Oberbürgermeister Fritz Kuhn ist auf der Internationalen Immobilienmesse Mipim in Cannes auf die Immobilienwirtschaft zugegangen.

Stuttgart - Das Wahlplakat, auf dem Fritz Kuhn im zurückliegenden Jahr mit dem Slogan 'Für Stuttgart bauen - nicht für Investoren' für sich warb, ist längst Makulatur. Auf der internationalen Immobilienleitmesse Mipim in Cannes gab sich Stuttgarts neuer Oberbürgermeister gegenüber der Immobilienwirtschaft bestimmt, aber versöhnlich. Dieser Slogan aus dem Wahlkampf sei ausdrücklich so gemeint und in seiner Bedeutung nicht zu bestreiten - natürlich könne man aber dennoch auch mit Investoren ganz gut auskommen. In der Immobilienbranche wird der Auftritt von Oberbürgermeister Kuhn auf der Mipim größtenteils positiv bewertet. Drees-&-Sommer-Vorstand Dierk Mutschler findet, dass sich das neue Stuttgarter Stadtoberhaupt bei seinem ersten Auftritt vor der Immobilienwirtschaft gut geschlagen habe.

 

Überrascht vom Auftreten des neuen Stuttgarter Stadtoberhauptes

Beim Thema Stuttgart 21 habe er zwar deutlich Stellung bezogen, anderseits aber auch darauf hingewiesen, dass in Stuttgart im Gegensatz zu Berlin vor dem Bau schwäbisch konstruktiv gestritten wurde. 'Ich glaube, das war die richtige Botschaft, und die nimmt man ihm auch ab', so Mutschler. 'Die Leute erkennen an, dass er da ist und sich Zeit nimmt', so Matthias Lutz von der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart. Nur wenige Oberbürgermeister aus den deutschen Metropolen hätten sich auf der diesjährigen Mipim sehen lassen, so Frank Peter Unterreiner, Herausgeber des Immobilienbriefs Stuttgarts. Auch Peter Brenner, Vorsitzender des Vorstands des Verbandes IWS Immobilienwirtschaft Metropolregion Stuttgart und erstmals in seiner Eigenschaft als neuer Geschäftsführer vom Zweckverband Flugfeld Böblingen/Sindelfingen auf der Mipim, war angenehm überrascht vom Auftreten des neuen Stuttgarter Stadtoberhauptes.

'Es ist von seiner Seite ein großes Interesse da, in den Dialog mit der Immobilienwirtschaft zu treten. Ich habe ihn als aufgeschlossen und auch durchaus sachkundig erlebt', lobt Brenner den neuen OB. Das liegt vielleicht auch daran, dass Kuhn entgegen dem früheren Oberbürgermeister Wolfgang Schuster dem IWS durchaus mehr Gesprächsbereitschaft signalisiert hat als sein Vorgänger, so ein Insider. Ein weiteres Arbeitsgespräch in Form eines Runden Tisches zwischen dem Stuttgarter Stadtoberhaupt und dem IWS soll bereits zwischen Ostern und Pfingsten folgen. Auf der Tagesordnung ganz oben: Sim, das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell, das von Teilen der Immobilienwirtschaft heftig kritisiert wird, weil es Investoren in Stuttgart zwingt, in Neubauten ab einer gewissen Größe auch sozialen Wohnungsbau zu integrieren, und die Stadt davon aber nicht abrücken will, weil in Stuttgart dringend bezahlbarer Wohnungsbau benötigt wird. Für Peter Brenner ist das Ende der zweijährigen Testphase von Sim 'eine gute Gelegenheit', das Thema erneut auf den Verhandlungstisch zu bringen und 'nachzubessern'. Kuhn wiederum ließ auf der Mipim trotz allem Wohlwollen gegenüber der Immobilienwirtschaft keinen Zweifel daran, dass er das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell durchziehen will, denn Urbanität erreiche man nur mit sozialer Durchmischung.

'Ich habe den Eindruck, dass der neue OB da sehr konstruktiv herangeht'

Daher sei die Umsetzung des Stuttgarter Innenentwicklungsmodells Sim zwingend notwendig. Brenner sieht allerdings noch Verhandlungsspielraum und hofft, dass der neue Oberbürgermeister dem einen oder anderen Vorschlag der Immobilienwirtschaft zu Sim durchaus zugänglich sein könnte. 'Ich habe den Eindruck, dass der neue OB da sehr konstruktiv herangeht.' Matthias Lutz sieht das Thema aus dem regionalen Blickwinkel etwas differenzierter. 'Sim ist Fritz Kuhn wichtig, weil Stuttgart aus seiner Sicht bezahlbare Wohnungen benötigt. Auch wenn das der Branche am Anfang nicht so schmecken wird, am Ende zählt die Berechenbarkeit der Politik. Aber auch Lutz weiß, dass sich letztendlich beide Seiten zum Wohle der Stadt aufeinander zubewegen werden müssen. Beim obligatorischen Empfang des Stuttgarter Oberbürgermeisters in Cannes nutzte Fritz Kuhn die Gelegenheit, seine Vorstellungen für ein nachhaltiges Bauen in Stuttgart zu konkretisieren. 'Wenn wir tatsächlich von Nachhaltigkeit sprechen wollen, muss die Wirtschaftlichkeit gewährleistet sein, die Ökologie immer beachtet werden, und es muss sozial gerecht zugehen.'

Neben der zwingend notwendigen Umsetzung von Sim müsse man aber auch neue Häuser und Quartiere bauen, die mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen. Kuhn sieht hier das Zukunftsthema für die Stadt, 'da Stuttgart in diesem Bereich noch größten Nachholbedarf hat'. Gesucht seien jetzt vor allem nachhaltige Investoren, die mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben wollen, warb Kuhn auf der weltgrößten Immobilienmesse für seine Ideen von einer nachhaltigen Stadt. Frank Peter Unterreiner, der als Herausgeber des 'Immobilienbriefs Stuttgart' Kuhns Plakataktion im OB-Wahlkampf als kontraproduktiv kritisiert hatte, sieht Kuhns Mipim-Auftritt durchweg positiv. 'Der Oberbürgermeister tritt bestimmt auf, sagt deutlich, was er will, zeigt aber dann auch Wege auf, wo man mit ihm noch diskutieren kann.' Das könnte für die künftige Zusammenarbeit mit der Immobilienwirtschaft hilfreich sein. Warum nicht beim Stuttgarter Stadtentwicklungsmodell darüber reden, ob immer zwingend alle drei Förderwege in einem Objekt angewendet werden müssten, regt Unterreiner an. Andererseits dämpft der Immobilienexperte allzu hohe Erwartungen, die man aus den ersten Begegnungen zwischen Immobilienwirtschaft und grünem Stadtoberhaupt ziehen könnte.

'Fritz Kuhn weiß, was er will, und ein runder Tisch sagt noch nichts darüber aus, ob es mit ihm leichter wird als mit seinem Vorgänger. Auf dieses erste positive Signal müssen weitere folgen.' Spannend findet Frank Peter Unterreiner auch den von Kuhn propagierten Vorstoß beim Bau von Energieplus-Häusern in der Stadt. 'Da wird man abwarten müssen, wie die Investoren mit diesem Thema umgehen, zumal die Finanzierung derartiger Objekte derzeit noch äußerst schwierig ist.'