Die französische Regierung empfiehlt die Brustimplantate entfernen zu lassen. Das Krebsrisiko hält sie allerdings für nicht erwiesen.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Paris - Also doch. Der französische Gesundheitsminister Xavier Bertrand hat am Freitag Zeitungsmeldungen bestätigt und den "Rückruf" minderwertiger Brustimplantate der Marke PIP empfohlen. Er betonte, dies geschehe "aus vorbeugenden Gründen und ohne Dringlichkeits-charakter". Das Entfernen sei aber selbst dann angebracht, wenn es keine Anzeichen von Rissen oder anderen Mängeln des Silikonkissens gäbe.

 

Eine Krebs fördernde Wirkung schließt Bertrand nicht aus, doch hält er den Kausalcharakter auch nicht für erwiesen. Das französische Krebsinstitut Inca hatte am Donnerstagabend erklärt, dass bei den betroffenen PIP-Produkten "bis zum heutigen Tag kein erhöhtes Krebsrisiko" im Vergleich zu anderen Implantaten festgestellt worden sei. Nach behördlicher Darstellung leiden in Frankreich acht Frauen mit PIP-Implantaten unter Krebssymptomen; eine 53-jährige Französin ist an den Folgen gestorben.

In Deutschland nur wenige betroffen

Bisher hatte die französische Regierung die betroffenen Frauen nur angehalten, ihren Chirurgen oder Hausarzt aufzusuchen. Die "Rückrufaktion" betrifft 30.000 Französinnen. Weltweit sollen 300.000 Frauen, hauptsächlich in Europa und Südamerika Implantate der Firma Poly Implants Prothèses (PIP) erhalten haben. In Deutschland sind offenbar nur wenige Frauen betroffen.

Die Folgen dieses Gesundheitsskandals bisher unbekannter Art sind noch nicht absehbar. In Paris hatte die Regierungssprecherin Valérie Pécresse schon Mitte der Woche angekündigt, dass der Staat die Kosten für die Entfernung der Implantate übernehmen werde. Für den Kauf und die Neueinsetzung neuer Brusteinlagen müssen die Betroffenen aber selber aufkommen. Ausgenommen sind nur Brustkrebspatientinnen, die PIP-Produkte wegen ihrer Krankheit und nicht als reine Schönheitsoperation erhalten hatten. Laut Experten dürfte ihr Anteil aber verschwindend klein sein, da die Implantate in internationalen Fachkreisen als Billigware galten und von seriösen Chirurgen nicht benutzt wurden.

Klage gegen sechs Kliniken

In Großbritannien - neben Frankreich und Spanien das am stärksten betroffene Land - haben die Gesundheitsbehörden erklärt, PIP-Produkte stellten kein erhöhtes Risiko für die Trägerinnen dar. Trotzdem haben bereits 250 Engländerinnen Klage gegen sechs Kliniken eingereicht, die solche Implantate einoperiert hatten. Die Anwälte der Frauen verzichten auf Klagen gegen den Hersteller im südfranzösischen La Seyne-sur-Mer, da PIP Konkurs gegangen und aufgelöst worden ist.

Die Firma stellte die reißanfälligen und zum Teil platzenden Implantate von 2001 bis im Frühjahr 2010 her. Vom Konkurs bedroht, prüfte Unternehmensgründer Jean-Claude Mas im Sommer 2010 noch das Übernahmeangebot eines amerikanischen Konkurrenten. Später setzte er sich an einen unbekannten Ort ab. Laut dem Pariser Radiosender Europe 1 war Mas früher als Fleischer tätig. Er ist heute noch flüchtig, es wird aber gegen ihn wegen Betrugs ermittelt. Die 120 PIP-Angestellten wurden entlassen. Die Polizei in Marseille versucht nun die Kette der Verantwortlichkeiten nachzuvollziehen. Laut Augenzeugen und Verbänden französischer PIP-Patientinnen benutzte das Unternehmen zum Teil Industriesilikon für die Implantate. Bei den - Wochen im Voraus angekündigten - Kontrollen durch den europaweit zuständigen Tüv sei dieser Umstand vertuscht worden.

Auf diese Weise sparte PIP laut französischen Medien rund eine Million Euro an Materialkosten ein. Die Folgekosten dürften nun um ein Vielfaches höher liegen.

Deutsche Experten warnen vor Panikmache

Zusammenhang: Angesichts der Empfehlung Frankreichs, Brustimplantate der Firma PIP entfernen zu lassen, warnen Experten vor Panik. Man wisse noch nicht, ob es einen Zusammenhang zwischen den geplatzten Implantaten und den Krebserkrankungen gebe, betonte der Pressesprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Empfehlung: Er sagte: „In Deutschland haben wir keine vergleichbaren Krebsfälle.“ Wie viele Frauen in Deutschland ein Implantat der 2010 aufgelösten französischen Firma Poly Implant Prothèses (PIP) erhalten hatten, ist unklar. „Es ist nicht auszuschließen, dass wir uns der Empfehlung der französischen Behörden anschließen, sollte sich das Risiko auch für Deutschland bestätigen.“