Reportage: Robin Szuttor (szu)

Er war nie besonders begeistert davon, Metzger zu werden. „Aber irgendwie dachte ich über gar nichts anderes nach. Der Betrieb war halt da.“ Martin, der jüngere Bruder, ging auf die Verwaltungsschule und ist jetzt Bürgermeister in Großbettlingen. Ulrich, der Erstgeborene, ging beim Vater in die Lehre. „Keine schöne Zeit, alles wurde nach dem Geschäft ausgerichtet.“ Sein Arbeitstag: von fünf Uhr in der Früh, bis der Chef sagte, dass Schluss ist. „Ich büßte meinen Freundeskreis ein. Wenn ich abends um sechs gern ins Hallenbad gegangen wäre, hat er mir halt noch Arbeit hingelegt.“ Trotzdem wurde er bei der Gesellenprüfung Jahrgangsbester im Kreis und Zweiter im ganzen Land. Als Preis durfte er ein Seminar für Benimm und Etikette besuchen. „Für mich war das wie eine Woche Urlaub.“

 

Bald hatte er den Meisterbrief. „Ich war aber nie ein Metzger, der nur Metzger ist. Ich habe mich schon immer für vieles interessiert.“ 1980 übernahm er den Betrieb vom Vater. Er gab den Viehhandel auf, schlachtete nicht mehr selber. Die Nachbarn hatten das Metzgern nebenan schon lange satt. Und die hygienischen Vorschriften waren nicht mehr finanzierbar für eine kleine Fleischerei mitten im Ort.

Er führte Kochrezepte ein: Vorher wurde die Wurst frei Schnauze gemacht, so dass Presssack und Kopfsülze jedes Mal anders schmeckten. Er veränderte die Produkte, schnitt beim Rostbraten die Sehnen weg, ließ ihn länger reifen: „Plötzlich wurde wieder Rostbraten gekauft.“ Mit dem Vater gab es pausenlos Konflikte. Nur ganz spät, als er den alten Mann schon die Treppen rauftragen musste, kamen sie sich etwas näher.

„Nummer drei zum Füllen“

„Nummer drei zum Füllen.“ Einer der Prüflinge in der Berufsschule muss das Ausbeinen unterbrechen und Därme mit Wurstbrei abfüllen. Wer da bei den Knoten schlampert oder zu ungestüm mit dem Material herumfuhrwerkt, hat nachher die ganze Soße im Kessel rumschwimmen. Die Zipfel dürfen nicht zu lang sein, weil so ein Kunstdarm 80 Cent kostet und jede Verschwendung schnell ins Geld geht. Auch ganz schlecht: wenn die Wurst nicht prall genug ist. Dann hat sie nach dem Kochen außen einen Sülzrand und ist innen zu trocken. Aber der junge Mann macht es tadellos: „Des isch a pralle Wurscht“, lobt Fritz.

Was hat er sich an seinen Lehrlingen abgearbeitet. „Was ich schon alles für Schlawiner hatte, das können Sie sich gar nicht vorstellen“, sagt er. Einer kam nur im Betrieb vorbei, wenn er gerade nichts Besseres vorhatte. Alles Zureden half nicht. Also sprach Fritz mit dessen Pflegevater. „Ich mach dem keine Vorschriften“, meinte der, „sonst haut der mir nämlich eine rein. Mich wundert eh, dass das gutgeht, wenn der ständig mit Messern hantiert.“ Fritz bekam den Jungen durch die Ausbildung. Trotzdem nahm es kein gutes Ende mit ihm.

Der junge Fritz schaute ganz genau hin. Er lernte die Bauern kennen: die wendigen, die einfältigen, die vierschrötigen, die gebeugten, die Sprücheklopfer und die Wortklauber, drüben im Wieslauftal, droben im Welzheimer Wald. Wenn eine kranke Sau kurz vor dem Krepieren war, wenn der Vieharzt wieder aus Versehen einer Kuh die Speiseröhre aufgeritzt hatte: Ulrich war bei jeder Notschlachtung dabei. Die Tierhaltung war oft unter aller Sau: „Manchmal mussten wir so ein Schwein aus dem viel zu kleinen Stall raustragen. Das wusste gar nicht, dass es laufen kann“, sagt er. „Und wenn sich ein Tier nicht wohlfühlt, weil es zum Beispiel ständig im Dreck steht, merkt man das ja auch am Fleisch: das ist dann nass, schlierig und fasert aus.“

Der Erstgeborene ging beim Vater in die Lehre

Er war nie besonders begeistert davon, Metzger zu werden. „Aber irgendwie dachte ich über gar nichts anderes nach. Der Betrieb war halt da.“ Martin, der jüngere Bruder, ging auf die Verwaltungsschule und ist jetzt Bürgermeister in Großbettlingen. Ulrich, der Erstgeborene, ging beim Vater in die Lehre. „Keine schöne Zeit, alles wurde nach dem Geschäft ausgerichtet.“ Sein Arbeitstag: von fünf Uhr in der Früh, bis der Chef sagte, dass Schluss ist. „Ich büßte meinen Freundeskreis ein. Wenn ich abends um sechs gern ins Hallenbad gegangen wäre, hat er mir halt noch Arbeit hingelegt.“ Trotzdem wurde er bei der Gesellenprüfung Jahrgangsbester im Kreis und Zweiter im ganzen Land. Als Preis durfte er ein Seminar für Benimm und Etikette besuchen. „Für mich war das wie eine Woche Urlaub.“

Bald hatte er den Meisterbrief. „Ich war aber nie ein Metzger, der nur Metzger ist. Ich habe mich schon immer für vieles interessiert.“ 1980 übernahm er den Betrieb vom Vater. Er gab den Viehhandel auf, schlachtete nicht mehr selber. Die Nachbarn hatten das Metzgern nebenan schon lange satt. Und die hygienischen Vorschriften waren nicht mehr finanzierbar für eine kleine Fleischerei mitten im Ort.

Er führte Kochrezepte ein: Vorher wurde die Wurst frei Schnauze gemacht, so dass Presssack und Kopfsülze jedes Mal anders schmeckten. Er veränderte die Produkte, schnitt beim Rostbraten die Sehnen weg, ließ ihn länger reifen: „Plötzlich wurde wieder Rostbraten gekauft.“ Mit dem Vater gab es pausenlos Konflikte. Nur ganz spät, als er den alten Mann schon die Treppen rauftragen musste, kamen sie sich etwas näher.

„Nummer drei zum Füllen“

„Nummer drei zum Füllen.“ Einer der Prüflinge in der Berufsschule muss das Ausbeinen unterbrechen und Därme mit Wurstbrei abfüllen. Wer da bei den Knoten schlampert oder zu ungestüm mit dem Material herumfuhrwerkt, hat nachher die ganze Soße im Kessel rumschwimmen. Die Zipfel dürfen nicht zu lang sein, weil so ein Kunstdarm 80 Cent kostet und jede Verschwendung schnell ins Geld geht. Auch ganz schlecht: wenn die Wurst nicht prall genug ist. Dann hat sie nach dem Kochen außen einen Sülzrand und ist innen zu trocken. Aber der junge Mann macht es tadellos: „Des isch a pralle Wurscht“, lobt Fritz.

Was hat er sich an seinen Lehrlingen abgearbeitet. „Was ich schon alles für Schlawiner hatte, das können Sie sich gar nicht vorstellen“, sagt er. Einer kam nur im Betrieb vorbei, wenn er gerade nichts Besseres vorhatte. Alles Zureden half nicht. Also sprach Fritz mit dessen Pflegevater. „Ich mach dem keine Vorschriften“, meinte der, „sonst haut der mir nämlich eine rein. Mich wundert eh, dass das gutgeht, wenn der ständig mit Messern hantiert.“ Fritz bekam den Jungen durch die Ausbildung. Trotzdem nahm es kein gutes Ende mit ihm.

Einen tüchtigen Kasachen hatte er auch mal. „Der hat tadellos gearbeitet, aber war ein Oberschlawiner.“ An einem Morgen wurde er aus dem Wurstraum heraus verhaftet. Einen anderen holte die Polizei zum Gerichtstermin, als er gerade eine Sau ausbeinte. Und einmal schrieb ihm eine Mutter: „Seit dem Kindergarten haben wir immer nur Sorgen mit dem Kerle. Jetzt steht er morgens freiwillig auf und geht zur Arbeit. Das ist wie ein Wunder.“

Fritz ist Meister und manchmal auch eine Art Vaterfigur: Er hat eine Engelsgeduld mit seinen Jungs, aber er lässt ihnen auch keine Ruhe. Viele haben für alles eine Ausrede: „Du musst einsehen, dass du einen Fehler gemacht hast und nicht das Messer oder der Heilige Geist schuld waren“, sagt er dann. „Wenn du das einsiehst, stört mich auch der Fehler nicht mehr.“ Spätestens nach sechs Wochen weiß er, ob das was wird. Es hat nicht bei jedem geklappt in den vergangenen 35 Jahren. Dafür gibt er, so scheint es, vor allem sich die Schuld.

Grobschlächtig aber charakterlich einwandfrei

Als Fritz den Betrieb übernahm, gab es 3650 Lehrlinge im Land. Heute sind es 460. Früher kamen vom Welzheimer Wald noch Burschen mit Spaß an der Sache. „Manchmal etwas grobschlächtig, aber charakterlich einwandfrei.“ Heute schlägt man auch da lieber kaufmännische Karrieren ein.

Acht Lehrlinge in einem Jahrgang. So wenig waren es noch nie. Neulich hatten Achtklässler einen Berufsorientierungstag in Backnang. Gleich an der Tür hielten sie sich die Nase zu. „Der Metzgerberuf ist der letzte, den junge Leute lernen wollen, miserabler sieht es nur noch bei den Malern aus“, sagt Fritz. Ein Freund von ihm ist Chefarzt, der schwärmte immer, wie toll der Metzgerberuf sei. „Irgendwann hab ich ihn gefragt, was er sagen würde, wenn seine Tochter Metzgerin werden wollte. Dann war er ruhig.“

Die meisten Lehrlinge wären lieber Mechatroniker oder Rettungssanitäter geworden – was man ihnen beim Arbeitsamt ausredete. „Wenn gar nichts mehr geht, schickt man sie zu uns“, sagt Fritz. „Ich sage dann: Des machsch jetzt einfach. Die brauchen oft einen, der sie etwas anstößt.“ Seiner macht auch Zwischenprüfung. Tobias Vetter, 27, hat schon sechs Ausbildungen geschmissen. Bei Fritz ist er jetzt anderthalb Jahre. Das wird bestimmt was dieses Mal. Er mache den Job gern, sagt Vetter, „ich ess ja auch gern“.

„Da können wir warten bis morgen früh“

„Da können wir warten bis morgen früh.“ Zwei Ausbilder sehen den Lehrlingen beim Arbeiten zu. Fast keiner wird in den vorgegebenen zwei Stunden fertig. Rumänische Akkordausbeiner schaffen es in zehn Minuten – wenn auch nicht so akkurat. Tobias Vetter ist Erster: Die Prüfungskommission nimmt seine Fleischteile in Augenschein, notiert die erreichten Punkte. „Hab ich’s gut geschafft?“ – „Ja, scho recht.“

Ein Metzger könne immer noch unverzagt in die Zukunft blicken, sagt Fritz. Wenn er nicht nur auf Hackfleisch und Aufschnitt setzt, sondern seine Fantasie an Grillsoßen und Salatbüfetts auslässt, Partyservice anbietet, Frühstücksecken einrichtet. Neu Fuß zu fassen ist schwierig: Kreisweit schloss seit dem Jahr 2000 fast die Hälfte aller Betriebe. Viele hatten, weil kein Nachfolger in Sicht war, schon lange aufgehört, in Maschinen zu investieren. Ein neuer Inhaber müsste also von vorne anfangen – was eigentlich nur mit einem Lottogewinn möglich sei, sagt Fritz. „Aber auch ein Filialleiter oder ein Abteilungsleiter im Supermarkt kann selbstständig arbeiten.“

Der Sohn ist jetzt der Chef

Seit dem vergangenem Jahr ist sein Sohn Karsten, 38, der Chef. Der lernte zwar erst Bankkaufmann, hat dann aber noch die Kurve gekriegt. Seine Tochter Jeanette, 34, wusste lange nicht, was sie werden soll, und ist dann auch geblieben. Ulrich Fritz und seine Frau Heidi sind auch noch jeden Tag mit dabei. Nur eine Nierenkrebs-OP vor zwölf Jahren hat ihn mal drei Wochen aus der Bahn geworfen. Danach stand er gleich wieder am Kessel. „So bin ich gar nicht groß ins Nachdenken reingekommen.“

An diesem Morgen hat er schon die Essen für alte Leute ausgefahren. Ein neuer Geschäftszweig. Man muss mit der Zeit gehen, auch an der Fleischtheke: In ist Rinderbrust – gepökelt, gegart, geräuchert, pikant gewürzt und dann ganz fein aufgeschnitten. Out sind Ochsenschwänzle: „Früher ein Hit, heute kannst du sie nicht mal mehr verschenken.“ Genau wie Siedfleisch vom Überzwerch. Presskopf vom Saurüssele ist dagegen wieder im Kommen.