Mexikos Musik darf sich zum Unesco-Welterbe zählen. Landestypische Bands, die Mariachis, zupfen dabei, was das Zeug hält.

Mexiko-Stadt - Geduldig stehen sie sich die Beine in den Bauch, rauchen, reden. Eine Stunde, zwei. Manchmal auch länger. Geduldig, aber mit suchenden Blicken nach zahlungskräftiger Kundschaft. Ihre Instrumente haben sie zusammengestellt oder an eine Bank gelehnt. Langsam legt sich die Dunkelheit über die Plaza Garibaldi; Zeit, dass sich die bunte Schar der Mariachis fertig macht, ihre mitreißende Musik in die Restaurants der Umgebung zu tragen. Oder sich einfach für eine häusliche Feier vom Fleck weg engagieren zu lassen. Ay, Ay, Ay, Ay „Das hier ist der Mariachi-Strich“, raunt einer der Mexikaner am Nebentisch. Er meint’s nicht böse. Sie kommen. Oft mehrere Gruppen auf einmal. Schlendern von Tisch zu Tisch. Halten Abstand. Spielen auf. Eine bezaubernde Kakofonie.

 

Eine Musik, die einen das Kauen vergessen lässt - mag sich der Tisch auch unter den Speisen biegen, die die lustlosen Kellner nach und nach anschleppen. Mit Tellern und Platten voll mit Pescado a la Veracruzana, einem Fischgericht aus Veracruz; mit dem Cochinita Pibil, einer Gulasch-ähnlichen Mahlzeit, und mit Pozole, einer Art Suppe mit Huhn, oder Schweinefleisch und großen Maiskörnern aus Jalisco. Dazu gibt es Guacamole, eine Art Dip, der zum Fleisch mit Tortilla Chips totopos gegessen wird. Oder Cuitlacoche, eine Spezialität der mexikanischen Küche, die aus Maiskörnern besteht, die von einem Pilz befallen sind. Sieben bis zwölf Mariachis bilden eine Gruppe.

Die ersten kommen bereits in der Abenddämmerung ins „Tenampa“, wo stolz von überlebensgroßen Wandgemälden glutäugige Caballeros mit dünnen Oberlippenbärtchen herunterlächeln. Noch sind viele Tische unbesetzt und der gekachelte Fußboden rein - die Mariachis können sich sicher sein, dann Touristen vor sich zu haben. Dementsprechend bemühen sie ihr Repertoire: „La cucaracha“, das weltbekannte Lied von der Küchenschabe. Und natürlich „Cielito lindo“. Ay, Ay, Ay, Ay. Dabei haben alle mehr drauf, wenn sie auf ihren großen Gitarren zupfen und wunderbar knautschige Töne aus Trompete, Geige, Harfe, Vihuela und Guitarran herauskitzeln. Melodiös schnulzen ihre Stimmbänder zwischen den Tischen hin und her. Mal solo, mal mehrstimmig. Im Lauf des späteren Abends füllt sich das Restaurant bis auf den letzten Platz. Mexikanische Gäste.

Zahlreiche Lieder speziell für Mariachi-Ensembles

Das „Tenampa“ ist kein Nepplokal für ausländische Kreditkarten. Tequila, eiskaltes Victoria-Bier und feurige Sangrita lassen die Stimmen lauter werden. Die Mariachis bestimmen den Takt des Abends. Und ihre Lieder finden zurück zu den Ursprüngen Mexikos - Musik, die sich (wie die mexikanische Küche) zum Unesco-Welterbe zählen darf. Son Jaliscense, Canción Ranchera, Corrido, Huapango, Bolero und Son Jarocho, etwas Paso doble, Danzón und Vals Mexicano. Vor allem zwischen den 1930er und den 1960er Jahren wurden zahlreiche Lieder speziell für Mariachi-Ensembles komponiert. Es sind Herren, die aufspielen. Geschniegelt und gespornt. Bis ins 19. Jahrhundert trugen Mariachis einfache Bauernkleidung.

Erst seit den 1940ern ist ihr Erkennungszeichen der feine Anzug des Charro, des wohlhabenden Haciendero aus dem 19. Jahrhundert: spitze, spiegelblanke Stiefel, ein breitkrempiger verzierter Sombrero, enge Hosen mit gestickten Bordüren oder Silberbeschlägen, dazu die reich dekorierte westenförmige Jacke. Manche in Schwarz mit silbernen Beschlägen, heute auch in Beige, Weiß oder Weinrot. Einer der ersten Anlässe, zu denen Mariachis im Charro-Anzug auftraten, war 1907 - auf einer Gartenparty, die der mexikanische Diktator Porfirio Diaz zu Ehren einer US-Delegation abhielt. Die Tracht trugen seinerzeit bereits die Orquestas Típicas, klassische Orchester, die Musik aus unterschiedlichen Regionen Mexikos vor Konzertpublikum spielten. Doch erst als Anzug der Mariachis setzte sich der Charro durch, als diese in den 1930er und 1940er Jahren mit der aufkommenden Schallplattenindustrie und dem Kino zu einem nationalen Symbol wurden.

Am nächsten Morgen liegt eine graublaue Dunstglocke über El Zocalo, dem Hauptplatz von Mexiko-Stadt. Wie so oft. Rund neun Millionen Menschen leben in der Metropole, 21 Millionen in der Umgebung. Sie alle fahren Auto, meist Stoßstange an Stoßstange, stets auf der Suche, eine Lücke zu finden, Sekunden zu sparen. Die Stadt platzt aus allen Nähten. Unaufhaltsam. Handel, Telekommunikation, Versicherungen, Transport, Finanzdienstleister, darunter rund 1300 Unternehmen mit deutscher Beteiligung und 120 000 Beschäftigten. Siemens, VW, Schenker oder BASF sind seit langem vertreten. Derzeit baut Audi hier das modernste Werk der Welt, sagt der deutsche Botschafter Edmund Duckwitz.

„Wo sich die Menschen zu Göttern verwandeln“

Die Geschäfte blühen. Der Tourismus auch. Trotz dünner Luft in 2300 Meter Höhe. Was Raimund Müller schon mal Kopfzerbrechen bereitet. Der Lufthansa-Kapitän bekommt es auf dem Jungfernflug von München nach Mexiko-Stadt zu spüren. Die Höhenluft trägt den 75 Meter langen Airbus 340-600 schlechter in den Himmel als in Bayern. Während dort rund 250 km/h zum Abheben reichen, muss der 53-Jährige den Flieger auf 290 km/h beschleunigen, um die 322 Tonnen zu starten. Woanders ist die Höhenluft noch mehr zu spüren. Etwa in Teotihuacán, 50 Kilometer vor den Toren der Hauptstadt. Hier liegt eine der bedeutendsten prähistorischen Ruinenstädte Amerikas mit ihrer fünfstufigen Sonnenpyramide - seit 1987 Unesco-Welterbe. 245 Stufen über die Plataforma Adosada hinauf, gut 65 Meter hoch. Da kommt man schnell außer Atem. Teotihuacan, nach astronomischen Prinzipien angelegt, entstand 200 vor Christus und war 1000 Jahre bewohnt.

Das Wort kommt aus der Azteken-Sprache und bedeutet so viel wie „Wo sich die Menschen zu Göttern verwandeln“. Wer vorbei an den rund 800 Sockeln und nicht ganz so vielen fliegenden Händlern bis zum Ende der „Straße der Toten“ geht, spürt die Energie des Ortes. Lässt Reliefs mit gewundenen, gefiederten Schlangen auf sich wirken. Kommt zur 46 Meter hohen Mondpyramide, deren Spitze ungefähr auf einer Höhe zur Sonnen-Schwester liegt, weil sie auf einer kleinen Erhebung steht. Für viele Touristen ist Mexiko-Stadt Anfang oder Endpunkt einer Rundreise.

Baden in Acapulco oder Cancun, Kulturabstecher nach Guadalajara und Puebla, eine Nostalgie-Fahrt nach Monterrey: „Alle, die nach Mexiko kommen, lieben es“, sagt Vincente Salas Hesselbach, der Direktor des Tourismusverbandes in Berlin. Und fügt angesichts immer neuer Meldungen von Überfällen und Alltagskriminalität (allein im Drogenkrieg starben seit 2006 über 70 000 Menschen) hinzu: „Alle Tourismuszentren sind sicher.“ Etwa 18 Tage verbringen deutsche Urlauber durchschnittlich im Land - Leute zwischen 32 und 60, die dreimal so viel Geld ausgeben wie andere Touristen, aber auch anspruchsvoller sind. „Tequila und Mariachi reichen da nicht“, sagt Salas. Auf der Plaza Garibaldi wird man das nicht so gern hören. Ay ay ay ay.

So wird das Wetter für die Weltreise

Infos zu Mexiko-Stadt

Anreise
Lufthansa von München nonstop, Flugdauer rund elfeinhalb Stunden, Preis ab 690 Euro ( www.lufthansa.com ). American Airlines von Frankfurt ab 800 Euro ( www.americanairlines.com )

Unterkunft
Ein Haus der Luxuskategorie ist das Gran Hotel Ciudad de Mexiko, Avenida 16 de Septiembre 82,direkt am El Zocalo, mit grandioser Eingangshalle im Stil des Pariser Art nouveau, DZ ab 113 Euro, www.granhoteldelaciudaddemexico.com.mx

Hyatt Regency, 5 Sterne, Campos Eliseos No. 204 Polanco Chapultepec, DZ ab 180 Euro, www.hyatt.com

Hotel Villa Condesa, Kleines Boutique-Hotel, Colima 428, Roma Norte, Cuauhtemoc, Distrito Federal, ab 138 Euro, www.villacondesa.com

Hotel Downtown Mexico, schönes Design-Hotel im Centro Historico, Isabel la Catolica 30, ab 99 Euro www.downtownmexico.com

Essen
Dulce Patria, Anatole France 100, Polanco. Die Besitzerin und Köchin Martha Ortiz gehört zur Gruppe der Lufthansa Star Chefs. www.dulcepatriamexico.com

Tenampa, Plaza Garibaldi No. 12, Cuauhtemoc. www.salontenampa.com

Sehenswürdigkeiten in Mexiko-Stadt
Museo Frida Kahlo, Calle Londres, Trotzki-Wohnhaus Anthropologisches Nationalmuseum Sagrario Metropolitano (mit originellem Denkmal von Papst Johannes Paul VI.) Kaufhaus Sanborn, früher Casa de los Azulejos Samstagsmarkt in San Angel Torre Latinoamericana, 1958 errichtetes höchstes Gebäude der Stadt, mit einem Dachrestaurant in 171 Meter Höhe