Die Kreisverbände in Stuttgart und Böblingen haben die Verträge für Minijobber umgestellt. Nürtingen ist noch nicht so weit.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)
Stuttgart - Die drei Kreisverbände des Deutschen Roten Kreuzes in Stuttgart, Böblingen und Nürtingen hatten im Mai dieses Jahres teils auf Nachfrage der StZ eingeräumt, dass sie sich bei der Bezahlung ihrer Minijobber nicht durchgehend an das geltende Gesetz hielten. Insbesondere bekamen die vielen Hundert geringfügig Beschäftigten keinen bezahlten Urlaub und auch keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Es habe sich dabei aber nicht um eine bewusste Übertretung der Regeln gehandelt, betonte Udo Bangerter, der Sprecher des DRK Stuttgart nochmals.Jedenfalls haben die Kreisverbände in Stuttgart und Böblingen laut eigenem Bekunden mittlerweile alle ihre Verträge mit Minijobbern angepasst. "Wir als sozialer Verband haben eine Vorbildfunktion", sagte Wolfgang Heubach, der Sprecher des DRK-Kreisverbandes in Böblingen: "Es war für uns selbstverständlich, dass wir dieses Problem sofort beheben."

Unterm Strich etwa 350 Euro mehr


Da jeder Vertrag einzeln neu gefasst und Gehalts- und Urlaubsansprüche für jeden Mitarbeiter neu berechnet werden mussten, habe die Umstellung etwas gedauert. Rückwirkend zum 1. Januar 2010 gelten jetzt aber die neuen Verträge, so Heubach. Für den Kreisverband bedeute dies eine Mehrbelastung von rund 140.000Euro. Angesichts von etwa 400 Minijobbern - sehr viele arbeiten in den Pflegeheimen des DRK - erhält jeder geringfügig Beschäftigte damit unterm Strich etwa 350 Euro mehr.

"Das ist eine finanzielle Größenordnung, die für uns auch tragbar ist", so Wolfgang Heubach. Ganz ähnlich ist das Verfahren beim DRK Stuttgart gelaufen. Dessen Sprecher Udo Bangerter meldete auf Anfrage der StZ ebenfalls Vollzug: Rückwirkend zum 1. Januar erhielten die geringfügig Beschäftigten jetzt bezahlten Urlaub und weiter Lohn, falls sie krankgeschrieben sind.

Um die Urlaubsansprüche der Minijobber zu berechnen und jetzt auch die Vertretungen zu organisieren, sei ein gewisser Mehraufwand notwendig. "Wir freuen uns über die Klärung dieser Fragen", so Bangerter: "Denn Grauzonen sind immer schwierig." Beim Kreisverband Nürtingen kommen die Mitarbeiter hingegen noch nicht in den Genuss der gesetzlichen Regelungen. Man habe sich in den Gremien ausführlich mit der Thematik befasst, sagte Geschäftsführer Klaus Rau gegenüber der StZ. Seither sei klar: "Wir werden unseren Minijobbern die ihnen zustehenden Leistungen gewähren."

Kreisverbände wollen Gesetz ohne Fallstricke umsetzen


Man wolle in den konkreten Fragen das Knowhow des Stuttgarter DRK nutzen, um in der Sache weiterzukommen. Wann die Umsetzung erfolgen wird, konnte Rau nicht sagen. Alle drei Kreisverbände haben zugesagt, das Gesetz ohne Fallstricke umzusetzen - man habe zum Beispiel natürlich nicht den allgemeinen Stundenlohn der Minijobber gesenkt, um die Mehrkosten für den bezahlten Urlaub wieder hereinzuholen, so Wolfgang Heubach. In vielen Unternehmen ist es aber durchaus so, dass die Minijobber zwar ihren gesetzlichen Ansprüche erhalten, der Lohn aber äußerst gering ist.

So bekommen manche Minijobber in einem bundesweit tätigen Fachgeschäft gerade 6,50 Euro pro Stunde. Umgerechnet auf einen Ganztagsjob entspricht das einem Monatslohn von gerade 1000 Euro. Davon kann niemand leben. Beim 68. Deutschen Juristentag in Berlin haben deshalb vor kurzem viele Arbeitsrechtler einen generellen Mindestlohn gefordert.

Professor Christian Rolfs aus Köln betonte, dass gerade Minijobber in der Praxis häufig um ihren Anspruch auf Urlaub, Lohnfortzahlung und Sonderzahlungen betrogen würden. Zudem seien 400-Euro-Jobber oft von Altersarmut bedroht, weil sie meist schlecht bezahlt und kaum qualifiziert würden, so Professor Wolfhard Kohte aus Halle. Die Juristen sehen es deshalb mit Sorge, dass der Anteil der Minijobs an allen Beschäftigungsverhältnissen in Deutschland steigt - derzeit liegt er deutschlandweit bei 12,2 Prozent.