Ein gutes Gewissen kann man nicht kaufen. Kaufen mit gutem Gewissen geht aber – wie, das zeigt die Messe Fair Handeln. Unter den Ausstellern sind auch einige Stuttgarter Projekte.

Stuttgart - Wer beim Einkauf ein gutes Gewissen haben will, muss viel Geld ausgeben, sich von Schokolade, Bananen und Kaffee ernähren und Kleidung tragen, die weder Form noch Farbe hat. Dass dieses Vorurteil längst überholt ist, zeigt die Messe „Fair Handeln“, die bis Sonntag in Halle 3 der Messe Stuttgart zu sehen ist. Besucher entdecken an den Ständen eine große Produktvielfalt. Von der Hängematte über Spielzeug bis hin zu Unterwäsche gibt es fast alles.

 

Unter den Ausstellern sind auch einige Stuttgarter Unternehmen und Projekte. Sie bieten vor allem Produkte für das tägliche Leben an wie Lebensmittel oder Kleidung. Ein Stuttgarter Stand präsentiert aber auch etwas für die Freizeit: Aventerra ist ein Reiseunternehmen für nachhaltiges Reisen. Das Unternehmen ist mit dem „TourCert“-Siegel ausgezeichnet. Diese Zertifizierung erhalten Reiseunternehmen, die Verantwortung für die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Gesellschaft übernehmen. Das bedeutet zum Beispiel, dass das Reiseunternehmen darauf achtet, dass den einheimischen Mitarbeitern in den Reiseländern faire Löhne gezahlt werden. Aventerra bietet Reisen in acht afrikanische Länder wie zum Beispiel Marokko, Namibia oder Südafrika an. Wer mit gutem Gewissen reisen will, muss aber recht tief in die Tasche greifen. Viele Angebote kosten über 3000 Euro.

Mit den besten Absichten

Wer lieber klein anfangen möchte, kann zum Beispiel auf die Suche nach neuen Kleider gehen. Neben zahlreichen weiteren Ständen zeigen bei der Fair Handeln die drei Stuttgarter Projekte Young-Fashion-Fair, Ecocarrots und Kipepeo Clothing ihr Angebot.

Die Auswahl sieht bei allen ähnlich aus. „Young-Fashion-Fair“ und „Ecocarrots“ verkaufen T-Shirts mit selbstentworfenen Aufdrucken. Produziert werden die T-Shirts von Unternehmen, die Kleidung aus fair gehandelter Baumwolle herstellen. Die Shirts sind mit dem GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard) ausgezeichnet. Dafür müssen die Produzenten bestimmte Kriterien erfüllen. Sie müssen bei der Herstellung zum Beispiel sichere und hygienische Arbeitsbedingungen garantieren. Das GOTS-Siegel steht auch für umweltfreundliche Herstellung. Ein zertifiziertes Shirt muss zu mindestens 70% aus Bio-Baumwolle hergestellt sein.

Von der aufrichtigen Absicht der Designer und Verkäufer können sich Besucher der Messe selbst überzeugen. Young-Fashion-Fair ist ein Projekt von vier Schülerinnen des Königin-Charlotte-Gymnasiums. „Wir wollen nichts verdienen, sondern die Produktion neuer T-Shirts finanzieren“, sagt Franziska Sauer.

Nora Papajewski hat ihre Rente in Ecocarrots investiert. „Wäre schön wenn die wieder reinkommt“, sagt sie. Ansonsten fließt auch bei Ecocarrots der Gewinn in die Produktion neuer T-Shirts oder als Spenden in soziale Projekte. Genauso ist das auch bei Kipepeo Clothing. Mit dem einzigen Unterschied, dass Martin Kluck, der das Projekt vor sieben Jahren ins Leben rief, die Schule in Tansania, die von den Gewinnen unterstützt wird, selbst kennt. Er war dort Lehrer und kam nach seiner Rückkehr nach Stuttgart auf die Idee, Zeichnungen von Schülern auf T-Shirts und Kapuzenpullis zu drucken und diese zu verkaufen. Für neue Motive fliegt er jedes Jahr nach Tansania.

Fair kaufen in Stuttgart

Alle drei Anbieter vertreiben ihre Klamotten online. Ecocarrots hat zusätzlich einen Vor-Ort-Verkauf jeden Samstag von 10 bis 13 Uhr in der Burgenlandstraße 102A in Stuttgart-Feuerbach. Ein fair gehandeltes T-Shirt kostet bei Kipepeo und Ecocarrots zwischen 20 und 45 Euro. Das T-Shirt für Jugendliche von Young-Fashion-Fair kostet 16 Euro.

Auf der Suche nach raffinierteren oder eleganteren Schnitten werden Messebesucher am Stand der Stuttgarter Weltläden fündig. Dort gibt es unter anderem die Kleider der Marke „Göttin des Glücks“. Ein T-Shirt kostet hier allerdings schon mal 75 Euro. Außerdem gibt es hier Hosen, Röcke, Jacken und andere Kleidungsstücke – und noch mehr als nur Kleidung: Der Messestand der Weltläden ist fast schon eine kleine Messe für sich.

Besonders groß ist die Auswahl an Lebensmitteln. Hier ist allerdings Vorsicht geboten. Bei Mischprodukten muss der Anteil an fair gehandelten Zutaten oft nur 20% betragen, um das Fairtrade-Siegel zu erhalten warnt die Verbraucherzentrale. Der Anteil muss aber auf der Verpackung angegeben werden. Außerdem müssen alle verfügbaren fair gehandelten Zutaten verwendet werden. Außerhalb der Messe gibt es in Stuttgart sieben Weltläden zum Beispiel in der Innenstadt am Charlottenplatz 17.

Rahmenprogramm sorgt für „Fair-ständnis“

Die Frage, ob wirklich fair drin ist, wo fair drauf steht, ist am Samstag Thema eines der verschiedenen Vorträge im Rahmenprogramm der Fair Handeln. Auf der Vortragsbühne findet am Samstagabend außerdem ein Konzert verschiedener Bands statt, die afrikanische Musik spielen. Am Sonntagmittag erörtert Daniel Davis vom Verein Mehr Demokratie, ob TTIP und andere Freihandelsabkommen eine Gefahr für die Demokratie sind. Um Fragen rund um das Thema Fair Trade und Entwicklungshilfe zu beantworten, haben in der Messehalle auch zahlreiche Institute und Verbände ihre Stände aufgebaut.

Die Fair Handeln ist eine der sieben Frühjahrsmessen, die bis Sonntag auf dem Gelände der Messe Stuttgart stattfinden. In den umliegenden Hallen finden beispielsweise die Slow Food Messe Markt des Guten Geschmacks oder die Ausstellung für intelligente Mobilität i-Mobility statt. Eintrittskarten gelten für alle sieben Messen. Eine Tageskarte kostet 13 Euro. Die Fair Handeln hat am Samstag und Sonntag jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet.