Die Zuwanderung erreicht wieder das Niveau der frühen neunziger Jahre. Ein Großteil kommt, um in Deutschland zu arbeiten und zu studieren.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Die Zeiten, als über hetzerische Parolen wie „Das Boot ist voll“ diskutiert wurde, sind fast vergessen. Inzwischen nähert sich die Zahl der Zuwanderer allerdings wieder dem Niveau von damals. 2012 kamen so viele Menschen nach Deutschland wie seit 1995 nicht mehr. Doch es hat sich vieles verändert. Die allermeisten Zuzügler kommen inzwischen aus der Europäischen Union, ein Großteil von ihnen, um hier zu arbeiten. Spätaussiedler gibt es kaum noch. Gegenüber der Türkei verbucht der am jetzt veröffentlichte Migrationsbericht der Bundesregierung „seit 2006 einen jährlichen Wanderungsverlust“. Das heißt: es ziehen mehr Menschen aus Deutschland fort als umgekehrt.

 

Bilanz: 1,08 Millionen Menschen sind 2012 nach Deutschland gezogen, 13 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Zahl steigt seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts. Es wächst aber auch die Zahl derer, die aus Deutschland wegziehen. 2012 waren es mehr als 700 000 Personen. Die Mobilität nimmt also insgesamt zu. Unterm Strich bleibt ein deutlicher Überschuss – das war nicht immer der Fall in jüngster Vergangenheit. 2008 und 2009 hatten die Behörden mehr Ab- als Einwanderer registriert.

Vor allem Polen, Rumänen und Bulgaren kommen

Herkunft: Fast vier Fünftel der Neuankömmlinge haben ihre Heimat innerhalb der Europäischen Union. Die meisten kommen aus Polen (184 000). Das ist seit 1996 das wichtigste Herkunftsland – aktuell gefolgt von Rumänien (120 524) und Bulgarien (60 209). Der Zuzug aus den beiden Balkanstaaten ist weiter deutlich angestiegen. Im Falle Rumäniens hat er sich seit dem EU-Beitritt 2006 verfünffacht. Die Zahl der Zuwanderer aus Bulgarien nahm gleichzeitig um das Achtfache zu. Aus der Türkei, zeitweise eines der bedeutendsten Herkunftsländer, kamen 2012 nur noch 28 641 Einwanderer, während 32 788 Türken aus Deutschland wegzogen. Der Familiennachzug hat sich damit binnen zehn Jahren fast halbiert. 305 595 Migranten kamen von außerhalb der EU, die meisten davon aus Ländern des westlichen Balkans. In der Liste der außereuropäischen Herkunftsländer stehen China, Russland, die USA und Indien mit jeweils zwischen 17 000 und 18 000 Zuwanderern vorne.

Ziele: Mehr als die Hälfte der Neuankömmlinge lässt sich in Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen nieder. Verglichen mit der vorhandenen Bevölkerung hat Baden-Württemberg unter den Flächenländern den höchsten Zustrom. Hier wurden 191 048 Zuzüge registriert. Das sind 18,2 pro 1000 Einwohner. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 13,5. Die Vergleichszahl für Berlin jedoch bei 23,2.

200 000 junge Leute aus aller Welt studieren hier

Gründe: Zwei Drittel der Zuwanderer werden unter dem Stichwort „EU-Binnenmigration“ verbucht. Dabei handelt es sich zu großen Teilen um Personen, die in Deutschland arbeiten. Die Zahl der Asylbewerber lag 2012 bei knapp 65 000. Sie hat sich bis Ende 2013 noch einmal fast verdoppelt. Spätaussiedler sind hingegen nur noch ein Randphänomen. Im Jahr 2012 kamen 1820 – Anfang der neunziger Jahre waren es noch mehr als 200 000. Inzwischen hat die Zahl der „Bildungsausländer“ eine Rekordmarke erreicht. Knapp 80 000 junge Menschen aus fremden Ländern haben an einer deutschen Hochschule ihr Studium begonnen. Insgesamt studieren hier mehr als 200 000 junge Menschen aus aller Welt – doppelt so viele wie 1996.

Europäischer Vergleich: Deutschland ist eines der begehrtesten Einwanderungsländer in Europa. Nur in Großbritannien ist der Zuzug noch größer. Gemessen an der Bevölkerung liegt Deutschland in der Migrationsstatistik aber keineswegs an der Spitze, sondern eher im unteren Mittelfeld. Die Schweiz, Norwegen und Österreich nehmen relativ weit mehr Zuwander auf.