Claus-Dietrich Lahrs verlässt den Modekonzern nach knapp acht Jahren völlig überraschend. Die Hintergründe bleiben im Dunkeln. Schleppende Geschäfte in China und den USA sind eine mögliche Erklärung.

Stuttgart - Der Metzinger Modekonzern Hugo Boss braucht einen neuen Chef. Claus-Dietrich Lahrs wird die Position des Vorstandsvorsitzenden zum Monatsende abgeben und aus dem Unternehmen ausscheiden, wie der Konzern am Donnerstag überraschend mitteilte. In einer knapp gehaltenen Mitteilung heißt es, beide Seiten hätten sich darauf geeinigt, dass Lahrs „am 29. Februar im Rahmen einer einvernehmlichen Regelung auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand der Gesellschaft ausscheidet“. Lahrs ursprünglicher Vertrag wäre noch bis Mitte 2018 gelaufen. Wie kurzfristig die Entscheidung gefallen sein muss, lässt sich daran sehen, dass kein Nachfolger präsentiert wurde. Der Personalausschuss des Aufsichtsrats werde sich unverzüglich mit dieser Frage befassen.

 

Die Nachricht trifft den Konzern in einer schwierigen Phase. Erst am Dienstag hatte Boss für das laufende Geschäftsjahr eine Gewinnwarnung herausgegeben. Erwartet wird ein Rückgang des operativen Ergebnisses im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Als Grund nannte das Unternehmen schleppende Geschäfte in China und den USA. Nun sollen die Lieferungen an US-Großhandelspartner gekürzt werden, um zu vermeiden, dass die Waren in großem Maßstab zu reduzierten Preisen auf den Markt gebracht werden. In China fällt es dem schwäbischen Modekonzern zunehmend schwerer, weiterhin die hohen Preise für seine Kleidung am Markt durchzusetzen. Hier wurde eine Anpassung an das niedrigere Preisniveau in Europa und den USA angekündigt.

Über einen möglichen Streit im Vorstand wird spekuliert

Die neue Strategie wird Lahrs nun nicht mehr wie geplant bei der Bilanzvorlage am 10. März erläutern können. Möglicherweise stammen die Veränderungen bereits nicht mehr aus seiner Feder. Schon länger gibt es Spekulationen über atmosphärische Störungen innerhalb des Konzernvorstandes. Konkret geht es dabei offenbar um die Personen des Vorstandsvorsitzenden Lahrs und des Finanzvorstandes Mark Langer. Ob es nun der Aufsichtsrat war, der Lahrs fallengelassen hat, oder ob der Manager selbst die Reißleine gezogen hat, blieb am Donnerstag offen. Ein Analyst, der ungenannt bleiben will, äußerte gegenüber der Stuttgarter Zeitung die Vermutung, dass es schwerwiegende interne Konflikte gegeben haben muss. Das Unternehmen wollte sich dazu nicht äußern.

Bis auf weiteres sollen die Aufgaben des scheidenden Vorstandschefs von den übrigen Vorstandsmitgliedern wahrgenommen, heißt es in der Mitteilung weiter. Neben dem Markenchef Christoph Auhagen und Finanzchef Langer wird Bernd Hake zum 1. März in den Vorstand aufrücken. Hake ist bereits seit 1997 bei den Metzingern. Derzeit ist der Diplom-Kaufmann, Jahrgang 1967, für die Vertriebsregionen Europa, Mittlerer Osten, Afrika und Indien zuständig. Als ordentliches Vorstandsmitglied soll er die bisherigen Aufgabenbereiche von Lahrs, Vertrieb und eigener Einzelhandel, übernehmen.

Unter Lahrs als Chef ging es fast nur bergauf

Lahrs lies sich am Donnerstag mit den Worten zitieren: „Die vergangenen acht Jahre waren erfolgreiche und spannende Jahre in der einzigartigen Hugo-Boss-Kultur. Die Begeisterung und Leidenschaft, mit der sich alle Mitarbeiter für unser Unternehmen einsetzen, werde ich in eindrucksvoller Erinnerung behalten.“ Bei der Belegschaft gilt der 52-jährige Westfale als beliebt. Vor seinem Wechsel von Dior zu Boss im Sommer 2008 erlebte der Modekonzern eine schwierige Zeit, die mit dem Einstieg des Finanzinvestors Permira ihren Höhepunkt fand. Unter Lahrs ging es fast nur bergauf. Der Umsatz stieg um fast eine Milliarde auf 2,6 Milliarden Euro (2014) an, der Gewinn verdoppelte sich im gleichen Zeitraum. Der Kurs der Boss-Aktie stieg zwischen 2009 und 2015 von weniger als zehn Euro auf 120 Euro an und ging erst nach dem Ausstieg von Permira auf Talfahrt.

Zu Lahrs’ Verdiensten zählt neben der positiven Geschäftsentwicklung vor allem der Ausbau des eigenen Einzelhandels. Boss betreibt heute mehr als 1000 Shops in der ganzen Welt. Er etablierte die Marke als internationales Modelabel, nicht zuletzt dadurch, dass er den New Yorker Designer Jason Wu nach Metzingen holte. Dieser hat bereits mehrere Damenkollektionen entworfen und dem Konzern damit eine neue Zielgruppe erschlossen. Der LBBW-Analyst Thomas Hofmann zeigte sich am Donnerstag zuversichtlich, dass die Metzinger auch unter Lahrs’ Nachfolger zurück in die Spur finden: „Dass Hugo Boss Einzelhandel kann, hat der Konzern bewiesen.“

Topmanager mit frankophiler Ader

Person
Claus-Dietrich Lahrs ist 1963 in Bielefeld zur Welt gekommen. Er hat Betriebswirtschaft und Internationales Management in Bochum, Köln und Paris studiert. Lahrs ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Karriere
Seine Laufbahn begann 1990 in der Quandt-Gruppe. Von 1992 an sammelte Lahrs umfassende Erfahrungen in der Luxus- und Modebranche, vor allem in Frankreich, wo er 17 Jahre verbrachte. Zu seinen Stationen gehörten Cartier, Louis Vuitton und Christian Dior. Im August 2008 wechselte Lahrs von Dior in Paris zu Hugo Boss nach Metzingen. Er sitzt außerdem im Aufsichtsrat des Kinderbuch- und Spieleverlags Ravensburger.