Mexikanische Jugendliche zeigen Gleichaltrigen im Waldheim Raichberg Spiele aus ihrer Heimat. Eines davon heißt Charro.

S-Ost - Alle schauen auf den Cowboy, der einsam auf dem Basketballfeld des Waldheims Raichberg steht und unaufhörlich sein Lasso schwingt – eine gefüllte Stofftüte an einem Seil. Dann rennen die ersten Wagemutigen los. Sie weichen dem Fangseil aus und suchen geduckt nach einem sicheren Platz in der Nähe des Cowboys. Sicherheit bietet dieses Fleckchen allerdings nur so lange, bis alle den Weg geschafft haben. Denn dann geht es auf den ebenso gefährlichen Rückweg. Wer vom Lasso erwischt wird, fliegt raus, und die anderen Kinder singen ein schadenfrohes Lied dazu, samt dazugehörigem Tanz. Das Spiel stammt aus Mittelamerika und heißt dort Charro, das ist der mexikanische Cowboy. Fünf junge Mexikaner haben das Spiel in Stuttgart vorgestellt.

 

Zwölf Jugendliche aus Deutschland und Mexiko haben sich an diesem Tag zum kulturellen Austausch getroffen, bei dem Spiel und Spaß im Mittelpunkt stehen. Innerhalb von zwei Wochen besuchen die jungen Mexikaner mehrere Waldheime und Freizeiten der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Ihre „Intercooltour“ durch Baden-Württemberg führt sie nach Hedelfingen, Heidenheim, Heilbronn, Heimberg und eben in den Stuttgarter Osten ins Waldheim Raichberg. Im Gepäck haben sie Spiele aus beiden Ländern, aber auch Tanz und Musik. „Die Mexikaner kochen auch einmal für alle Guacamole“, sagt Clemens Heller von der Awo. Die Avocadocreme ist eine landestypische Spezialität und wird meist mit Tacos gegessen.

Ein interkultureller Tag pro Waldheim

„Unser Ziel ist es, dieses Programm noch zu intensivieren “, sagt Roland Bühler von der Awo. Momentan organisiert die deutsch-mexikanische Gruppe einen interkulturellen Tag pro Waldheim. Seit diesem Jahr wird das Projekt von der Glücksspirale gefördert, daher ist Bühler guter Dinge, dass die Aktion in Zukunft auf mehrere Tage ausgeweitet werden kann.

Der Austausch über den europäischen Freiwilligendienst findet nicht nur auf deutschem Boden statt. Jedes Jahr fliegt auch eine Gruppe aus Deutschland nach Mexiko. Genauer gesagt nach Guadalajara, der zweitgrößten Stadt des mittelamerikanischen Staates. Den Flug in die Fremde müssen die Teilnehmer selbst zahlen, dafür wohnen sie direkt bei einer einheimischen Familie.

Die Partnerschaft zwischen der Awo und dem sozialen Projekt Axili in Mexiko besteht seit fast zehn Jahren. „Dort findet dieser Austausch in Zusammenarbeit mit der Schule statt“, erklärt Bühler. Die Jugendlichen besuchen benachteiligte Kinder in Schulen in und um Guadalajara. Das Kennenlernen der anderen Kultur über gemeinsame Spiele und kleine Events steht im Mittelpunkt der Begegnung. „Der Austausch zwischen den Jugendlichen ist zum Teil noch wichtiger als die Arbeit selbst“, sagt der Geschäftsführer der Awo Stuttgart, Friedhelm Nöh.

Die Sprachbarriere ist gering

Die Slowakin Lenka Šichtová etwa kam durch den Freiwilligendienst erst nach Deutschland. Mittlerweile lebt und arbeitet sie in Stuttgart und leitet selbst Jugendbegegnungen. „Am Anfang hatte ich noch eine Schiller- und Goethesprache“, erinnert sie sich schmunzelnd. Šichtová hat in ihrer Heimat Deutsch und Russisch studiert und Sätze wie „Unlängst habe ich gehört, dass...“ gelernt. „Hier habe ich dann erfahren, dass man das nicht so sagt“, erzählt sie.

Die Slowakin hat bereits zwei Jugendbegegnungen in Mexiko geleitet. Spanisch sprach sie zu Beginn noch gar nicht. Die Sprachbarriere sei jedoch gering, meint Lenka Šichtová, man könne sich zunächst mit Gesten und Lauten verständigen und dann nebenbei die ersten Vokabeln lernen. „Diese zwei Wochen helfen bereits, da man einfach solche Lust hat, auch mit den Kindern sprechen zu können“, sagt sie. So ist es für sie keine Frage, dass sie gerne noch weitere deutsch-mexikanische Begegnungen leiten würde.