Mike Krüger ist einer der letzten Entertainer der alten Schule. In seiner Autobiografie „Mein Gott, Walther“ beschreibt er seine Karriere als Sänger, Komiker, Schauspieler und TV-Moderator. Von Teilen des aktuellen Fernsehens ist er erschüttert.

Stuttgart – - Sein erster Hit „Mein Gott, Walther“ hat sich 800 000 Mal verkauft. Seitdem hat Mike Krüger alles mögliche gemacht – meistens mit Humor. Er hat die richtige Zeit für seiner Späße erwischt.
Herr Krüger, Ihre Autobiografie beginnt mit bedrückenden Berichten über Ihre Jugendjahre im Internat. Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen Erlebnissen und ihrer späteren Karriere?
Wenn man unter solchen Umständen aufwächst, hat man nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird man ähnlich bösartig oder man entwickelt sich in die entgegengesetzte Richtung. Bei mir war zum Glück letzteres der Fall. Ich habe versucht, die Internatszeit mit Humor und Optimismus zu überstehen. Aber sie hatte auch eine gewisse Abhärtung zur Folge, was im Showgeschäft sicher kein Nachteil ist.
Sie sind 1975 quasi aus Versehen berühmt geworden. Hätten Sie auch ohne „Mein Gott, Walther“ Karriere gemacht?
Nein, bestimmt nicht. Ich habe damals Architektur studiert und bin zufällig in der Hamburger Kultkneipe „Danny’s Pan“ aufgetreten, um mein Bafög aufzubessern. Wenn sich „Mein Gott, Walther“ anschließend nicht 800 000, sondern nur 8000 mal verkauft hätte, wäre das auch toll gewesen, aber ich würde heute Häuser bauen.
Wie verkraftet man das, wenn man mit Mitte zwanzig quasi über Nacht zum Star wird?
Daran hat meine Frau Birgit einen ganz enormen Anteil. Erst mal war ich komplett überfordert. Ich lebte in einer Eineinhalb-Zimmer-Wohnung und fuhr einen R4, aber auf Tourneen wurde ich in Hotelsuiten untergebracht und von einem Chauffeur in einer Limousine kutschiert. Wenn einem dann noch alle auf die Schulterklopfen und versichern, „Alter, du bist der Größte“, kann man eigentlich gar nicht anders als abzuheben. Ich hatte das Glück, dass zuhause eine Frau auf mich wartete, die mir klargemacht hat, dass ich auch weiterhin fürs Kartoffelnschälen zuständig sei; dann bekommt man wieder Bodenhaftung.
Sie beschreiben in Ihrem Buch „Mein Gott, Walther“, wie die Musik- und die Fernsehbranche in den Siebzigern und Achtzigern das Geld mit vollen Händen zum Fenster rausgeworfen haben. Das ist heute vermutlich anders?
Total anders. Ich bedanke mich jeden Morgen dafür, dass ich zur richtigen Zeit in dieser Branche angefangen habe. Ich habe zum Glück noch die Vinyljahre miterlebt, in der echte Umsätze gemacht wurden. Heute gibt’s ja schon für 100 000 verkaufte Alben eine Goldene Schallplatte; so viel habe ich damals in einer Woche verkauft. Und dann kam die Startphase des Privatfernsehens, als Männer wie Leo Kirch plötzlich TV-Sender aufmachten und Geld keine Rolle spielte. Wenn ich heute erzähle, was ich erlebt habe, sind jüngere Menschen überzeugt, dass ich mir das alles ausdenke. Von den Buffets, mit denen damals eine neue Platte oder ein neuer Film gefeiert wurde, könnte man heute ganze Flüchtlingskonvois ernähren. Es waren unglaubliche Zeiten.
Mit „7 Tag, 7 Köpfe“ haben Sie gemeinsam mit Rudi Carrell ab 1996 neue Maßstäbe für die TV-Comedy gesetzt. Die Sendung brauchte allerdings einen gewissen Anlauf. Wäre so etwas heute noch möglich?
Langer Anlauf stimmt, aber es war ja nicht so, dass wir kurz vor der Absetzung standen; richtig schlecht waren unsere Quoten auch am Anfang nicht. In Gefahr war die Sendung nie, weil Rudi bei RTL einen großen Rückhalt genoss. Heute wäre es aber in der Tat erheblich schwieriger, da müssen neue Formate auf Anhieb funktionieren.
Was war das Erfolgsgeheimnis der Show?
Rudi hat damals zu mir gesagt: „Wir brauchen einen Dicken, einen Kleinen und eine tolle Frau. Du hast eine lange Nase, ich bin Holländer – das reicht.“ Aber so einfach war es natürlich nicht. Das Kunststück bestand darin, das richtige Ensemble zusammenzustellen. Man darf nicht vergessen, dass wir zehn Jahre lang jede Woche zwei bis drei Tage zusammen waren; trotzdem gab es nie Streit. Die „7 Köpfe“ bildeten wirklich eine Einheit, wir haben nach wie vor Kontakt zueinander.
Wie hat sich das Fernsehen aus Ihrer Sicht seither entwickelt?
Ich bin teilweise ehrlich erschüttert, vor allem, wenn ich mir die sogenannten Reality-Sendungen anschaue, für die sich Menschen bei ihrem sinnlosen Dasein filmen lassen. Dass so was dann auch noch versendet wird, finde ich ziemlich frech.
Was entgegnen Sie, wenn jemand einen Strich unter Ihre Karriere zieht und dabei bilanzierend feststellt: außer Gelächter nichts gewesen?
Dann sage ich: Das war genau mein Ziel. Ich werde immer wieder von Menschen angesprochen, die sich dafür bedanken, dass ich sie zum Lachen gebracht habe. Ich finde, das ist das größte Kompliment, das einem gemacht werden kann.