Wer trotz Nischendasein im Welttennis erfolgreich sein will, muss sich einiges einfallen lassen. Bestes Beispiel: Der Mercedes-Cup auf dem Stuttgarter Weissenhof.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Ein bisschen pfiffig-digitale Innovationskunst aus Österreich kann auch dem Tennis nicht schaden kann. Das hat sich Michael Ksela, der Chef der Grazer IT-Agentur „Scoop und Spoon“ gedacht – und sich einmal ausführlich dem weißen Sport gewidmet. Herausgekommen ist die „Mercedescup App“, mit dem das Tennis im Internet neue Freunde gewinnen soll. Also trägt jetzt auf dem Centre-Court des Weissenhof stets einer der Balljungen eine kleine Videokamera vor der Brust. Am Schiedsrichterstuhl ist eine weitere Linse installiert, deren 360-Grad-Blick fast nichts entgeht. Denn Fernsehen ist gut – der Livestream, die Filmchen, Fakten und Daten via Tennis-App sollen nun aber neue Horizonte eröffnen.

 

Wenn es darum geht, den Sport optimal zu vermarkten, dann macht der Association of Tennis Professionals (ATP), der Spielerorganisation der Männer mit ihrem internationalen Tennis-Circuit ohnehin keiner etwas vor. „Große, finanzkräftige Ligen wie die NBA im Basketball oder die NFL im American Football küren einen Weltmeister, obwohl sie nur auf einem Kontinent agieren“, sagt Martin Dagahs, von der PR und Marketing-Abteilung der ATP: „Wir dagegen sind global erfolgreich.“

Um im Big Business Männertennis mit seinen 135 Millionen US-Dollar an Preisgeld in 2018 (ohne die vier Grand Slams) weiter mitzumischen, hat man sich in Stuttgart trotz 100-jähriger Tradition etwas einfallen lassen müssen. Seit 2015 besetzt man auf dem Weissenhof daher die Rasen-Nische – ist neben den Events in s‘Hertogenbosch, Halle, Queens und Nottingham eines von aktuell nur fünf Vorbereitungsturnieren auf Wimbledon. „Der Schritt auf Rasen war notwendig - und hat sich ausgezahlt“, sagt der Weissenhof-Turnierdirektor Edwin Weindorfer, der sich stets neu behaupten muss. So öffnet etwa 2017 ein Rasenturnier im türkischen Antalya seine Pforten.

Von der Tradition her auf Rang acht

„Dieses prestigeträchtige Turnier steht vor einer glänzenden Zukunft“, sagt der ATP-Chef Chris Kermode. Denn beim Dachverband, dessen Europa-Zentrale in der Steuer-Oase Monaco zu finden ist, weiß man, was man an den Stuttgartern hat. Immerhin belegt der Weissenhof in der Liste der traditionsreichsten Turniere hinter den drei Grands Slams von Paris, Wimbledon und New York oder Klassikern wie Monte Carlo und Hamburg, aber noch vor den Australian Open weltweit Platz acht.

Zudem weiß man auf dem Killesberg neben viel Innovationskraft und dem Mut, von Rot (Sand) auf Grün (Rasen) umzustellen, auch einen zuverlässigen Partner an seiner Seite: So läuft der aktuelle Vertrag mit der Daimler AG noch bis 2019, obwohl man bei den Autobauern aus Untertürkheim in Sachen Sportsponsoring sonst nur die allererste Reihe besetzt. So agieren etwa die deutschen Fußball-Weltmeister oder der Formel-1-Champion Lewis Hamilton mit dem Stern auf der Brust.

Auf der alljährlich auf 47 von 52 Wochen durchgetakteten Tennis-Tour nimmt der Weissenhof formal eine Nebenrolle ein. Schließlich gehört der Klassiker vom Killesberg als 250er-Turnier (der Gewinner erhält 250 Weltranglistenpunkte), nach den Grand Slams (2000 Punkte für den Sieger), der Masters-1000er-Serie und den 500er-Turnieren zur kleinsten Kategorie. Und das, obwohl allein der Sieger neben den 107.900 Euro an Preisgeld noch einen Mercedes SL 500 mitnimmt. Diese Exraprämie, das spezielle Flair der Anlage auf dem Weissenhof sowie die Bereitschaft der Organisatoren, Topstars wie Rafael Nadal und Roger Federer für sechststellige Antrittsgagen nach Stuttgart zu locken, machen den Mercedescup weiter zu einem besonderen Event. Mehr als 53.000 Besucher bedeuteten für die Macher von der Agentur „Emotion“ im Vorjahr einen neuen Rekord. Die mediale Aufmerksamkeit erhöhte sich um das Siebenfache. Allein das Finale 2016 wird in 100 Ländern zu sehen sein – doch der Chef Weindorfer verspricht: „Wir wollen über die nächsten Jahren sämtliche Topstars in Stuttgart präsentieren.“

1898 wurde das erste Internationale Weissenhofturnier ausgerichtet. Dr. Gert Brandner, Vorsitzender des Tennisclub Weissenhof, blickt mit stolz auf das traditionsreiche Stuttgarter Sportereignis zurück.