Die Stadtwerke Ulm zögern mit einer 900-Millionen-Euro-Investition in ein neues Gaskraftwerk. Sie beklagen falsche Rahmenbedingungen und verlangen eine Förderung wie die für Fotovoltaik- und Windkraftanlagen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Leipheim - Zu einer Zeit, da die Katastrophe von Fukushima noch undenkbar schien, sind die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm das größte Investitionsvorhaben ihrer Geschichte angegangen. Der Regionalversorger an der Donau suchte und fand einen Standort für ein neues Gas- und Dampfturbinenkraftwerk, das die Unabhängigkeit von der Kernenergie sichern soll. Die Anlage auf dem Gelände des früheren Fliegerhorsts Leipheim (Kreis Günzburg) soll den Plänen zufolge jährlich bis zu 1200 Megawatt Leistung erzeugen können, annähernd so viel wie einer der beiden Blöcke des grenznahen Kernkraftwerks Gundremmingen. Die erzeugte Strommenge, so die Berechnungen, reichte für eine Million Haushalte. Die Investitionssumme, die mit Teilhabern zusammen aufgebracht werden soll, liegt bei 900 Millionen Euro.

 

Das Bebauungsplanverfahren für das Großprojekt läuft, seit Februar werden Bodensondierungen gemacht, der örtliche Gewerbegebiets-Zweckverband ist willig, die nötigen 18 Hektar Fläche zu verkaufen, ein Bürgerentscheid in der Gemeinde Bubesheim ging zu Gunsten des Gastkraftwerks aus. Trotzdem ist inzwischen fraglich, ob die Energieanlage tatsächlich wie geplant 2018 in Betrieb gehen wird. „Die politischen Rahmenbedingungen sind derzeit nicht gegeben“, sagt ein Sprecher der Ulmer Stadtwerke (SWU). Nach Lage der Dinge rechne sich das Kraftwerk nicht, weil bundesweit immer mehr Fotovoltaik- und Windkraftanlagen ans Netz gingen, deren Netzeinspeisung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz bevorzugt werde.

Gaskraftwerke gelten als unverzichtbar für die Energiewende

Obwohl Gaskraftwerke von allen maßgeblichen Energiepolitikern als unverzichtbar für den Energiewandel eingeschätzt werden, weil sie nicht den Schwankungen von Sonne und Wind ausgesetzt sind, könnte es kommen, dass das Projekt Leipheim nicht verwirklicht wird. Das passt zur aktuellen Großlage. Nach verschiedenen Medienberichten hat der Energieversorger Eon gedroht, drei Gaskraftwerke in Bayern und Hessen mangels Rendite zu schließen. Die Bundesnetzagentur bestätigt, dass es Ankündigungen von Betreibern gebe, in Süddeutschland Kraftwerkskapazitäten im Umfang von mehr als 1000 Megawatt zurückzubauen. Speziell in Bayern stößt den Gaskraftwerksbetreibern zusätzlich auf, dass der CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer öffentlich auch noch mit dem Aufbau eines landesweiten Netzes kleiner Biogasanlagen liebäugelt.

Die bayerischen Landtagsgrünen kritisierten mittlerweile, Eon wolle durch die Schließungsankündigungen lediglich öffentlichen Druck erzeugen, um in den Genuss staatlicher Subventionen für betagte Gaskraftwerke zu kommen. Der Energiekonzern wolle wohl erster Anwärter für eine auf Bundesebene diskutierte sogenannte Kapazitätsprämie sein, sagte der energiepolitische Sprecher der Grünen, Ludwig Hartmann.

Vergütung soll sich nach der bereitgehaltenen Leistung richten

Die Ulmer Stadtwerke hätten gern, bevor sie in Leipheim bauen, die Zusicherung eines „Leistungspreises“, wie ihr Sprecher betont. Die Festvergütung solle sich, solange die Energiewende nicht abgeschlossen sei, nach der bereitgehaltenen Leistung richten, nicht nach der tatsächlich abgerufenen. Es könne nicht sein, dass an sonnen- und windstarken Tagen, wie beispielsweise am vergangenen Pfingstwochenende, subventionierte Wind- und Fotovoltaikanlagen den Bedarf vorrangig bedienen dürften, während sich ein für den Energiewandel wichtiges „Stand-by-Kraftwerk“, wie es in Leipheim geplant sei, ganz ohne staatliche Hilfe finanzieren müsse.

Gaskraftwerke gelten als ideale Pufferkraftwerke, weil sie bei Bedarf innerhalb von einer Viertelstunde auf volle Leistung hochgefahren werden können. Ihr Nachteil ist die Abhängigkeit von Importgas. Der geplante Standort in Leipheim beispielsweise liegt nur drei Kilometer von einer Gashochdruckleitung entfernt, das Überlandstromnetz befindet sich noch näher.

An Panikmache wollen sich die Ulmer Stadtwerke nach eigener Aussage nicht beteiligen. Die Leipheimer Gaskraftwerkspläne seien „nicht auf Eis gelegt“, so der SWU-Sprecher. „Es wird sich etwas tun bei den Rahmenbedingungen“, sagt er. Zwei Ingenieure des Hauses trieben seit 2011 ausschließlich dieses Großprojekt voran. Es sei auch deshalb „geradezu töricht, das Projekt wieder fallen zu lassen“.