Die FDP-Landtagsabgeordnete Gabriele Reich-Gutjahr ist zu Gast an der Michael-Bauer-Schule in Stuttgart-Vaihingen gewesen. Wir haben die Diskussion mit den Zehntklässlern verfolgt.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Die Digitalisierung ist eines der Themen gewesen, welches die FDP in ihrem Bundestagswahlkampf aufgegriffen hat. So konnte es also nicht überraschen, dass die Landtagsabgeordnete Gabriele Reich-Gutjahr noch um ein Selfie mit den Zehntklässlern der Michael-Bauer-Schule (MBS) bat. Am Freitagmorgen war die FDP-Politikerin zu Gast an der freien Waldorfschule an der Othellostraße. Anlass war der Tag der freien Schulen. Unter dem Motto „Schenken Sie uns eine Stunde Ihrer Zeit“ sind Politiker an diesem Tag eingeladen, eine Schulstunde gemeinsam mit den Mädchen und Jungen zu gestalten. Organisiert wurde die Aktion zum vierten Mal von der Arbeitsgemeinschaft freier Schulen in Baden-Württemberg.

 

Die Zehntklässler der Michael-Bauer-Schule nutzten ihre Chance, um mehr über die Politik und die Parteien im Landtag zu erfahren. Und sie wollten wissen, wie sich die FDP zu speziellen Themen positioniert.

Mit der CDU und den Grünen in der Regierungsverantwortung und der SPD, der FDP und der AfD in der Opposition gibt es im Landtag fünf Parteien. „Wie ist das mit der AfD, fahren die Ihnen an den Karren oder arbeiten die richtig mit?“, wollte ein Schüler wissen. Reich-Gutjahr erklärte, dass es die Aufgabe aller Oppositionsparteien sei, die Regierung zu kontrollieren und eigene Initiativen und Ideen in Form von Anträgen und Anfragen einzubringen. Das gelte prinzipiell auch für die AfD, sagte Reich-Gutjahr und fügte mit Blick auf die Spaltung und Wiedervereinigung der Landtagsfraktion im Jahr 2016 hinzu: „Die AfD beschäftigt uns auch viel mit formalen Dingen.“

Was für ein Problem hat die SPD?

Eine andere Schülerin wollte wissen, warum die SPD bei der jüngsten Bundestagswahl so viele Stimmen verloren habe. „Ist das der Großen Koalition geschuldet, weil damit die Grenzen zwischen CDU und SPD verwischt sind, oder sind so viele SPD-Wähler zur AfD abgewandert?“, fragte die Jugendliche. Eine konkrete Antwort darauf hatte Reich-Gutjahr freilich nicht. „Aber ich glaube, dass die SPD ihr Profil wieder schärfen muss. Das ist in der Opposition einfacher.“

Vor allem aber ging es den Mädchen und Jungen natürlich um die Schulpolitik. „Die FDP steht Gesamt- und Gemeinschaftsschulen skeptisch gegenüber. Wie sehen Sie die Waldorfschule?“, fragte einer der Jugendlichen. „Wir wollen vor allem, dass die Politik nicht ständig Schule neu erfindet“, sagte Reich-Gutjahr. Das mache nur Arbeit und lenke vom Kern der Sache ab, denn: „Ob eine Schule gut ist oder nicht, hängt vor allem von den Lehrern ab, nicht von der Schulart“, sagte die Politikerin.

Sie betonte aber auch, dass die FDP grundsätzlich für ein liberales System sei. „Die Eltern sollen das Recht haben, ihr Kind auf eine passende Schule zu schicken“, sagte Reich-Gutjahr. Die Jugendlichen waren pfiffig und hakten nach: „Warum werden die freien Schulen dann nicht zu 100 Prozent gefördert?“ Reich-Gutjahr erklärte, dass die FDP in Sachen Finanzierung für ein transparentes Rucksackprinzip sei: Das bedeute, dass symbolisch jeder Schüler einen Rucksack mit Geld vom Staat bekommt. Diesen nimmt er dann mit an die Schule, die er besucht.

Waldorfschulen wollen keine Eliteschulen sein

„Sind Sie persönlich dann für eine 100-Prozent-Finanzierung der freien Schulen?“, ließ ein Mädchen nicht locker. Darauf wollte sich Reich-Gutjahr aber nicht festnageln lassen. „Eine Privatschule ist auch ein Privileg“, sagte sie. „Aber das sollte sie nicht sein. Jeder sollte Zugang haben“, entgegnete die Schülerin. „Das ist die Frage. Das Leben ist nicht immer gerecht. In unserem Land ist Bildung nichts wert, weil sie nichts kostet. Das ist manchmal auch schwierig“, antwortete die Landtagsabgeordnete. An dieser Stelle hakte Martina Wiemer-Brettreich ein, Lehrerin für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde an der MBS. „Bei uns an der Schule gibt es aber auch eine Freiplatzspende. Dahinter steht ein sozialer Gedanke. Die Waldorfschule entstand als eine Schule für Arbeiterkinder. Sie ist keine Eliteschule“, stellte sie klar. Die Schüler hatten noch viele weitere Fragen, für welche die Schulstunde gar nicht ausreichte. Eine kleine Gruppe diskutierte noch die ganze Pause hindurch mit der FDP-Politikerin.

Als die Schüler dann mit der darauffolgenden Englischstunde begannen, kam Reich-Gutjahr noch mit Reinhard Vieser in der Cafeteria zusammen. Dort sagte der Geschäftsführer der Michael-Bauer-Schule: „Ich finde, es war eine ganz wunderbare Entscheidung des Landtags, dass die freien Schulen nun zu 80 Prozent gefördert werden. Das wird meiner Meinung nach zu wenig wertgeschätzt.“ Vieser verwies aber auch darauf, dass die Privatschulen laut Gesetz Anspruch auf weitere zehn Prozent haben, wenn sie ganz oder teilweise auf Elternbeiträge verzichten. Davon könnte die MBS theoretisch profitieren, weil es Freiplatzspenden gebe. Aber diese zehn Prozent an zusätzlicher Förderung durchzusetzen, sei noch schwierig.