Hinter den Basketballern der MHP Riesen liegt eine erfolgreiche Saison. Ihr Chef, Alexander Reil, betont aber: „Wir können nicht jedes Jahr sagen: wir sind unter den ersten acht.“ Ein Interview über die Schwierigkeiten und Perspektiven des Ludwigsburger Vereins.

Sport: Joachim Klumpp (ump)
Ludwigsburg – - Der Basketball-Bundesligist MHP Riesen Ludwigsburg hat eine erfolgreiche Saison hinter sich – mit Platz acht und dem Einzug in die Play-offs. Doch der Vorsitzende Alexander Reil (47), der seit dem Jahr 1999 im Amt ist und aktuell auch kommissarisch als Präsident der BBL fungiert, betont vor dem Saisonauftakt am Donnerstag (20.30 Uhr, MHP-Arena) gegen die Telekom Baskets Bonn: „Wir können nicht jedes Jahr sagen: wir sind unter den ersten acht.“
Herr Reil, „Basketball um Mitternacht“ gibt es schon als Projekt, um junge Leute von der Straße zu bringen. Künftig droht dem einen oder anderen Besucher, erst um 24 Uhr nach Hause zu kommen, weil die Spiele um 20.30 Uhr beginnen. Ist das zuschauerfreundlich?
Ich sehe bei dieser Anfangszeit nicht unbedingt ein großes Problem, weil bei Spielen unter der Woche auch viele sagen, das ist uns aus beruflichen Gründen ganz recht. Für diejenigen, die es vielleicht negativ empfinden, steht dagegen dieser Riesensprung durch den neuen TV-Vertrag mit der Telekom: ab sofort alle Spiele live und in HD empfangbar. Das hat es – außer im Fußball – in keiner anderen Ballsportart gegeben und kompensiert das andere bei Weitem.
Ludwigsburg hat sich in der vergangenen Saison medienmäßig nicht beklagen können durch das Erreichen der Play-offs. Wie hoch hängt die Messlatte für die neue Runde?
Die hängt natürlich hoch, keine Frage. Die letzte Saison war ja in vielerlei Hinsicht eine der Superlative: Wir hatten knapp 4000 Zuschauer pro Spiel, eine der höchsten Kontaktzahlen im Medienbereich, wir sind Achter geworden. Trotzdem muss man das realistisch betrachten. Wir haben immer gesagt: für uns geht es auch um eine Entwicklung, deshalb haben wir mit dem Trainer einen längerfristigen Vertrag abgeschlossen. Das heißt also nicht, jedes Jahr muss es mindestens ein Platz besser sein.
Sondern?
Wir wollen in drei Jahren woanders stehen als heute – nicht nur sportlich. Wenn man dann mal Neunter oder Zehnter wird, dann ist es eben so. Wir haben keine Rahmenbedingungen – vor allem in finanzieller Hinsicht –, bei denen wir sagen können: wir sind auf jeden Fall unter den ersten acht.
Sie wollten aber den Etat um wenigstens zehn Prozent steigern. Ist das gelungen?
Sogar um rund 15 Prozent, auch dank einer positiven Saison. Allerdings geht es ja auch um das Vertrauen in eine längerfristige Arbeit. In der Etatrangliste liegen wir irgendwo um Platz zwölf oder 13. Wir haben in der Liga eine Situation, dass wir vier, fünf Clubs mit einer sehr hohen Sicherheit in den Play-offs haben, dann gibt es ein sehr breites Mittelfeld, die klassischen Abstiegskandidaten sind dagegen recht offen.
Sie haben mit dem Trainer John Patrick gleich um drei Jahre verlängert. Was hat Sie zu dieser langen Laufzeit bewogen?
Zum Schluss muss es einfach passen. Das heißt, es muss eine klare Rollenverteilung geben. Sie können die tollsten Strukturen entwickeln, aber Sie müssen in denen Menschen platzieren, und die müssen irgendwie miteinander klarkommen. Da spielt auch gegenseitiger Respekt eine Rolle. Dazu kam natürlich, dass die letzten Jahre häufig von Trainerwechseln geprägt waren. Deshalb wollten wir auch mal etwas Längerfristiges mit Kontinuität aufbauen.
Bei den Spielern gab es nicht nur Vertragsverlängerungen, sondern auch drei Akteure, von denen man sich schon wieder getrennt hat. Was macht die Auswahl so schwer?
Wenn nach zwei, drei Wochen Spieler wieder aussortiert werden, müsste man denken: Was haben die gescoutet? Dabei geht es im Wesentlichen gar nicht so sehr um die basketballerischen Fähigkeiten, die man im Vorfeld ganz gut erkennen kann. Es geht vor allem darum festzustellen, passt der wirklich rein. Manche Spieler aus dem Ausland kommen mit der neuen Situation einfach nicht klar. Natürlich würde ich mir wünschen, dass alles auf Anhieb passt. Aber letztlich ist es mir dann lieber, schnell zu wechseln, als sich davor zu scheuen, Entscheidungen zu treffen und zu wissen, es wird nicht funktionieren.
Bei allem Respekt für Ihren Trainer, einen Wunsch konnten Sie ihm nicht erfüllen: Patrick wollte ja gerne international mitspielen, warum hat das nicht geklappt?
Für den Eurocup haben wir uns sportlich nicht qualifiziert, also gab es noch die Option, sich für die Euro Challenge zu bewerben (die drittklassige Variante, Anm. der Redaktion). Wobei es da zwei Aspekte gibt, den sportlichen und den wirtschaftlichen. Wir wollten den Wettbewerb aus wirtschaftlichen Gründen zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestreiten. Es geht nicht nur um die Kosten, sondern darum, dass ein internationaler Wettbewerb immer auch eine Mehrbelastung ist. Der Kader muss größer sein, das Verletzungsrisiko ist höher. Nach Abwägung aller Faktoren stand die Bedeutung nicht in der nötigen Relation zum Aufwand.
Viele Fans fragen sich, wann denn mal ein Eigengewächs einen Stammplatz bekommt. Wo liegen die Probleme, das trotz guter Nachwuchsarbeit zu schaffen?
Ich glaube, das kann man auf zwei Einflussgrößen reduzieren. Auf der einen Seite gibt es Spieler, die das Talent hätten, diesen Sprung zu schaffen, aber am Ehrgeiz oder der Toughness scheitern. Wenn wir mal einen jungen Spieler aus Südosteuropa hier haben, stellen wir immer wieder fest, dass die Eigenmotivation höher ausgeprägt ist. Man kann aber nicht alle Deutschen über einen Kamm scheren, deshalb müssen wir, zweitens, auch ganz selbstkritisch darüber nachdenken, ob wir den jungen deutschen Spielern genügend Chancen geben. Ich glaube, dass wir manchmal auch ein bisschen mehr Risiko eingehen müssen.
Ist das eine der Perspektiven, die Sie mit dem Trainer besprechen?
Das muss eine Perspektive sein – nicht nur für Ludwigsburg, für die gesamte Liga. Wenn wir die Sportart Basketball weiter nach vorne bringen wollen, dann brauchen wir internationale Erfolge, sowohl bei den Clubs als auch in der Nationalmannschaft. Und eine gute Nationalmannschaft kann man nur mit guten deutschen Spielern entwickeln, die auch irgendwo ihre Einsatzzeiten bekommen.
Wie hilfreich ist da die Europameisterschaft 2015 hier in Deutschland, auch wenn es sich nur um die Vorrunde handelt?
Wichtig ist, dass wir so etwas überhaupt in Deutschland anbieten. Wenn es jetzt noch gelingt, dass Dirk Nowitzki dabei ist, ist es sicher positiv. Aber das allein wird nicht reichen. Man muss so ein Ereignis dahingehend nutzen, dass davor oder danach zehntausend Kids anfangen wollen, Basketball zu spielen.
Der BBL-Chef Jan Pommer will die Bundesliga ja bis 2020 zur stärksten Liga Europas machen. Ist das realistisch?
Die Zielsetzung ist hoch, aber realistisch. Wir haben dieses Ziel ja ergänzt, indem wir gesagt haben, wir wollen gleichzeitig die Bedeutung des Basketballs in Deutschland erhöhen. Da gibt es noch große Unterschiede. Auch für die Menschen in Spanien ist Fußball genauso wichtig wie hier. Aber wenn sie dort ein Länderspiel haben, fängt die Übertragung 15 Minuten vorher an und hört zehn Minuten nach Spielende auf. Bei uns wird vier Stunden vorher gezeigt, wie der Busfahrer die Reifen wechselt. In anderen Ländern können sie in der Zeit Basketball sehen oder Handball oder Volleyball. Das ist medienmäßig schon ein klarer Vorteil.
Apropos Fußball. Wenn denn der VfB Stuttgart jetzt auf Sie zukäme und sagen würde, wir kaufen die Lizenz der MHP Riesen, um einen Basketball-Bundesligisten zu installieren, wie würden Sie einem solchen Vorschlag gegenüberstehen?
Ich mache das jetzt mal unabhängig von Ludwigsburg und dem VfB fest. Ich glaube grundsätzlich, dass es für die Vereine im Fußball überlegenswert ist. Basketball hat eine hochinteressante Zielgruppe, die sich ein Stück weit vom Fußball unterscheidet und wirtschaftlich durchaus sehr interessant ist. Gerade in Spanien, aber auch in anderen Ländern gibt es ja Beispiele, wo Fußball, Basketball und Handball in einem Verein funktionieren. Vielleicht ist es eine Frage der Zeit, aber ich sehe das als Option.
Stichwort Handball. Sie haben jetzt den Nachbarn SG BBM Bietigheim, der am vergangenen Sonntag erstmals auch in der MHP-Arena Bundesliga gespielt hat. Ist das eine Konkurrenz?
Letztlich spielt es keine Rolle, ob es eine Konkurrenz ist. Fakt ist: wir haben hier eine unheimlich große Anzahl von Sportevents auf relativ hohem Niveau. Das ist für jeden Club erst einmal ein Nachteil. Warum sage ich das? Nehmen Sie das Beispiel Ulm, wo jedes Spiel ausverkauft ist. Dort ist 50 Kilometer drum herum nichts, was höherklassig als dritte Liga ist, das ist ein Standortvorteil.
Gibt’s denn irgendwas, wo Sie sagen, das wäre ein Traum, den ich mit Ludwigsburgs Basketballern noch verwirklichen will?
Wenn man anschaut, wo wir 1999 gestanden haben und wo wir jetzt stehen, dann haben wir relativ viele hochgesteckte Ziele erreicht. Das heißt nicht, dass es keine mehr gibt. Es geht einfach darum, dass sich der Verein so optimal weiterentwickeln kann, dass er eine solide Wettbewerbsfähigkeit in der stetig wachsenden Basketball-Bundesliga hat. Das allein ist eine große Herausforderung. Aber machen wir uns nichts vor: im Sport hat der augenblickliche Erfolg immer eine große Bedeutung.