Gleich am ersten Tag wird der Wirtschafts- und Arbeitsminister mit „Herr Kanzler“ angesprochen – ein Übersetzungsfehler des Dolmetschers. Der SPD-Parteichef nimmt das mit Humor. Scherzhaft berichtet er, er reise gern nach Polen, wenn er wegen schlechter Umfragewerte für die Sozialdemokraten einmal niedergeschlagen sei. In Polen würden Politiker häufig mit einer höheren Rangstufe angesprochen. Auch wenn Gabriel über sich schmunzeln kann, gibt es keine Zweifel an seinen Ambitionen: Für ihn ist die Reise nach China der Versuch, als Wirtschaftsminister anzukommen. Stolz ist er darauf, dass er einen Termin mit Chinas Ministerpräsident Li Keqiang bekommen hat. Dafür waren nur 20 Minuten vorgesehen, es wird daraus fast eine Stunde. Das zeugt von gegenseitiger Achtung.

 

Bisher ist der Niedersachse vor allem als Minister für die Energiewende in Erscheinung getreten. Das ändert sich jetzt mit der Chinareise. Dass er als Wirtschaftsminister ins Ausland reise, sei normales Geschäft, versichert Gabriel. Nach zwei Tagen im Ausland wirkt der Minister so, als habe er das immer schon gemacht. Dabei ist es kein leichter Balanceakt. Auch Gabriel gibt keine Antworten darauf, wie Klimaschutz und wilde Industrialisierung in China zusammenpassen. Dieses Spannungsverhältnis übergeht Gabriel einfach. Den Besuch auf der Automesse bezeichnet er als wichtiges Signal. Wer dem Riesenreich vorschreiben wolle, welche Autos es kaufen solle, handele imperialistisch, meint er. Peking lasse sich nichts vorschreiben.

Den Rollenwechsel meistert Gabriel mühelos

Die Reise bedeutet einen ständigen Wechsel vom Umweltpolitiker zum Vertreter deutscher Standortinteressen. Der Rollenwechsel bereitet Gabriel kaum Mühe. Bei den Unternehmen kommt Gabriels Vielseitigkeit an. Schließlich sind die Verkäufer von Umwelttechnologie ebenso in der Delegation vertreten wie die Repräsentanten der Automobilindustrie. Spürbar ist aber, dass einige Firmenchefs dem Minister noch misstrauisch begegnen. Als er am ersten Tag das erste Mal zu ihnen spricht, erhält er nur dünnen Applaus. Ein erfahrener Firmenchef sagt, die Forderungen der SPD im Wahlkampf nach Steuererhöhungen seien nicht vergessen. Dennoch sind die Geschäftsleute vom neuen Minister auf der Reise angetan. Der Firmenpatriarch Martin Herrenknecht aus Baden, dessen Firma Bagger für Tunnelbohrungen baut, äußert sich anerkennend: „Gabriel legt sich ins Zeug.“ Auch der Ulmer Unternehmer Alexander Kulitz hebt hervor, dass der Minister offen für die Belange der Unternehmer sei. Positiv sei, dass Gabriel zuhören könne.

Dass er unter Beobachtung steht, weiß Gabriel. Nicht nur die Wirtschaftsleute machen sich ein Bild. Auf der Reise sind auch drei Ex-Bundesminister mit von der Partie: der frühere Verteidigungsminister Rudolf Scharping von der SPD, und die CSU-Politiker und Ex-Minister Peter Ramsauer und Michael Glos. Scharping und Glos sind als Berater für Unternehmen tätig, Ramsauer ist Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Bundestag. Der glücklose Wirtschaftsminister Glos hatte mit dem damaligen Umweltminister Gabriel in der ersten großen Koalition von 2005 bis 2009 viel zu tun. Das Wirtschaftsministerium warnte damals vor den hohen Kosten für erneuerbare Energien, Gabriel wehrte dies seinerzeit ab. Heute fordert auch Gabriel ein stärkeres Kostenbewusstsein bei den erneuerbaren Energien. Das sei die typische Rollenverteilung zwischen Ministerien, sagt Glos. Gabriel traut er einiges zu: „Was er macht, macht er geschickt“, lautet das Urteil eines seiner Vorgänger.

Auch der Minister staunt, was ihm die Automanager berichten. Der chinesische BMW-Statthalter Karsten Engel erzählt, dass der Konzern bis 2020 mit einem jährlichen Wachstum von mehr als zehn Prozent rechnet. Auch an anderen Ständen hört man Superlative. In China werden im Jahr rund 18 Millionen Neuwagen verkauft, allein VW steuert in diesem Jahr rund 3,5 Millionen Fahrzeuge bei. „Dieser Markt ist fantastisch“, sagt der Daimler-Vorstand Hubertus Troska. Doch die rasante Nachfrage führt zu immer größeren Umweltproblemen. Im Januar versteigerte die Pekinger Stadtverwaltung 18 000 Zulassungen für Autos. Dafür gingen 1,8 Millionen Bewerbungen ein. Die Autoindustrie hofft trotz der Reglementierungen weiterhin auf gute Geschäfte. Der Minister erfährt, dass die Nachfrage nicht mehr nur aus den Großstädten kommt, sondern auch aus kleineren Städten des Nordens und Westens. Allein BMW will in China 10 000 Mitarbeiter für den Verkauf neu einstellen. Das sind gigantische Zahlen. Gabriel ist überzeugt. dass sich dieses Wachstum nicht lange durchhalten lässt. Auf der Automesse sagt er das nicht. 30 Stunden zuvor klingt das noch etwas anders.

Zwei Minister unter sich

Ein fensterloser Raum, im Untergeschoss eines Pekinger Luxushotels: hier trifft sich der Wirtschafts- und Energieminister morgens um sieben mit dem chinesischen Minister für die Reformkommission, Xu Shaoshi. Die Politiker sitzen an einem Tisch mit den Standarten beider Länder. 40 Minuten sprechen sie über die Neuausrichtung der Energiepolitik. „Wir müssen die Industrialisierung der nächsten 50 Jahre mit anderen Mitteln schaffen als in der Vergangenheit“, sagt der deutsche Gast nach dem Gespräch. Die Minister verabreden, bis zu den Regierungskonsultationen im Herbst zu konkreten Absprachen in der Energie- und Handelspolitik zu kommen.

Auf seiner ersten großen Auslandsreise zeigt Gabriel, dass er mehr sein will als Energieminister. Rund 50 Firmenvertreter gehören der Delegation an, die meisten sind Mittelständler. Die ganz großen Namen aus der Industrie fehlen, die werden im Juli mit der Kanzlerin nach China reisen. Doch das stört Gabriel nicht. Der Wirtschaftsminister zeigt, dass er Deutschland gut im Ausland verkaufen kann. Immer wieder sucht er das Gespräch mit den Geschäftsleuten. Die Manager sind zufrieden. Stets warnt er aber vor zu hohen Erwartungen an die Visite. „Neuerungen brauchen Zeit“, sagt er zu den Mitreisenden. Die Bundesregierung setzt aber darauf, dass sich in den deutsch-chinesischen Beziehungen in diesem Jahr einiges bewegt, da wichtige Treffen anstehen. In einem solchen Jahr könne einiges in Bewegung geraten.

Gabriels Versuch, als Wirtschaftsminister anzukommen

Gleich am ersten Tag wird der Wirtschafts- und Arbeitsminister mit „Herr Kanzler“ angesprochen – ein Übersetzungsfehler des Dolmetschers. Der SPD-Parteichef nimmt das mit Humor. Scherzhaft berichtet er, er reise gern nach Polen, wenn er wegen schlechter Umfragewerte für die Sozialdemokraten einmal niedergeschlagen sei. In Polen würden Politiker häufig mit einer höheren Rangstufe angesprochen. Auch wenn Gabriel über sich schmunzeln kann, gibt es keine Zweifel an seinen Ambitionen: Für ihn ist die Reise nach China der Versuch, als Wirtschaftsminister anzukommen. Stolz ist er darauf, dass er einen Termin mit Chinas Ministerpräsident Li Keqiang bekommen hat. Dafür waren nur 20 Minuten vorgesehen, es wird daraus fast eine Stunde. Das zeugt von gegenseitiger Achtung.

Bisher ist der Niedersachse vor allem als Minister für die Energiewende in Erscheinung getreten. Das ändert sich jetzt mit der Chinareise. Dass er als Wirtschaftsminister ins Ausland reise, sei normales Geschäft, versichert Gabriel. Nach zwei Tagen im Ausland wirkt der Minister so, als habe er das immer schon gemacht. Dabei ist es kein leichter Balanceakt. Auch Gabriel gibt keine Antworten darauf, wie Klimaschutz und wilde Industrialisierung in China zusammenpassen. Dieses Spannungsverhältnis übergeht Gabriel einfach. Den Besuch auf der Automesse bezeichnet er als wichtiges Signal. Wer dem Riesenreich vorschreiben wolle, welche Autos es kaufen solle, handele imperialistisch, meint er. Peking lasse sich nichts vorschreiben.

Den Rollenwechsel meistert Gabriel mühelos

Die Reise bedeutet einen ständigen Wechsel vom Umweltpolitiker zum Vertreter deutscher Standortinteressen. Der Rollenwechsel bereitet Gabriel kaum Mühe. Bei den Unternehmen kommt Gabriels Vielseitigkeit an. Schließlich sind die Verkäufer von Umwelttechnologie ebenso in der Delegation vertreten wie die Repräsentanten der Automobilindustrie. Spürbar ist aber, dass einige Firmenchefs dem Minister noch misstrauisch begegnen. Als er am ersten Tag das erste Mal zu ihnen spricht, erhält er nur dünnen Applaus. Ein erfahrener Firmenchef sagt, die Forderungen der SPD im Wahlkampf nach Steuererhöhungen seien nicht vergessen. Dennoch sind die Geschäftsleute vom neuen Minister auf der Reise angetan. Der Firmenpatriarch Martin Herrenknecht aus Baden, dessen Firma Bagger für Tunnelbohrungen baut, äußert sich anerkennend: „Gabriel legt sich ins Zeug.“ Auch der Ulmer Unternehmer Alexander Kulitz hebt hervor, dass der Minister offen für die Belange der Unternehmer sei. Positiv sei, dass Gabriel zuhören könne.

Dass er unter Beobachtung steht, weiß Gabriel. Nicht nur die Wirtschaftsleute machen sich ein Bild. Auf der Reise sind auch drei Ex-Bundesminister mit von der Partie: der frühere Verteidigungsminister Rudolf Scharping von der SPD, und die CSU-Politiker und Ex-Minister Peter Ramsauer und Michael Glos. Scharping und Glos sind als Berater für Unternehmen tätig, Ramsauer ist Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Bundestag. Der glücklose Wirtschaftsminister Glos hatte mit dem damaligen Umweltminister Gabriel in der ersten großen Koalition von 2005 bis 2009 viel zu tun. Das Wirtschaftsministerium warnte damals vor den hohen Kosten für erneuerbare Energien, Gabriel wehrte dies seinerzeit ab. Heute fordert auch Gabriel ein stärkeres Kostenbewusstsein bei den erneuerbaren Energien. Das sei die typische Rollenverteilung zwischen Ministerien, sagt Glos. Gabriel traut er einiges zu: „Was er macht, macht er geschickt“, lautet das Urteil eines seiner Vorgänger.

Glos weiß aber auch, dass die Bewährungsprobe noch bevorsteht. Mit der industriefreundlichen Umsetzung der Energiewende hat Gabriel bei der Wirtschaft Sympathien gewonnen. Doch das ist allenfalls ein Anfangserfolg. Wie rasch sich das Blatt wieder wenden kann, haben viele Wirtschaftsminister erfahren müssen. Dass manche Medien den Wirtschaftsminister schon als „roten Ludwig Erhard“ sehen, amüsiert den alten Fahrensmann Glos. Das klinge alles schön, meint der Franke. Er hält es aber mit dem Altkanzler Helmut Kohl. „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“