Die Messe Automatica zeigt: Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine wird immer wichtiger. Die Zukunft gehört dem Cobot, dem kollegialen Roboter.

Stuttgart - Es ist wirklich perfektes Ballett, was die beiden kleinen Roboter da aufführen: Wunderbar synchron bewegen sie ihre Körper, tanzen rhythmisch, und am Schluss gibt es sogar ein Küsschen – zumindest sieht es so aus, wenn die Armspitzen der Maschinen aufeinandertreffen. Andererseits dürfen auf der Münchner Messe Automatica, bei der sich alles um Roboter und Automatisierung dreht, auch die Kraftprotze nicht fehlen: Mit ihrem mächtigen Arm können sie spielerisch Autos durch die Luft bewegen. Und auch hier klappt die Zusammenarbeit zwischen zwei solcher Robotergiganten einwandfrei. Die bisher größte Automatica zeigt deutlich, dass die Geschäftsfelder Robotik und Automation auch in Deutschland boomen: Für das vergangene Jahr meldet der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) mit 12,5 Milliarden Euro einen neuen Umsatzrekord.

 

Wie auch in früheren Jahren ist auf der weltweiten Leistungsschau der Automatisierungstechniker die Palette an Maschinen groß, die dem Menschen in allen möglichen Formen zur Hand gehen und ihm Arbeit abnehmen – meist eintönige oder schwere Tätigkeiten. Dabei werden die Maschinen immer schneller: Deutlich mehr als hundert Mal in der Minute kann so ein Roboter einen Gegenstand aufnehmen, ein (kurzes) Stück weit transportieren und an anderer Stelle wieder absetzen. Auch die Einsatzmöglichkeiten werden immer größer. Gerade hier ist auf der diesjährigen Messe ein Trend nicht zu übersehen, der sich schon seit einiger Zeit abzeichnet: Die Roboter kommen aus ihren Schutzkäfigen heraus und werden zum Kollegen des arbeitenden Menschen – also zum Cobot.

Die Maschinen werden immer preisgünstiger

Und die Maschinen werden immer preisgünstiger: So kostet zum Beispiel die Grundversion des Roboterarms „Sawyer“ des US-Unternehmens Rethink Robotics, der im Februar auf den europäischen Markt gekommen ist, keine 30 000 Euro. Passend zur Fußball-Europameisterschaft wurde auf der Messe vorgeführt, wie man den Roboter recht einfach in neue Tätigkeiten einarbeiten kann: Man bewegt den Arm genau dorthin, wo er einen kleinen Fußball aufnehmen muss – und führt ihn dann an die Ablagestelle weiter. Für ihre Tätigkeit benötigt die transportable Maschine eine Orientierungsmarke, die auf ihrem fahrbaren Untersatz aufgebracht ist.

Was man außer Fußbälle transportieren damit noch alles machen kann? Mit dem kleinen Roboter lässt sich zum Beispiel eine Maschine mit Werkstücken „füttern“ – wobei der Betreuer des Demonstrationsroboters umgehend versichert, dass deshalb keine Arbeitsplätze wegfallen müssen. Das aber ist offenbar die große Sorge vieler Menschen, denen sowohl die Herstellerfirmen als auch der Branchenverband VDMA vehement begegnen will – unter anderem mit dem Argument, dass die Beschäftigung trotz Automatisierung wachse und mithin kein Handlungsbedarf bestehe.

Maschinenbauer versprechen weniger Fehler und weniger Stress

So verwundert es nicht, dass Patrick Schwarzkopf, der VDMA-Geschäftsführer für Robotik und Automation, in München kräftig für „Kollege Roboter“ warb. Die „intelligente Kombination aus Mensch und Maschine“ würde die Industrie, aber auch die Menschen erheblich weiterbringen – bei Qualität, Zuverlässigkeit und Produktivität. So assistiert die Maschine bei der Mensch-Roboter-Kollaboration – kurz MRK – dem Menschen direkt, indem sie ihm zum Beispiel Werkstücke reicht. Oder schwere Teile festhält, während der Mensch diese einbaut. Tüftelige Arbeiten – etwa eine Dichtung in einen Rahmen fummeln – kann der Mensch erledigen, während der Roboter diese dann mit dem erforderlichen Druck in den Rahmen presst. Außerdem lässt sich Kollege Roboter als Mitdenker nutzen, wobei man auch Aufpasser sagen könnte: Wenn er dank seiner Videokameras und ausgeklügelter Bildverarbeitung Fehler im Produktionsprozess erkennt und diese seinem menschlichen Arbeitskollegen mitteilt. Die Betroffenen fänden das gut, weil es weniger Fehler gebe und sie damit weniger Stress bei der Arbeit hätten, berichtet der VDMA und beruft sich auf eine eigene Umfrage zu diesem Thema.

Cobots und Assistenzsysteme würden den Menschen zu höherwertigeren Aufgaben befähigen, meint Schwarzkopf – und zählt die typisch menschlichen Begabungen auf, die dank der künftig immer enger werdenden Zusammenarbeit mit der Maschine aufgewertet werden: „Feingefühl, Anpassungsfähigkeit, Urteilsvermögen, Kreativität, Problemlösungskompetenz“ – allerdings alles Dinge, die findige Programmierer zunehmend auch Computern und Robotern beibringen möchten.

Wenn Kollege Roboter die Augenbraue hebt

So hat der Roboterarm Sawyer auch einen Bildschirm, auf dem zwei stilisierte Augen abgebildet sind. „Ärgerlich dürfen die aber nie schauen“, meint Chris Harbert, der für den weltweiten Verkauf zuständige Direktor bei Rethink Robotics. Als nützlich für den Kollegen Mensch habe sich erwiesen, wenn die Roboteraugen dorthin schauen, wo sich der Arm hinbewegt. Und eine Augenbraue heben, also skeptisch schauen soll der Cobot auch – damit der betreuende Mensch weiß, dass die Maschine ein Problem hat oder etwas nicht stimmt. Auch Harbert betont, dass diese Roboter nicht den gesamten Produktionsprozess übernehmen sollen, weil der Mensch vieles besser könne. Und: „Es ist nicht der Roboter, der die Entscheidungen trifft, sondern der Mensch“.

Die technischen Voraussetzungen für einen breiten Einsatz der Serviceroboter sind inzwischen gegeben, das wurde auf der diesjährigen Automatica immer wieder deutlich. Erheblich dazu beigetragen hat die Entwicklung von Sensoren und Programmen zur Bildverarbeitung, die ein enges und vor allem gefahrloses Zusammenleben von Mensch und Maschine ermöglichen. Inzwischen sind auch die Sicherheitsnormen „weltweit harmonisiert und up-to-date“, wie es VDMA-Geschäftsführer Schwarzkopf formuliert.

Nun liegt es an der Kreativität vor allem auch kleiner und mittlerer Unternehmen, die neuen technischen Möglichkeiten auch zu nutzen. Zudem könnten die Cobots künftig auch im häuslichen Bereich und hier insbesondere in der Pflege eingesetzt werden – vorausgesetzt, die pflegebedürftigen Menschen lassen sich auch von der Maschine (mit)betreuen. Solche Fragen wie auch die Sorge um wegfallende Arbeitsplätze rücken nun, nachdem die technischen Möglichkeiten geschaffen wurden, zunehmend in den Vordergrund – auch auf der Automatica. So steht der VDMA laut Geschäftsführer Schwarzkopf Bestrebungen „kritisch“ gegenüber, ein europaweites Roboterregister einzuführen. Und von der Idee, Sozialabgaben auf Roboter einzuführen, hält der VDMA schon gar nichts.

Fachmesse für Automatisierung und Mechatronik

Messe
Alle zwei Jahre findet in München die Automatica statt – in diesem Jahr zum siebten Mal. Sie gilt als weltweit größte Fachmesse für Robotik und Automation. Mit 839 Ausstellern – 16 Prozent mehr als 2014 – wurde nun ein neuer Rekord erreicht. 47 Nationen sind vertreten, wobei insbesondere die Chinesen ihre Präsenz seit 2014 deutlich erhöht haben. China war 2015 mit einem Anteil von elf Prozent für die deutsche Robotik- und Automationsbranche der größte ausländische Einzelmarkt. Am wichtigsten ist mit 45 Prozent der deutsche Binnenmarkt, gefolgt vom restlichen Europa mit 24 Prozent.

Boom
Zwischen 2010 und 2015 seien weltweit 1,1 Millionen Industrieroboter installiert worden, berichtete der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) auf der Messe. Für 2018 wird prognostiziert, dass 2,3 Millionen Industrieroboter in den Fabriken arbeiten werden. Deutschland habe dabei nach Korea und Japan weltweit die dritthöchste Dichte an Robotern. Vor allem die Autobauer setzen auf Roboter: Hier sei der Bestand zwischen 2010 und 2015 um 17 Prozent gewachsen, die Zahl der Beschäftigten um 13 Prozent.

Cobots
Einer anlässlich der Automatica vorgestellten Umfrage unter 100 Industrie-Entscheidern zufolge sind die kollaborativen Roboter, also eng mit Menschen zusammen arbeitende Roboter, auf dem Vormarsch. Dabei glauben 89 Prozent der Befragten, dass sich diese Cobots flexibler als klassische Industrieroboter einsetzen lassen.