Die Kamera-Hersteller bedienen Profis und Hobby-Fotografen mit Spitzentechnologie. Auf der Messe Photokina in Köln kann man die neuen Trends ausprobieren. Doch die beste Technik ersetzt nicht das gute Motiv.

Köln - Der Kontrast könnte größer nicht sein: eine angesichts des Todes ihres Kindes völlig verzweifelte Mutter, ein Jugendlicher im Kettenkarussell mit einer Waffe in der Hand, aber auch fröhlich Fußball spielende Jungen. Fotografiert hat diese Bilder Anja Niedringhaus in Afghanistan – in dem Land, in dem die weltbekannte Fotografin im vergangenen April bei einer Polizeikontrolle erschossen wurde. Ihre Bilder sind in einer Ausstellung auf der Photokina genauso zu sehen wie die bewegenden Fotos des kanadischen Rockmusikers und Fotografen Bryan Adams, der vernarbte und verstümmelte britische Veteranen aus dem Irakkrieg porträtiert hat.

 

Die Ausstellung in der Leica-Galerie in Halle 1 erinnert zusammen mit unzähligen weiteren Bildern daran, wofür die alle zwei Jahre in Köln stattfindende Photokina vor allem steht: für großartige Fotografie. Und da kommen natürlich auch die Natur- und Tierfotofans voll auf ihre Kosten. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Da beschäftigt sich ein neugieriger Biber mit einem Laptop – ein toller Schnappschuss; oder eine spezielle Beleuchtungstechnik bringt auf faszinierende Weise die Farben von Schmetterlingen zum Leuchten. Und dann ist da noch der mit mehr als 40 000 Bildern „größte Photoglobus der Welt“, wie die Kölner Messeleitung stolz meldet.

Die auf der Messe präsentierten Bilder zeigen mithin höchst anschaulich, dass nach wie vor der Blick für das Motiv eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein gutes Foto ist. Natürlich sind aber auch die technischen Möglichkeiten nicht zu unterschätzen. Und da haben es heute nicht nur Berufsfotografen, sondern auch ambitionierte Laien sowie reine Hobbyknipser einfacher denn je. Ein Beispiel sind die neuen Superzooms der Kompaktkameras. Hier wartet die Coolpix 600 von Nikon mit einem beeindruckenden 60-fachen Zoom auf, das einer Kleinbildbrennweite von knapp 1500 Millimetern entspricht. Zum Vergleich: gute Zooms für Spiegelreflexkameras reichen bis etwa 300 Millimeter Brennweite.

Der beste Bildstabilisator ist ein Stativ

In der Praxis ist es allerdings schwierig, bei einer Tiersafari mit einem solch enorm starken Tele auch verwacklungsfreie Bilder hinzubekommen. Zwar gibt es einen eingebauten Verwacklungsschutz, aber eigentlich ist hier ein Stativ unabdingbar. Das gibt es allerdings auch in leichten Reisedimensionen. Und es erlaubt – zusammen mit dem voll schwenkbaren Monitor – auch die nach wie vor beliebten Selfies. Für die braucht man ja heutzutage ohnehin einen entsprechenden Stab als Verlängerung des zu kurzen Armes, damit das Selbstporträt auch angemessen cool wird.

Noch beeindruckendere Selfies bekommt man natürlich mit Hilfe einer Drohne, von denen auch einige auf der Messe herumschweben. Passend dazu gibt es jetzt von Zeiss eine Videobrille, mit der sich die Bilder der Kamera an Bord des Quadrocopters realitätsnah betrachten lassen. Das Flugerlebnis ist beeindruckend – wobei die Brille besonders für Profifotografen und Filmemacher gedacht ist.

Die Videobrille zeigt auch einen weiteren Trend auf: Da die Fotosignale digital sind, lassen sie sich auch mühelos überall dorthin übertragen, wo man sie haben will. Neben WLAN ist hier Wifi ein wichtiges Stichwort – die Abkürzung für Wireless Fidelity, also drahtlose Wiedergabetreue, in Anspielung an die genaue Tonwiedergabe Hifi. Die kabellose Übertragung gehört heute bei immer mehr Fotoapparaten zum Standard. Der digitale Signalversand ermöglicht aber auch sogenannte „lense style cameras“, also Aufsetzkameras, die auf eine Smartphonekamera oder ein optisches Zoom aufgesteckt werden und dann die entsprechenden Bilder auf ein Smartphone oder einen Tablet-Computer schicken. Von dort aus lassen sie sich auch bedienen.

Scharf gestellt wird hinterher

Allerdings dürften es solche Geräte bei den Kunden schwer haben – angesichts der oft bereits beeindruckend guten Smartphonekameras. Denn auch deren Hersteller rüsten ihre Fotochips mit immer mehr Megapixel auf. Da bleibt den etablierten Kameraproduzenten nur, ebenfalls auf Qualität zu setzen. So werden die Chips immer leistungsfähiger, was sich nicht nur an den steigenden Megapixel-Zahlen festmachen lässt. Während der Profikamera-Hersteller Hasselblad bereits mit einem 50 Megapixel-Sensor von Kodak ausgerüstet ist, rühmt sich Samsung mit einem 28-Megapixel-Bildsensor bei der Top-Spiegelreflexkamera NX 1. Höhere Auflösung, schnellere Aufnahmen und geringere Leistungsaufnahme verspricht Samsung – und signalisiert wie auch andere Kamerahersteller, wohin die Reise geht. Beeindruckend ist zudem, bei welch miserablen Lichtverhältnissen Sucher und Kamera noch scharf stellen – allerdings erst nach einer längeren Einstellzeit. Apropos Sucher: sehr angenehm sind Kameras, bei denen das Bild automatisch vom Display auf den Sucher umschaltet, sobald man sich diesem mit dem Auge nähert.

Nicht weniger leistungsfähig sind die spiegellosen Systemkameras mit Wechselobjektiven, die sich inzwischen zu einer echten Konkurrenz zu den Spiegelreflexkameras entwickelt haben. Die Sony Alpha 7 R wartet mit einem 36,4-Megapixel-Chip auf – ähnlich wie die Spiegelreflexkamera Nikon D800 mit ihren 36,3 Megapixeln. Zusammen mit hochwertiger Technik kommen solche Kameras natürlich auf beachtliche Preise von 1700 Euro an aufwärts.

Ähnlich teuer ist ein gänzlich anderes Gerät: die Lichtfeldkamera der kalifornischen Firma Lytro. Damit kann man die aufgenommenen Bilder nachträglich scharf stellen – und zwar auf die gewünschte Ebene. Das Konzept dazu basiert auf Überlegungen, die der französisch-jüdische Physiker und Nobelpreisträger Gabriel Lippmann bereits vor mehr als hundert Jahren angestellt hat. Der Clou: es werden nicht nur die Informationen über Farbe, Lage und Intensität eines Lichtstrahls erfasst, sondern auch die Richtung, aus welcher er kommt. Dank moderner Computer- und Bildsensortechnik lässt sich diese Methode nun für eine Kamera nutzen, die sich zumindest äußerlich nicht allzu sehr von einer Spiegelreflexkamera unterscheidet.

Der Gründer von Lytro, Ren Ng, hat die Kamera Lytro Ilum, aufbauend auf seiner Doktorarbeit an der Universität Stanford, seit 2006 zu einem einsatzfähigen Gerät weiterentwickelt. Mittlerweile verarbeitet der Sensor 40 Millionen Lichtstrahlen – in Anlehnung an die Einheit Megabit ist von 40 Megarays die Rede. Die Informationen, welche die Linse samt nachgeschalteter Mikrolinsen ganz ohne Scharfstellen liefert, können dann vom Betrachter ganz nach Bedarf verwendet werden: Er kann nämlich am fertigen Bild einstellen, in welcher Ebene es scharf sein soll. Die Kamera selbst zeigt bereits bei der Aufnahme mit orangefarbenen und blauen Punkten denjenigen Bereich an, der später scharf ist. Das lässt sich auch für dreidimensionale Bilder nutzen, die sich – allerdings per Brille – auf einem Bildschirm oder Fernseher betrachten lassen. .