger, stattete währenddessen einem Projekt der THW- und Feuerwehr-Jugend in Bietigheim-Bissingen einen Besuch ab. Auf Nachfrage bleibt er bei seiner ablehnenden Haltung: „Procedere und Diktion haben mir nicht gefallen: ,gegen rechts’ statt gegen Rechtsextremismus.“ Für Jörg Titze, den Vorsitzenden vom Stadtjugendring Stuttgart, ist das nicht nachvollziehbar. „Gegen Faschismus muss man doch gemeinsam antreten“, sagt er, „das vehemente Ablehnen der CDU verstehe ich bis heute nicht.“

Nicht Wahlkampf, sondern Geschichtsstunde

Die Menschenkette sollte nach den Vorstellungen des Initiators Thorsten Majer, SDP-Bundestagskandidat für Neckar-Zaber, die historischen Nazi-Gräuel mit den jüngsten Verbrechen der Neonazis in Verbindung setzen. Daher nahm sie auf der Theresienwiese in Heilbronn ihren Ausgang, wo die Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 mutmaßlich von Mitgliedern der Terrorgruppe NSU erschossen wurde. Rund 30 Kilometer sollte das Menschenband entlang der Straßen, durch Weinberge und Obstgärten bis nach Bietigheim-Bissingen reichen, wo 1942 bis 1945 ein Durchgangslager für Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge existierte.

Bereits zur Mittagszeit, als die ersten Posten ihre Positionen bezogen hatten, war entlang der Strecke wenig Begeisterung aufgekommen. Am Bahnhof in Bietigheim etwa versuchte die achtköpfige Musikgruppe „Lokomotive Stuttgart“ Stimmung zu machen. „Wir sind die Widerstandsband“, sagte Grit Berenz grinsend und zog trommelnd Richtung Enzufer. Derweil saß Robert Fleischmann von den Linken bei Walheim schwitzend unter einem Schirm mit der Aufschrift „WASG“ und ließ sich von einigen Helfern Bericht erstatten. „Wenn ein Bus kommt, muss der hier parken und dort sollen sich die Leute aufstellen“, lautete die Parole. Zwei Stunden später war klar: Es sind zu wenig Busse und zu wenig Leute gekommen, um die „Menschenkette gegen rechts“ zu schließen. Die Polizei hat 3500 Teilnehmer gezählt.