Doppelsieg verschenkt: Nach der Karambolage zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg beim Großen Preis von Spanien kämpft Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff darum, die Wogen schnell zu glätten – und zwar mit einem Lächeln.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Barcelona - Toto Wolff lacht. Dabei gibt es nicht mal einen klitzekleinen Grund für gute Laune. Vor etwa zweieinhalb Stunden haben seine Angestellten Nico Rosberg und Lewis Hamilton auf dem Circuit de Catalunya einen ziemlich wahrscheinlichen Doppelsieg beim Grand Prix von Spanien in reichlich Kohlefaser-Schrott verwandelt. Und das ausgerechnet vor den Augen von Daimler-Chef Dieter Zetsche sowie Entwicklungs-Vorstand Thomas Weber. Da haben die Rennfahrer Rosberg und Hamilton schon weit bessere Arbeitsproben abgeliefert.

 

Trotzdem findet sich oft ein Lächeln auf den Lippen von Toto Wolff, als er eine Stunde, nachdem Sieger Max Verstappen gekürt worden ist, vor den Reportern Rede und Antwort steht, um den erneut aufflammenden Krieg der Sterne in Worte zu fassen. Ob er sich darüber geärgert habe, dass Hamilton das Lenkrad wütend aus dem Auto ins Kiesbett geschleudert habe, will einer wissen. „Ach, wissen Sie“, sagt der Mercedes-Motorsportchef, „ich habe in dem Moment meine Kopfhörer zerbrochen. Ich kann ihn verstehen.“ Die Runde lacht über die erfrischende Prise Selbstironie. Mit seiner offenen Art nimmt Crash-Aufklärer Wolff dem Desaster die Dimension, ohne es ins Lächerlich zu ziehen – Mercedes betreibt Krisenmanagement mit Humor. Anders als in Spa 2014, als nach einer ähnlichen Karambolage der beiden Duellanten so ziemlich alle von Mercedes über Sündenbock Nico Rosberg hergefallen waren. Eineinhalb Jahre später begeht die Führungsriege des Rennstalles diesen Kommunikationspatzer nicht mehr.

Toto Wolff schiebt keinem Fahrer die Alleinschuld zu

Eine gute Viertelstunden nachdem Hamilton nach einem Überholversuch im Gras(!) Rosberg mit ins Kiesbett genommen hatte, mussten die Piloten zum Rapport in den Teamtruck hinter der Box. Und zwar ohne vorher mit jemandem zu reden. Im Innern saßen Wolff, Technikchef Paddy Lowe und Team-Aufseher Niki Lauda. Die Fahrer wurden getrennt gehört, dann wurde ihnen die Regelung mitgegeben, was sie sagen durften und vor allem, was nicht. So funktioniert Krisenmanagement in internationalen Konzernen. Dass Lauda zuvor als TV-Experte bereits Hamilton verbal ans Kreuz genagelt hatte mit den Worten „der Lewis hätte das nie probieren dürfen“, ist geschenkt – schließlich ist hinlänglich bekannt, dass der Österreicher seine Sicht der Dinge ungefragt und unabgestimmt verbreitet. Darauf von einem Reporter angesprochen, meint Wolff süffisant: „Nun, wir haben in der Tat einige Leute im Team mit reichlich Rennerfahrung.“ Es darf wieder geschmunzelt werden.

Dann verkündet der Mercedes-Manager, wie sich die Situation aus Sicht des Rennstalls darstellt. Hamilton habe eine Lücke gesehen, Rosberg sei kurz langsamer geworden, weil er einen Schalter am Lenkrad des Motoren-Settings nicht umgelegt hatte. Hamilton habe seine Chance gesucht, Rosberg als Führender die Tür zugemacht. „Man kann keinem die Schuld zu 100 Prozent geben“, betont Wolff, „es waren Entscheidungen, die in Sekundenbruchteilen passieren.“ Und es sei aus Rennfahrer-Sicht völlig verständlich, so zu reagieren. Dann fragt einer, ob der Champion, da er den Start verloren hatte, mit viel Wut im Bauch an Rosberg wieder vorbei wollte. „Ich bin nicht Doktor Freud“, spielt Wolff auf den Psychoanalytiker an, der wie er in Wien aufgewachsen ist, und wird dann rational: „Lewis’ Manöver war fair, aber das Ergebnis schlecht. Und man kann Nico nicht vorwerfen, dass er die Tür zugemacht hat.“ Ein Rennunfall eben, so sehen es auch die Kommissare, die keine Strafen verhängen. Auch die Silberpfeil-Fahrer haben ihre Lektion gelernt und ballen die Fäuste nur in der Hosentasche. „Es ist das schlimmste Gefühl, das man als Fahrer durchmachen kann“, sagt Rosberg, und Hamilton meint: „Es tut mit leid fürs Team.“

Beide Mercedes-Piloten haben weiter freie Fahrt

Und nun? Folgt der Horrorfilm „Hamilton gegen Rosberg reloaded“? „Nein“, versichert Toto Wolff, „beide wissen, worum es geht. Der Vorfall wird keine negativen Auswirkungs fürs Team haben.“ Der Motorsportchef dürfte seine beiden Streithähne eingenordet haben, sicher hat auch Lauda klare Worte dazu beigetragen. Beide haben weiterhin freie Fahrt, keiner wird eingebremst – beim Großen Preis von Monaco in knapp zwei Wochen wird man das Ergebnis sehen. „Wir sehen dies als Herausforderung, um zu beweisen, dass wir alle ein Team sind“, sagt Wolff und schmunzelt. Und viele Zuhörer vor ihm schmunzeln ebenfalls.