In Untertürkheim finden minderjährige unbegleitete Flüchtlinge beim Sport Freunde, Freude und Ablenkung. Das ist den Vereinen, der Stadt und engagierten Betreuern zu verdanken.

Stuttgart - C

 

ricket ist ein kompliziertes Spiel. Ein Junge wirft mit voller Wucht einen kleinen, weißen Ball auf einen anderen Jungen, der den Ball mit einem großen Schläger wegdrischt. Die anderen versuchen, Bälle zu fangen, sammeln sie auf oder fischen sie aus den Hecken. Wenn zwei kleine Hölzchen fallen, die quer auf drei stehenden liegen, jubeln die einen, die anderen geben den Schläger ab.

„Cricket ist ein kompliziertes Spiel“, bestätigt Fabian Schönleber, der Sportlehrer, der das „Projekt Cricket für Flüchtlinge“ betreut, „aber die spielen das so, wie wir Fußball spielen. Schauen Sie sich nur mal die Begeisterung an!“ Meistens kommen 40 bis 50 Spieler zusammen, auch heute, bei diesem lausigen Wetter. Jaffari, in Heslach untergebracht, erklärt, weshalb: „Das Spiel ist für mich sehr, sehr wichtig. Ich kann spielen und habe meine Vergangenheit vergessen. Das hier sind meine Freunde.“ Darum geht es Schönleber: „Jungs die Möglichkeit bieten, aus dem Alltag rauszukommen und ihren Lieblingssport zu treiben.“

Unbürokratische Hilfe

Vor einem halben Jahr begann die Kooperation zwischen dem Gemeinschaftserlebnis Sport (GES) unterm Dach des Sportkreises Stuttgart und dem Jugendamt Stuttgart. In erster Linie ist sie für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge gedacht. „Als wir den Bedarf gesehen haben“, erzählt Schönleber, „mussten wir lange nach einem Platz suchen. Wir sind dankbar, dass die SG Untertürkheim uns ihren zur Verfügung stellt. Ganz unbürokratisch!“

Die Jugendlichen mit dem Faible für Cricket kommen aus Pakistan, Afghanistan, Sri Lanka, Bangladesh, Indien. „Die Engländer haben uns dieses schöne Geschenk gemacht“, sagt Ali Zaidi, und meint natürlich Cricket. Er selbst kam einst aus Pakistan, um als Linguist in der Bundesrepublik seine Doktorarbeit zu machen. Dann hat er für sich die Sozialarbeit entdeckt, an der Dualen Hochschule studiert und ist heute beim Jugendamt für sportliche Aktivitäten junger Leute zuständig. „Schauen Sie, wie gut das den Jungs tut!“

Gut fürs Selbstwertgefühl

Er weiß, wie deren Alltag ist: „Sie sollen alles hinbekommen, ohne ihre Geschwister, ohne ihre Eltern. Hier vergessen sie für vier, fünf Stunden alles und können sich auspowern. Hinterher haben sie ein gemeinsames Thema, diskutieren über Strategien für das nächste Spiel. Und natürlich stärkt es ihr Selbstwertgefühl, dass sie hier den Sport treiben können, den sie schon als Kinder auf der Straße ausgeübt haben. Mich macht es glücklich, wenn ich diese Freude sehe.“ Faszinierend, was so ein kompliziertes Spiel bewegen kann.