Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel genehmigt trotz der Sanktionen gegen Russland den milliardenschweren Verkauf der RWE-Öl- und Gastochter Dea an einen Oligarchen. Und der größte russische Ölförderer Rosneft steigt in Norwegen ein.

Berlin - Die Bundesregierung sieht trotz der Sanktionen gegen Russland keinen Grund, die Übernahme der Öl- und Gasfördergesellschaft RWE Dea in Hamburg an russische Investoren zu verbieten. Das Wirtschaftsministerium prüfte den Verkauf an den den russischen Oligarchen Michail Fridman nach dem Außenwirtschaftsgesetz und sieht die Sicherheit Deutschlands nicht gefährdet. Der Energiekonzern RWE kann die Transaktion über 4,1 Milliarden Euro abwickeln, wenn weitere Länder die Freigabe erteilen. Die Zustimmung Berlins galt allerdings als größte Hürde. Das Geschäft ist umstritten, weil die von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland auch Beschränkungen bei Gütern zur Erdölförderung vorsehen. Die Sanktionen betreffen die EU-Warenausfuhren zur Erdölförderung in der Tiefsee, der Arktis sowie für Schieferölprojekte. Bei dem Käufer Letter One, das Dea erwirbt und zum Einflussbereich des russischen Investors Fridman gehört, handelt es sich um ein in Luxemburg ansässiges Unternehmen. Das Wirtschaftsministerium in Berlin erklärte, damit sei das EU-Recht anzuwenden. Das Ministerium sah keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Gestaltung.

 

Heikel ist die Übernahme auch deshalb, weil Dea mehrere große Gasspeicher in Deutschland betreibt. Die Gasspeicher dienen dazu, Deutschland unabhängig von kurzfristigen Lieferunterbrechungen zu machen. Nach Darstellung des Bundeswirtschaftsministeriums sei die Versorgungssicherheit nicht beeinträchtigt. Der Marktanteil von Dea im Gasspeichergeschäft liege bei 1,8 Prozent. Der Anteil von Dea an der Gesamtversorgung Deutschlands mit Öl und Gas liege jeweils zwischen ein und zwei Prozent. Das Gas, das Dea im Inland fördere, sei ausschließlich für den deutschen Markt bestimmt, so das Wirtschaftsministerium.

Nach eigenen Angaben kontrolliert Dea einen gewichtigen Teil der deutschen Gasspeicher. In Bayern besitzt Dea drei Gasspeicher. Im Internetauftritt des Unternehmens heißt es: „Die Gasspeicher der RWE Dea leisten mit einem nutzbaren Speichervolumen von zusammen 1,9 Milliarden Kubikmeter einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der nationalen Erdgasversorgung.“ Nach Unternehmensangaben entfallen auf die Speicher der Dea rund 7,5 Prozent der deutschen Gasreserve. Vor allem in strengen Wintern kommt Speichern große Bedeutung zu. Sie sollen eine zuverlässige Gasversorgung gewährleisten.

Brüssel hat die Übernahme geprüft und genehmigt

Die Investmentfirma Letter One verwaltet nach eigenen Angaben Vermögen und Beteiligungen von 29 Milliarden Dollar (umgerechnet 22 Milliarden Euro). Sie wurde im vergangenen Jahr gegründet. Das Unternehmen ist stark in den Bereichen Telekommunikation und Energie engagiert. Fridman gilt als einer der reichsten Russen und ist auch Vorsitzender des Verwaltungsrates. Das Geld für die Firmenkäufe war dem Oligarchen Fridman zugeflossen, als er im Jahr 2012 seine Anteile am Ölunternehmen TNK-BP an den staatlichen russischen Konzern Rosneft für 55 Milliarden Dollar verkaufte.

Die Bundesregierung prüfte das Luxemburger Unternehmen auf Grundlage der Außenwirtschaftsverordnung. Danach wird untersucht, ob die Sicherheitsinteressen Deutschlands beeinträchtigt sind, wenn ein Investor, der nicht aus der EU stammt, ein inländisches Unternehmen erwirbt. Die Investmentfirma Letter One wurde auch daraufhin abgeklopft, ob es sich um eine Briefkastenfirma handelt. Das Bundeswirtschaftsministerium sah aber keinen Grund, den Verkauf zu stoppen. Der Energiekonzern RWE will die Verkaufserlöse zur Schuldtilgung verwenden.

Das Wirtschaftsministerium wies darauf hin, dass die EU-Kommission die Übernahme durch die Luxemburger Investmentfirma kartellrechtlich prüfte und genehmigte. Die Europäische Union hat für Russland ein Waffenembargo sowie Handelsbeschränkungen für Güter erlassen, die für militärische und zivile Zwecke genutzt werden können. Die Beschränkungen betreffen auch den Energiebereich. Darüber hinaus wurde Russlands Zugang zu westlichen Kapitalmärkten begrenzt. Es wurden auch Einreiseverbote verhängt.

Die Sanktionen behindern aber nicht die Firmenübernahmen durch russische Konzerne. Trotz der westlichen Sanktionen gegen Russland übernimmt der größte Ölproduzent des Landes, Rosneft, rund 30 Prozent am norwegischen Ölförderer North Atlantic Drilling. Norwegen hatte sich den Sanktionen angeschlossen. Mit der Beteiligung bauen die Russen ihre Geschäfte in Norwegen aus. Vor wenigen Tagen hatte der Ölkonzern zudem bekanntgegeben, zusammen mit der norwegischen Statoil neue Ölfelder zu erkunden.