Im Prozess um den Messerangriff von Donzdorf sind die Plädoyers gehalten worden. Ein Psychiater sprach über den Zustand der hinterbliebenen Kinder.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Donzdorf/Ulm - Im Mordprozess gegen einen 37-jährigen Mann, der am 4. April in Donzdorf seine schwangere frühere Lebensgefährtin erstochen haben soll, sind am Dienstag die Plädoyers gehalten worden. Am Ende des fünften Prozesstages forderte der Oberstaatsanwalt Stefan Adamski eine Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes. Zudem beantragte er die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld; damit wäre eine Entlassung aus der Haft nach 15 Jahren, wie das sonst häufig Praxis ist, ausgeschlossen.

 

Die Staatsanwaltschaft sieht die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe als gleichermaßen erfüllt an. Als die 25-jährige frühere Lebensgefährtin des Angeklagten sich am Morgen des 4. April in eine Metzgerei flüchtete, sei ihr durch die Theke „der Weg abgeschnitten“ gewesen, so Adamski. Sie habe „keine Chance“ mehr gehabt, ihrem Angreifer zu entkommen. Der Angeklagte habe sein Messer nur Sekunden, bevor er 21 Mal auf die Frau eingestochen habe, gezogen. Damit habe er verdeckt gehandelt. Der Tat lägen „narzisstische Züge, gepaart mit einem absoluten Besitzstandsdenken“ zugrunde.

Hunderte Drohnachrichten vor der Tat

Dass die Tat geplant war, leitet die Staatsanwaltschaft unter anderem aus den hunderten Drohnachrichten via SMS und Whatsapp her, die exorbitant zunahmen, als der 37-Jährige etwa Mitte März vom neuen Freund seiner Exfreundin sowie von deren Schwangerschaft erfahren habe. „Indem er sie tötete, hat er auch die Abtötung des werdenden Lebens gebilligt“, so Adamski. Er glaube nicht, dass der Angeklagte zur Tatzeit betrunken gewesen und damit in seiner Einsichtsfähigkeit behindert gewesen sei. Während des Prozesses hatte bereits ein vom Gericht bestellter psychiatrischer Gutachter eine verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten am Tattat verneint. Ein „schwarzes Loch“ in der Erinnerung, wie es der 37-Jährige beschrieb, bedeute praktisch immer eine Ausflucht und Abwälzung von Schuld.

Dass der 37-Jährige nach den Messerstichen in einem nahen Supermarkt eine Flasche Schnaps kaufte, sie austrank und sich gegen 9.20 Uhr von Polizeikräften in einer der Metzgerei benachbarten Garage festnehmen ließ, habe zum Plan gehört. Bei dem 37-Jährigen wurde ein Blutalkoholwert von 3,8 Promille festgestellt. In der Verhandlung behauptete er, schon früh morgens betrunken gewesen zu sein und sich an die eigentliche Tat nicht erinnern zu können.

Die Verteidigung plädiert auf Totschlag

Die Verteidigerin Corinna Nagel plädierte auf Totschlag. Dafür seien zwölf Jahre Haft genug. Die Messerstiche seien nicht geplant gewesen. Seine frühere Freundin habe den Angeklagten in den Tagen und Wochen zuvor immer wieder verbal gereizt. Die türkische Herkunft des Mannes und seine Wertbegriffe müssten beim Strafmaß ebenfalls berücksichtigt werden.

Zum Ende der Beweisaufnahme am Mittwoch hatte als letzter Zeuge der Verhandlung noch der Kinder- und Jugendpsychiater Lutz Goldbeck von der Universität Ulm gesprochen. Er ist an der Therapie der hinterbliebenen Söhne im Alter von drei, fünf und acht Jahren beteiligt. Die Kinder haben die Tötung der Mutter durch die Fensterscheibe der Metzgerei mit angesehen. Sie sind aktuell in einer Jugendhilfeeinrichtung in Ellwangen untergebracht.

Den drei hinterbliebenen Söhnen geht es schlecht

Bei dem Dreijährigen, der Sprachdefizite aufweise, seien „deutliche Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung“ diagnostiziert worden. Das äußere sich unter anderem in Schlafstörungen und Angstreaktionen. Die sechs- und achtjährigen Geschwister zeigten ähnliche Symptome, jedoch nicht im „Vollbild“. Der älteste Sohn habe im ersten therapeutischen Gespräch geäußert, er sei froh, dass „der Schrecken des Zusammenlebens in der Familie“ vorbei sei, berichtete Goldbeck. Mit Verschärfungen des psychischen Zustandes der Kinder, zum Beispiel dem Einsetzen von Depressionen, müsse aber jederzeit gerechnet werden. Es seien aus Therapeutensicht „Hochrisikokinder“, die lange fürsorglich begleitet werden müssten. Ein Urteil will das Ulmer Landgericht am 12. Dezember sprechen.